Zur Ausgabe
Artikel 26 / 79

STEUERN / BAUSPAREN In kleinen Dosen

aus DER SPIEGEL 6/1971

Direktor Helmut Maier, 59, Chef der öffentlichen Bausparkasse Württemberg in Stuttgart, stöhnte: »Dann können wir den Laden dichtmachen.«

Den Manager des sechstgrößten deutschen Bauspar-Instituts hatten Bonner Reformpläne aufgeschreckt, »ein gerechtes, einfaches und Überschaubares Steuersystem zu schauen« (Kanzler Willy Brandt).

Maier und seine Branchenkollegen wittern in solchen Versuchen Gefahr für ihre Kassen, weil die Reformer auch die staatliche Bausparförderung einschränken wollen. Mit der Reform, so fürchten die Bausparkassen, könnte Ihr zwanzigjähriger Dauer-Boom abrupt gebremst werden.

Am 20. Februar wollen Finanzminister Alex Möller und seine Spitzenbeamten auf einer viertägigen Klausurtagung in Karlsruhe darüber beraten, wie sie die Bundeshilfen für Bausparer -- staatliche Zuschüsse in Form von Prämien oder die Möglichkeit, die jährliche Sparrate von der Einkommensteuer abzusetzen -- gerechter verteilen können. Denn von der derzeitigen Bausparförderung profitieren vor allem jene Großverdiener, die ohnehin zu Lasten der minderverdienenden Masse respektable Vermögen anhäufen konnten. So nutzen heute selbst hochdotierte Manager mit Jahresgehältern von 300 000 Mark und mehr die gesetzlichen Möglichkeiten durchweg nur als Steuersparkassen und nicht zur Finanzierung eines Familien-Eigenheims, das sie meist ohnehin schon besitzen,

Die Ministerialen wollen Alex Möller in Karlsruhe drei Wege zur Entscheidung vorlegen, die zum Teil Im Finanzressort, zum Teil von anderen Experten, wie der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission für eine umfassende Reform des Steuerrechts, ausgearbeitet wurden: > Abbau aller Steuervorteile, etwa der Freibeträge und der Sparförderung. Statt dessen Steuerfreiheit für 30 Prozent des Jahreseinkommens bis zu einer Bemessungsgrenze von 12 000 Mark für Verheiratete (6000 Mark Ledige), soweit dieser Anteil für die Altersvorsorge verwendet wird. Dadurch soll gewährleistet werden, daß die Begünstigung nicht mit steigendem Einkommen wächst.

* Beseitigung der steuerlichen Abzugsfähigkeit für Bausparbeiträge nach Paragraph 10 des Einkommensteuergesetzes und Neuregelung der staatlichen Förderung über Prämien zugunsten einkommensschwacher Schichten. Dadurch würde die Bauspar-Begünstigung höherer Einkommen überhaupt entfallen.

* Aufhebung aller Steuerpräferenzen und Weitergabe der so wieder dem Staat zufließenden Gelder an die Steuerzahler über eine Tarifsenkung. Dadurch soll verhindert werden, daß Steuer-Ersparnisse vorwiegend denen zukommen, die ihr Einkommen nicht aufzehren können.

Die Bauspar-Mathematiker in den Verwaltungspalästen der großen Institute sind überzeugt, daß, einerlei welches Modell der Gesetzgeber wählt, der Zufluß an Kundengeldern erheblich schrumpfen würde. Zahlreiche potentielle Bausparer würden, so fürchten die Kassen, sich andere Formen der Geldanlage suchen und damit einen mörderischen Wettbewerb zwischen Bausparkassen, Banken, Versicherungen, Immobilienmaklern und Investment-Gesellschaften auslösen.

Ihre Argumente haben Gewicht. Denn die Bausparkassen, die in den vergangenen Jahren in einer Art Dauerboom immer mehr Spargelder auf sich zogen, verwalten 1969 rund 200 Milliarden Mark Bausparsumme. Allein im vergangenen Jahr floß diesen Spargroschen-Imperien eine Vertragssumme von 53 Milliarden Mark neu zu. Die Bausparkasse Wüstenrot, Marktführer aus dem schwäbischen Städtchen Ludwigsburg, erreichte 1969 mit einer Bilanzsumme von 8,2 Milliarden Mark etwa die Größe der Bank für Gemeinwirtschaft.

»Die ziehen ja die halbe Wirtschaft mit sich, wenn denen etwas passiert«, orakelt sogar der Steuerexperte des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Düsseldorf, Hans Georg Wehner. Der Steuerfachmann fordert deshalb eine »Reform in kleinen Dosen, um einen Kollaps zu verhindern«.

Die bislang üppige Liquidität der Bausparkassen würde -- so argumentieren die Geldmanager -- schlagartig schrumpfen. Die Wartezeiten müßten deshalb verlängert werden. Das aber würde gerade den kleinen Bausparer am härtesten treffen.

In der Tat profitierten die Kleinsparer bislang von den bauunwilligen Steuersparern, die den Kassen ein hohes Neugeschäft und damit erhebliche Liquidität verschafften. Schon nach drei oder vier Jahren kann ein Bausparer derzeit noch mit der Zuteilung und Auszahlung seiner gesamten Bausparsumme einschließlich der damit verbundenen Hypothek rechnen. Bliebe das Neugeschäft aus, würden die sogenannten Zuteilungsfristen nach Berechnungen der Kassen schnell auf zwölf bis 15 Jahre anschwellen.

Wüstenrot-Chef Walter Englert, der letzte Woche in Bonn vor Ort recherchierte, warnte Möllers Ministeriale überdies vor weiteren Folgelasten: Die bisherige Entwicklung des Bausparens habe es dem Bund möglich gemacht, sich weitgehend aus dem öffentlich geförderten Wohnungsbau zurückzuziehen. Englert: »Hier lauem unkalkulierte Risiken auf die Bundeskasse.

Auch die Bundesbank in Frankfurt, die über die Geldströme in Deutschland wacht, wandte sich bereits Anfang letzten Jahres gegen einen Kahlschlag in der Bausparförderung: »Eine abrupte Einschränkung verbietet sich von selbst.«

Dennoch kalkulieren die Bauspar-Manager die Reform seit Jahren ein. Sie versuchten, durch Aufnahme neuer Geschäftszweige unabhängiger zu werden. Englert: »Weg von der Einspännigkeit«. So vertreiben die Vertreter der Bausparkassen seit einiger Zeit auch Versicherungs-Policen und Immobilien-Zertifikate, Wüstenrot gründete sogar eine Baugesellschaft sowie eine eigene Bank zur Finanzierung von Bauvorhaben.

Mehr noch als auf die neue Geschäftspolitik eines weitverzweigten Geldtrusts setzt der erfahrene ehemalige Staatsbeamte Englert auf das politische Gewicht seiner Bausparer-Heere und deren Wählerstimmen: »Auch in der Politik wird heißer gekocht als gegessen.«

Zur Ausgabe
Artikel 26 / 79
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren