Kriminalität Ins Knie geschossen
Der Wächter in der Düsseldorfer Brunnenstraße hatte keine Ahnung, daß er Tag für Tag observiert wurde. Der Aufpasser und die »saubere Kundschaft«, die er seinem Kontaktmann im Keller des Hauses 61 über Handfunk meldete, waren stets im Polizei-Visier.
An einem Tag im Juni sah ein Einsatzkommando auch drinnen nach dem Rechten. Die Polizisten stießen auf zwei mit grünem Filz bezogene Black-Jack-Tische, einige tausend Mark Zockergeld und die Creme der Düsseldorfer Unterwelt: 13 Spieler und 2 Bankhalter ließen Karten und Jetons fallen, als sie die Hände hoben.
»Hier kommen 100 Jahre Knast zusammen«, beschrieb einer der Zocker die überrumpelte Truppe: »Aber es sind auch unbescholtene Leute darunter, die schnell mal ihr Gehalt verspielen.«
Wie in Düsseldorf, wo die Kripo weitere 20 verbotene Kasinos vermutet, ist _(* Oben: Eingang zur Düsseldorfer ) _(Brunnenstraße 61 (linker Pfeil); in dem ) _(Auto (rechter Pfeil) sitzt der ) _(Aufpasser, der per Funk vor ) _(Polizeieinsätzen warnt; unten: nach ) _(einer Polizeirazzia. ) Deutschlands Zockerszene allerorten abgetaucht. Denn seit letzten Dezember gilt eine Änderung der Gewerbeordnung, nach der Glücksspiel nicht mehr geduldet wird.
Kommunale Ordnungsbehörden erteilen keine Konzessionen mehr, und das Bundeskriminalamt (BKA) bescheinigt keine Unbedenklichkeit mehr für Spielgeräte in den Kullerbuden. Wer »ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet«, kann, laut Strafgesetzbuch, mit »Freiheitsentzug bis zu zwei Jahren« bestraft werden. Auch Spieler, die außerhalb staatlich lizensierter Kasinos zocken, riskieren Gefängnis »bis zu sechs Monaten«.
Kriminalisten konnten früher in den Hinterzimmern, als Biotope des organisierten Verbrechens meist stadtbekannt, heiße Spuren aufnehmen. Heute kennen sie oft nicht einmal mehr die Adressen der Etablissements. Für die Polizei, klagt der Düsseldorfer Fahnder Dieter Breulmann, ist die neue Gewerbeordnung mißlich: »Man kommt an die illegalen Veranstalter nur noch, wenn einer petzt.«
»Die Beweislage ist schwieriger«, sagt auch BKA-Experte Klaus Gadebusch. »Wenn man die Dinger findet, haben sie Stahltüren, und wenn man schließlich mit Gewalt reinkommt, haben die Kerle geputzt.« Die Behörden, ahnen Glücksspielexperten wie der hannoversche Kriminaloberkommissar Helge Röhrborn, hätten sich im Kampf gegen das illegale Glücksspiel »wohl selber ins Knie geschossen«.
Jahrelang umgingen die Besitzer von einigen hundert privaten Spielhöllen die Strafvorschriften: Glücksspiele wie Roulette oder Black Jack erklärten sie zu Beobachtungs- und Geschicklichkeitsspielen, die genehmigt wurden.
Weil dort trotzdem an frisiertem Gerät hart gezockt wurde, kritisierten Politiker und Experten das BKA; es mache diese Praktiken mit seinen Unbedenklichkeitsbescheinigungen erst möglich. Doch die Prüfer beriefen sich auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 1982. Danach war die bloße Möglichkeit, daß ein Kasinobesitzer Spielgeräte manipuliert, kein Grund, die Genehmigung zu versagen.
20 000 bis 30 000 Spieler, die wegen ihres Vorlebens in den 40 staatlich konzessionierten Spielbanken gesperrt waren, wichen auf private Zockerstuben im Rotlichtmilieu aus. Erst als ein Ulmer Großunternehmer (Szenenjargon: »Der Papst") ein weites Netz dieser obskuren Glückszentren geknüpft hatte, griff die Polizei 1989 bundesweit durch. Vor allem in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen flogen Zockerkonzerne auf, die gute Beziehungen bis in die Büros von Staatsanwälten und Ministern hatten.
Heute gibt es für Kugel-, Karten- und Würfelspiele schon dann keine BKA-Erlaubnis mehr, wenn sie »nach den zur Prüfung eingereichten Bedingungen nicht wirtschaftlich betrieben werden können«. Die Folge: 1993 erhielten noch 747 Bewerber die Erlaubnis des BKA; jetzt sind bundesweit nur noch 37 Genehmigungen gültig. Die letzten laufen am 31. Oktober aus.
Die Zockerbosse, glaubt Ermittler Röhrborn, »werden nun an ihrer Aufgabe wachsen und sich was Neues einfallen lassen«. In Nordrhein-Westfalen werden schon Billard-Cafes eingerichtet - der grüne Filz der Tische wird im Hinterzimmer für das verbotene Würfelspiel »Seven-eleven« zweckentfremdet. Y
* Oben: Eingang zur Düsseldorfer Brunnenstraße 61 (linker Pfeil); indem Auto (rechter Pfeil) sitzt der Aufpasser, der per Funk vorPolizeieinsätzen warnt; unten: nach einer Polizeirazzia.