RUNDFUNK Instant Coffee
Das Programm hat keinen Anfang, und es nimmt auch kein Ende. Rund um die Uhr wogt die Hitwelle aus den USA, dröhnen die Rocksounds von »Sleeping Bag«, »Burning Heart«, »The Big Money«.
Stevie Wonder singt »Part-Time Lover«, Tina Turner röhrt »One of the Living« - alles frisch aus Amerika, direkt über Satelliten aus dem Studio Washington. Nach 25 Jahren Pause sendet »Voice of America«, das Erweckungsprogramm für westliche Demokratie und den American way of life, wieder in Deutschland.
Seit Mittwoch letzter Woche kommt die Stimme Amerikas in Hannover und Braunschweig, Oldenburg und Wilhelmshaven über die Kabelnetze per Post ins Haus. Das Ludwigshafener Kabelfernsehen ist ebenso zugeschaltet wie Postnetze in Mainz und demnächst München. Rund 80 000 westdeutsche Haushalte können das Programm bisher empfangen, bundesweite Einspielungen sollen folgen.
Was die Amerikaner bewirken wollen, wird unterschwellig deutlich. Der typische Sound mit den aktuellen Überseehits, den knappen News in unverfälschtem Amerikanisch und die allabendliche Zweistundensendung mit der sonoren Stimme des weltbekannten Jazzveteranen Willis Conover - das alles zielt auf die junge und mittlere Generation.
In dieser Zielgruppe vermutet die Regierung Reagan einen Nachholbedarf. »Feindseligkeiten« gegen Nachrüstung und Weltraumwaffen, »Verständnisprobleme« bei jungen Leuten auf allen Kontinenten sind nach US-Regierungsangaben der Grund für die Funkoffensive.
»Wir sind in einer halbjährigen Versuchsphase«, sagt Ross E. Petzing, Programmverantwortlicher im Münchner Studio von »Voice of America«, »und wir warten auf eine Entscheidung zum Weitersenden.«
Die wird nicht lange auf sich warten lassen. Denn die regierungsamtliche _(Werbe-Illustration zum 40jährigen ) _(Bestehen von »Voice of America«, 1982. )
United States Information Agency (USIA), die den Sender betreibt, wurde mit Dollarmillionen gespickt. »Es war keine gute Idee«, meint Petzing, »die bis 1960 in Westeuropa ausgestrahlten Sendungen einzustellen.«
Geblieben waren in der Bundesrepublik nur der Truppensender AFN, die nach Osteuropa funkenden Münchner US-Stationen Radio Free Europe und Radio Liberty sowie - seit 1965 - das Army-Fernsehen AFN-TV, das in den ehemaligen amerikanischen Besatzungsgebieten zu empfangen ist.
Die USIA soll zwei neue Sendesysteme aufbauen: *___den Hörfunk von »Voice of America« (VoA), mit dem die ____Amerikaner Sympathien in westeuropäischen Ländern ____erwerben wollen, und *___ein USIA-Fernsehprogramm, das außer in Westeuropa auch ____in Afrika, Asien und Lateinamerika zu sehen sein soll ____(Projektname »Worldnet").
Während Hanns-Eberhard Schleyer, Staatssekretär des Mainzer Ministerpräsidenten Bernhard Vogel (CDU), die Ludwigshafener VoA-Premiere Mitte Oktober gleich als »rundfunkpolitisch bedeutsames Ereignis« rühmte, werten die Grünen die amerikanischen Sendungen - so der Bonner Sprecher Franz Stänner - schlicht als »Propaganda« ab.
Das täglich zweistündige USIA-Fernsehprogramm startete Ende April - schon vor der neuen VoA-Hörfunkwelle. In der Bundesrepublik ist es allerdings, außer in der Bonner US-Botschaft und in amerikanischen Konsulaten, vorerst nirgends zu empfangen.
Daher entsannen sich Reagans TV-Planer eines bejahrten deutschen USIA-Ablegers, den Washington zu einem eigenen deutschen Fernsehprogramm animieren möchte: Rias Berlin. Der Sender könnte eine frei werdende Berliner TV-Frequenz nutzen, die mit einem Radius von 50 Kilometern von West-Berlin in die DDR hineinstrahlt.
Doch mehr als Wunsch und Idee für ein Rias-Fernsehen gibt es noch nicht. Vor allem fehlt das Geld, das - auf Grund einer Zahlungsverpflichtung für den Rias - überwiegend aus dem Bonner Bundeshaushalt kommen müßte. Immerhin nahm Berlins Bürgermeister Eberhard Diepgen, der das Projekt befürwortet, deswegen Kontakt mit dem Bonner Kanzleramt auf.
Die Funk- und TV-Pläne der USIA stammen noch aus der Amtszeit Jimmy Carters. Für Ronald Reagan und seinen USIA-Chef Charles Z. Wick, ebenfalls ein Mann mit Hollywood-Erfahrung, war vieles schon vorbereitet, der Präsident brauchte nur noch das Geld lockerzumachen. So etwas lasse sich, sagt Petzing in München, schließlich nicht mal »schnell wie Instant Coffee machen«.
In Niedersachsen hatten es die Kabelleger des Bundespostministers Christian Schwarz-Schilling mit dem Einspeisen so eilig, daß sie die ordnungsgemäße Anmeldung in Hannover versäumten. Nach zweitägiger illegaler Sendung mußte die CDU-Landesregierung das VoA-Programm vorübergehend verbieten, bis letzte Woche alle Formalitäten erfüllt waren und der Amerikafunk, zunächst als »technischer Betriebsversuch« (Post), gestartet werden konnte.
Mehr Bedenken als in Bonn gibt es gegen die Reagan-Welle offenbar in den USA selbst. Die »Washington Post« berichtete von politischen Einwänden gegen Tendenzen bei der USIA, Propaganda für die »antikommunistischen Ansichten Präsident Reagans« zu machen.
Werbe-Illustration zum 40jährigen Bestehen von »Voice of America«,1982.