Gefahr willkürlicher Festnahme Bundesregierung fordert Deutsche zur Ausreise aus Iran auf

Das Regime in Iran versucht, die Proteste mit aller Härte niederzuschlagen. Nun fürchtet die Bundesregierung, dass deutsche Staatsangehörige ins Visier der Mullahs geraten könnten – und drängt zum Verlassen des Landes.
Ein Foto der getöteten Mahsa Amini bei einem Protest in Berlin

Ein Foto der getöteten Mahsa Amini bei einem Protest in Berlin

Foto: CLEMENS BILAN / EPA

Iran wird seit Wochen von einer historischen Protestwelle erschüttert. Angesichts des gewaltsamen Vorgehens gegen die systemkritischen Proteste hat die Bundesregierung deutsche Staatsbürger in Iran zur Ausreise aus dem Land aufgefordert. »Für deutsche Staatsangehörige besteht die konkrete Gefahr, willkürlich festgenommen, verhört und zu langen Haftstrafen verurteilt zu werden«, hieß es am Donnerstag auf der Internetseite des Auswärtigen Amts in Berlin. »Vor allem Doppelstaater, die neben der deutschen auch noch die iranische Staatsangehörigkeit besitzen, sind gefährdet«, wurde gewarnt.

Iran ist bekannt für seine Geiseldiplomatie. Immer wieder geraten Ausländer und Doppelstaatler ins Visier der iranischen Behörden. Sie werden unter fadenscheinigen Vorwürfen festgehalten und oft zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Häufig wird ihnen etwa Spionage für den Westen oder Israel unterstellt. Menschenrechtsorganisationen zufolge werden derzeit mindestens 17 Doppelstaater aus Europa und Nordamerika in Iran festgehalten. Sie dienen dem Regime häufig als Faustpfand in Verhandlungen. Zuletzt haben die Machthaber in Teheran zudem immer wieder ausländische Quellen für die Proteste im Land verantwortlich gemacht.

Das Land kommt seit Wochen nicht zur Ruhe. Trotz der massiven Gewalt, mit der sogenannte Sicherheitskräfte vorgehen, gehen die Menschen weiter auf die Straße. Sie fordern mittlerweile das Ende der Islamischen Republik.

DER SPIEGEL

Seit mehr als sechs Wochen halten die Proteste nicht nur in Teheran, sondern auch in anderen Städten der Islamischen Republik an. Entzündet hatten sie sich am Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Die Kurdin war am 16. September in Polizeigewahrsam gestorben. Die sogenannte Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie unangemessen gekleidet gewesen sein soll. Inzwischen haben sich die Proteste zur größten Herausforderung für die geistliche Führung seit 1979 ausgewachsen. Damals wurde im Zuge der islamischen Revolution der Schah gestürzt, und die Islamische Republik wurde ausgerufen.

Die Sicherheitskräfte gehen zum Teil mit großer Gewalt gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten vor und versuchen, die Proteste zu unterdrücken. Am Wochenende drohten zudem die Revolutionsgarden den Protestierenden, sie sollten sich von den Straßen fernhalten. Bislang hatte sich die Eliteeinheit nicht an der Niederschlagung der Kundgebungen beteiligt.

Seit deren Beginn Mitte September sind nach Angaben von Menschenrechtsgruppen landesweit rund 300 Demonstrantinnen und Demonstranten ums Leben gekommen, darunter über 40 Minderjährige. Zudem seien über 30 Sicherheitskräfte getötet worden. Mehr als 14.000 Festnahmen gab es den Angaben zufolge in 132 Städten und kleineren Orten.

asc/dpa
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