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AFFÄREN /PENN-CENTRAL-KONKURS Irgendwelche Abenteuer

aus DER SPIEGEL 47/1970

»Die Untersucher des Penn-Central-Konkurses«, so entsetzte sich das amerikanische Nachrichtenmagazin »Newsweek«, »haben jetzt die Büchse der Pandora geöffnet.«

Die amtlichen Spürer von vier Kommissionen deckten vorletzte Woche vor allem Fehlspekulationen und anrüchige Geschäfte der Manager auf. Dadurch sei, so die Untersucher, die größte private Eisenbahn-Gesellschaft der Welt (94 000 Beschäftigte, acht Milliarden Mark Jahresumsatz) in den »größten Konkurs der amerikanischen Geschichte« ("International Herald Tribune") gerollt.

Als die Manager des Eisenbahn-Giganten im Juli dieses Jahres den Weg zum Konkursrichter gehen mußten, waren die Schulden auf mehr als neun Milliarden Mark gewachsen (SPIEGEL 27/1970). Auch in den ersten neun Monaten dieses Jahres ratterte die Gesellschaft mit einem Verlust von über 233 Millionen Dollar in die roten Zahlen.

Laut Kommissionsbericht hatte die Misere schon 1962 begonnen, sechs Jahre bevor die Eisenbahn-Gesellschaften Pennsylvania Railroad Company und New York Central zur Penn Central Transportation Company fusionierten. Damals hatte David Bevan, Finanzchef der Pennsylvania Railroad

* Mit der zur »Miss Rangiermaschine« gekürten Linda Vaughn.

und später auch der Penn Central, zusammen mit anderen Managern und Geschäftsfreunden die Investitionsgesellschaft »Penphil« gegründet.

In den folgenden Jahren Investierten die Penn-Freunde hauptsächlich In Unternehmen, an denen auch die Eisenbahn-Gesellschaft interessiert war. Dabei stimmten sie ihr Vorgehen sorgfältig mit den Transaktionen der Pennsylvania Railroad ab. So kauften die Penphil-Leute am gleichen Tag, an dem die Eisenbahn-Gesellschaft Anteile an der Grundstücksfirma Great Southwest Corporation erwarb, zehntausend Aktien dieser Gesellschaft auf.

Als später die Pennsylvania Railroad auf Bevans Rat hin die Great Southwest hundertprozentig in den Konzern eingliedern wollten, veräußerten die Penphil-Leute ihre Anteile an die Eisenbahn-Gesellschaft und erzielten dabei einen Gewinn von 212 000 Dollar. Pennsylvania-Hausbankier und Penphil-Teilhaber Charles J. Hodge strich bei diesem Geschäft von beiden Selten Vermittlungscourtage ein.

In einem anderen Fall sorgte Penphil-Initiator und Eisenbahn-Finanzchef Bevan dafür, daß die Pennsylvania Railroad sogar in die Luft ging: Er interessierte den Eisenbahner-Aufsichtsrat für das Lufttaxi-Projekt Executive Jet Aviaton (EJA) des pensionierten Luftwaffen-Generals 0. F. Lassiter. Der rüstige General wollte mit einer Flotte kleiner Düsenflugzeuge einen Luft-Zubringerdienst zu den großen Flughäfen aufziehen und suchte Geldgeber.

Die Eisenbahn-Manager ließen sich in der Tat von Ihrem Kollegen Bevan zu einer ersten Investition von fünf Millionen Dollar überreden, obgleich sie damit einen Konflikt mit dem Gesetz riskierten. Denn nach amerikanischem Recht ist es Eisenbahn-Gesellschaften verboten, ohne Genehmigung durch die Zivile Luftfahrt-Behörde (Civil Aeronautics Board) Fluggesellschaften zu kontrollieren.

Die Beamten der Luftfahrtbehörde verwiesen die Bahner auch prompt wieder auf die Schienen, Inzwischen aber mochten die Eisenbahner-Bosse nicht mehr auf die Luftfahrt verzichten. Sie wollten sogar noch höher hinaus. So gewannen sie die Stahlfirmen US Steel Corporation und Burlington Industries als Partner und beschlossen, mit einer Flotte von Riesenflugzeugen eine große internationale Luftfahrt-Gesellschaft, die unter dem Kommando des Ex-Generals stehen sollte, zu gründen. Als Massentransporter sollte eine -- bislang nur vage geplante -- Zivilversion des als Militärflugzeug schon unwirtschaftlich operierenden Superiets vom Typ Lockheed C-5A angeschafft werden.

In der Zwischenzeit freilich hatte der ehemalige Flieger-Stratege die EJA an den Rand der Pleite geflogen. Als mißtrauische Eisenbahner im vergangenen Juli endlich die Bücher prüften, entdeckten sie überdies, daß der Ex-General rund 900 000 Dollar an Spesen für sich und seine vielen Freundinnen verbraucht hatte.

So verbrachte Lassiter zusammen mit der prallbusigen Blondine Linda Vaughn, die auf dem Eisenbahner-Schönheitswettbewerb den Titel »Miss Rangiermaschine« gewonnen hatte, mehrere Wochen in Paris. Lassiter über seine blonde Lokomotive: »Ich wollte mit ihr in Frankreich für EJA werben.« Die Bahn-Bosse entließen den General fristlos.

Als dann das Civil Aeronautics Board Im letzten Jahr die Eisenbnhner mit einem endgültigen Verbot Ihrer Fluggesellschaft belegte, hatte Penn Central schon 21 Millionen Dollar an EJA verspekuliert.

Auch andere Diversifikationen brachten kein Geld in die Eisenbahner-Kassen. Rund 175 Millionen Dollar, davon 144 Millionen In bar, steckten die Manager unter anderem in den Erwerb der Ölfirma Buckeye Pipe Line Company, der Grundstücksunternehmen Arvida Corporation und Macco Corporation, ohne daß die Neuerwerbungen die erhofften Erträge eingebracht hätten. »Penn Central«, so konstatierten die amtlichen Gutachter, »hat auch künftig von den Tochtergesellschaften kein Geld zu erwarten.«

Die verspekulierten 175 Millionen Dollar fehlten Penn Central vor allem Im Juni dieses Jahres, als es darum ging, kurzfristige Verbindlichkeiten abzudecken. Als auch noch der US-Kongreß eine Staatsbürgschaft in Höhe von 200 Millionen Dollar verweigerte, mußten die Eisenbahn-Manager Konkurs anmelden.

Grollte der texanische Kongreß-Mann Wright Patman, Vorsitzender des Banken- und Währungsausschusses: »Penn Central hätte besser daran getan, die 175 Millionen Dollar in den eigenen verschlampten Eisenbahnbetrieb zu stecken, der sie weiß Gott nötig gehabt hätte, anstatt sie für irgendwelche Abenteuer auszugeben.«

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