Zur Ausgabe
Artikel 39 / 86

Israel Vorstoß ins Fatah-Land

In der »größten Aktion seit dem Juni-Krieg von 1967« fielen Israels Streitkräfte im Libanon ein, bombardierte Israels Luftwaffe Ziele in Syrien. Doch die Schläge galten weniger den Nachbarstaaten als von dort operierenden Palästina-Guerillas. eine Libanesin über die Kurzinvasion der Israelis: »Sie waren nur hinter Fedalin her.« Während die Jüdischen Krieger Im libanesischen Feindesland Freunde gewannen, schlugen die Syrer zurück.
aus DER SPIEGEL 11/1972

Israels Behörden sperrten das einzige Skigelände des Landes am Berg Herman wegen »schlechter Wetterbedingungen«. In Wirklichkeit sammelten sich in dem Landstreifen an der Libanon- und Syrien-Grenze Elite-Truppen.

Freitag vorletzter Woche erhielten die Soldaten den Einsatzbefehl zu einem »Vergeltungsschlag für den Tod dreier Zivilisten": Unter dem Schutz von Flugzeugen und Artillerie stießen Panzer in den Libanon vor. Hubschrauber setzten Kommando-Trupps ab. Bulldozer ebneten Pisten für nachrückende motorisierte Truppen.

In der »größten Aktion gegen ein arabisches Land seit dem Krieg vom Juni 1967« (so ein Militärsprecher in Tel Aviv) besetzte Israel vier Tage lang den Südlibanon. Dann -- am Mittwoch -schickte es seine Kampfflugzeuge über die Golan-Höhen zu Bombeneinsätzen nach Syrien. Und ausgerechnet als Gunnar Jarring in Jerusalem sondierte, hallte wieder Kriegslärm aus dem Nahen Osten, »reduzierten sich die ohnehin geringen Erwartungen in die Reise des Uno-Vermittlers auf ein Nichts« ("Le Monde").

Die israelischen Blitzaktionen richteten sich freilich mehr gegen die Palästina-Guerillas als gegen die Nachbarländer. Den Regierungen in Beirut und

* Aus »Ekstra Bladet«, Kopenhagen.

Damaskus wollte der Judenstaat nur demonstrieren: Wenn sie die Fedajin-Trupps auf ihrem Territorium nicht zur Räson brächten, würde Israel das besorgen -- mit Folgen für die Gastländer.

Denn die Freischärler hatten in den letzten Wochen bewiesen, daß sie durchaus noch nicht am Ende sind:

El-Fatah-Fedajin verstärkten ihre Anschläge gegen Israel vom Libanon aus und töteten in der letzten Februar-Woche fünf Personen. Eine bislang obskure Guerilla-Truppe kaperte einen Lufthansa-Jumbo und erpreßte fünf Millionen Dollar Lösegeld (ein Akt, von dem sich die bekannten Freischärler-Organisationen distanzierten). Ein Kairoer Gericht setzte vier Fedajin der »Organisation Schwarzer September« auf freien Fuß, die den in Ägypten zu Gast weilenden jordanischen Premier Wasfi Teil ermordet hatten. Sadats Regierungsblatt »Al-Ahram« zur Freilassung: »Herrlich!«

Alles in allem ist die Lage der von König Hussein. Beduinen-Truppen dezimierten, oft untereinander zerstrittenen Freischärler-Organisationen freilich keineswegs so herrlich. Aus Jordanien so gut wie vertrieben, in Ägypten und Syrien unter der Kontrolle der Machthaber, beherrschten sie souverän nur noch »Fatah-Land, etwa 120 Quadratkilometer mit 20 Dörfern in der Arkub-Region im Südlibanon.

Die Beiruter Regierung hatte 1969 unter sanftem Druck der radikalen Bruderstaaten und der Palästinenser ihre südliche Grenzregion den Kommandos überlassen. Nach einem in Kairo geschlossenen Abkommen dürfen die Fedajin zwar nicht vom Libanon aus nach Israel schießen, haben aber ansonsten völlig freie Hand. Zuletzt lebten im Fatah-Land etwa 5000 Guerillas.

Sie aus ihrer letzten Bastion zu vertreiben und die Libanesen gegen die militanten Dauergaste aufzubringen, war das Hauptziel der israelischen Invasion. Der Führer der Operation, Israels neuer Stabschef David ("Dado") Elazar, tauchte sogar selbst kurz im vorübergehend okkupierten Land auf.

Seine Soldaten wirkten mit Güte und Strenge: »Wir wollen euch nichts antun ... Wir möchten in Sicherheit und Frieden leben wie ihr«, verkündeten Flugblätter den Libanesen. Im Grenzort Ainata verteilten Stoßtruppler Bananen an Kinder. Die Bewohner hielten die arabisch sprechenden Judensoldaten zunächst für Libanesen im Manöver: Die Landser hatten eine von einem Gebäude gefallene Libanon-Fahne wieder angebracht.

»Die Israelis taten uns nichts«, berichtete Samira Chared, Mutter von drei Kindern aus dem Dorf Rachaja Fukbar. Hausfrau Nofa Maluf bestätigte: »Sie waren nur hinter Fedajin her.«

Freilich: Die Israelis sprengten auch Häuser von angeblichen Guerilla-Freunden, und neben Palästinensern starben auch Libanesen. »Wenn den Juden -- den Opfern von Nazi-Greueln -- jedes Leben gleich viel wert ist«, klagte Beiruts »Daily Star«, »kann man sich nur wundern, daß der Tod von zwei Personen Aktionen gegen Dörfer mit Tausenden von Einwohnern auslöst.«

Stärker aber empörten sich die Libanesen, wie von den Israelis gewünscht. über die Freischärler. »Der Libanon leidet mehr als diejenigen, die Israels Reaktionen provozieren«, fand die Bei. ruter Zeitung »Al-Dscharida«. Und »Lass-an A-Hal« forderte: »Gesunder Menschenverstand verbietet (Guerilla-) Aktivitäten an der Libanan-Grenze.«

Die Libanesen im Fatah-Land begrüßten denn auch nach dem Abzug der Israelis herzlich Libanon-Soldaten, die erstmals seit 1969 in ihrem Gebiet Stellung bezogen, Und sie beschimpften die aus ihren Verstecken zurückkehrenden Palästinenser: »Haut ab. Dreckskerle!«

Libanon-Premier Salam möchte den Kairoer Vertrag revidieren; er würde an seiner Südgrenze am liebsten Uno-Soldaten ("Blauhelme") sehen. Der Flugplatz Reimt wies angeblich drei libysche Maschinen mit Waffen für die Guerillas ab.

Das El-Fatah-Organ »Saut El Assifa« witterte Verrat. Pro-Fedajin-Demonstranten in Beirut forderten: »Weder Blauhelme noch Revision des Kairo-Abkommens« und klagten: »Arabische Regierungen, was ist aus eurer Ostfront geworden?« Ägyptens Sadat beschwor die Libanon-Regierung, »sich nicht zu Repressionen gegen die Palästina-Guerillas hinreißen zu lassen«.

Israels Dado Elazar aber freute sich, daß seine »Aktion in Beirut den gewünschten Eindruck hinterließ«. Mit Damaskus ging diese Rechnung allerdings nicht auf: Nach dem israelischen Angriff schickten »die Syrer ihre Migs zur Gegenattacke. Zum erstenmal seit dem vergangenen September griffen sie israelische Siedlungen an.

»In Zukunft werden wir stets hart zurückschlagen«, drohte Radio Damaskus, »gleich, ob die Israelis Fedajin oder unsere eigenen Streitkräfte angreifen.«

Zur Ausgabe
Artikel 39 / 86
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren