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COUNCIL Ist nicht zu sprechen

aus DER SPIEGEL 8/1950

Jch bin die Tochter eines Obsthändlers«, begann Dr. Arna Elizabeth Rides ihre Rede am Sender Prag. Erst tschechisch, dann englisch. »Mein Vater weihte sein Leben einer kleinen Methodistenkirche in einem Städtchen unweit Londons.« Dann verfluchte die Tochter die Regierung ihres englischen Vaterlandes, über zweitausend Worte lang.

Die tschechoslowakische Presse frohlockte. Die Prager Regierung möchte dem British Council gern eins auswischen, in dem Dr. Rides bisher wirkte. Der Council ist, so behauptet Prag, ein Werkzeug der englischen und der amerikanischen Politik geworden und arbeitet in der Tschechoslowakei gegen das gegenwärtige Regime.

Der British Council ist auch in England oft angegriffen worden. Der Zeitungsmagnat Lord Beaverbrook hält es für falsch, daß jährlich etwa drei Millionen Pfund Sterling (35 Millionen DM) zur Verbreitung der englischen Kultur im Ausland, das ihrer ja gar nicht wert sei, ausgegeben werden.

Der British Council wurde vor dem Krieg gegründet. Als englische Antwort auf das Berliner Propaganda - Ministerium. 1940 wurde der Council zu einer öffentlichen Korporation, mit eigenem Statut. König Georg VI. übernahm den Vorsitz. Das Außenamt zahlt weiter die Rechnungen.

Heute arbeitet der British Council in fast allen Ländern. Er veranstaltet Vorträge, Theater- und Filmvorführungen, und Konzerte, arrangiert Studenten-Austausch, eröffnet englische Lesehallen und Büchereien. Er hält sich peinlich von aller Politik fern.

Nach dem Kulturabkommen, das London nach Kriegsende mit Prag schloß, durfte der British Council nach Prag, Brno (Brünn) und Bratislava (Preßburg) kommen. Damals zählte der Council 3000 tschechische Mitglieder. Seit dem kommunistischen Putsch sinkt die Zahl ständig.

Der Direktor R. A. Close, sitzt noch im einstigen Kaunitz-Palais, das vom Benesch-Regime zur Verfügung gestellt wurde. Gar zu oft stehen Geheimpolizisten vor dem Eingang in der Panská (Herrengasse). Sie notieren sich Namen von Tschechen, die Interessen für Westkultur zeigen. Tageszeitungen darf Close nicht mehr auslegen. Wochenzeitungen darf man bei ihm noch lesen, auch politische.

In Brno sind noch »Manchester Guardian«. »Daily Herald« und »News Chronicle« erlaubt Trotz aller Isolierungsversuche erfahren in allen drei Städten zumindest Spezialisten und Lehrer, was England kulturell und wissenschaftlich zu bieten hat

Dr. Rides findet das unerhört. Zu den wüsten Dingen, dessen sie den British Council beschuldigt, gehört es, daß er »indirekt gegen den Kommunismus kämpft, indem er die Ueberlegenheit des kulturellen und wissenschaftlichen Niveaus in Großbritannien demonstriert«.

Miss Rides saß vier Jahre lang als Beraterin in ärztlichen Angelegenheiten im Kaunitz-Palais Auch für landwirtschaftliche Fragen war sie zuständig.

Ihr Vertrag lief jetzt ab und sollte nicht erneuert werden. Im Januar kam sie nach England, um ihre sterbende Mutter zu besuchen. Man bot Dr. Rides einen Posten in der Londoner Zentrale an.

Nach dem Begräbnis der Mutter flog sie nach Prag zurück. Zwei Tage später gab sie ihre Rundfunkerklärung. Vorher hatte sie sich nie unzufrieden gezeigt.

Für Journalisten aus dem Westen ist Miss Rides nicht mehr zu sprechen. Vor ihrem Haus wacht ein Mann vom Prager Geheimdienst. Wer anrief, hörte nur: »Dr. Rides ist nicht zu sprechen.«

Das öffentliche England nimmt den Rides-Fall nicht eben tragisch. Der Tod der Mutter wird ihr zugute gehalten und ihre angebliche Entwurzelung. Sie sei eine Närrin, heißt es.

Fräulein Dr. Rides hat Vorgänger. Vor einiger Zeit ist der Herausgeber eines amtlichen englischen Blattes in Moskau zu den Russen übergegangen. Ein oder zwei englische Besatzungssoldaten in Deutschland sind in die Ostzone desertiert. In Warschau entdeckte der Direktor des British Council für Polen, Bidwell, sein Herz für die Volksrepublik. Im ganzen waren es immer nur Einzelgänger, die die andere Seite wählten.

In Prag meinen einflußreiche Tschechen, die Tage des British Council in der Tschechoslowakei seien gezählt. Trotz Kulturkonvention.

Sie scheinen auch in Budapest gezählt zu sein. In dem Spionageprozeß gegen englische und amerikanische Staatsangehörige vor Ungarns Volksgerichtshof mußte der Engländer Edgar Sanders ebenfalls den British Council belasten.

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