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SKORZENY Jagd auf Narbengesicht

aus DER SPIEGEL 9/1963

Mussolini-Befreier Otto Skorzeny, 54,

will sich nicht ungestraft »Verbrecher« heißen lassen: Der nach Ansicht des britischen Geheimdienstes einst »gefährlichste Mann Europas« hat das linksbürgerliche Pariser Wochenblatt »Aux Ecoutes« wegen dieses Ausdrucks auf Ehrenbeleidigung verklagt; der Prozeß soll am 26. Februar in Paris beginnen.

»Aux Ecoutes« stützt sich in seiner Verteidigung auf einen Haftbefehl, den das österreichische Justizministerium im vergangenen Herbst gegen den einstigen SS-Obersturmbannführer und Ritterkreuzträger aus dem Wiener Bezirk Meidling erließ.

Sondereinsatzführer Otto Skorzeny wird darin der Synagogen-Brandstiftung und der Beihilfe zum mehrfachen Giftmord beschuldigt: Er habe von ihm entwickelte lautlose Giftpistolen an KZ -Häftlingen in Sachsenhausen erproben lassen und damit den Tod zahlreicher Häftlinge verursacht.

Die Anschuldigungen stützen sich auf die Aussage des ehemaligen SS-Stummbannführers Albert Widmann, der 1961 vor dem Düsseldorfer Schwurgericht erklärte, Skorzeny sei die treibende Kraft hinter dieser Waffe gewesen, da er sie zu einem Attentat auf Stalin habe benutzen wollen. Weiteres Material lieferten Eichmann-Jäger Simon Wiesenthal vom israelischen Geheimdienst und eine Pankower Skorzeny -Broschüre mit dem Reißer-Titel »Die Jagd nach dem Narbengesicht«.

»Alles Blödsinn«, kommentiert Skorzeny, Sohn eines wohlbestallten Wiener Bauingenieurs, der schon in den frühen dreißiger Jahren dem Motorsturm der illegalen SS in Österreich beitrat und durch seine späteren Taten zum berühmtesten Soldaten des Krieges (so die »Deutsche Soldaten-Zeitung") wurde. Zu den Husarenstücken des 1,96 Meter großen SS-Hünen zählen

- die Befreiung des Duce Benito Mussolini, den seine zu den Alliierten umgeschwenkten Landsleute auf dem fast unzugänglichen Gran Sasso im Apenninengebirge interniert hatten, im September 1943,

- die Entführung des angesichts der heranrückenden Roten Armee kapitulationswilligen faschistischen Reichsverwesers von Ungarn, Admiral von Horthy, aus der Budapester Burg im Oktober 1944 und

- die Führung jener deutschen Sonderkommandos, die bei der Ardennen -Offensive in US-Uniformen hinter den feindlichen Linien Verwirrung stifteten.

1947 wurde der Duce-Retter, Angehöriger der Leibstandarte »Adolf Hitler« und Mitarbeiter des Reichssicherheitshauptamt-Chefs Kaltenbrunner, nach zweijährigen Ermittlungen über seine Kriegstaten von einem US-Militärtribunal freigesprochen; ein Anteil an der Niederschlagung des Putsches vom 20. Juli 1944 und eine ihm zunächst angelastete Erschießung von kampfunwilligen Zivilisten im Brückenkopf Schwedt an der Oder im Frühjahr 1945 konnten dem alten Kämpfer nicht nachgewiesen werden.

Skorzenys Flucht aus einem Lager in Darmstadt, wo er das deutsche Spruchkammerverfahren abwarten sollte, trug dafür zu zahlreichen neuen Legenden bei, die sich in den letzten Jahren um Hitlers Paradesoldaten rankten. So hieß es, Skorzeny

- sei geheimer Führer der Südtiroler Terroristen gewesen, die mit Dynamitladungen oberitalienische Elektrizitätswerke und Hochspannungsmasten knackten;

- habe die ägyptischen Kommando -Einheiten ausgebildet, die den Engländern und Franzosen bei der Suez -Aktion heiße, Scharmützel lieferten, und

- sei an Massakern im Kongo ebenso

beteiligt gewesen wie bei Waffenschiebungen im Nahen Osten.

In Wahrheit waren die Nachkriegsabenteuer von Hitlers bekanntestem Landsknecht ungleich friedlicherer Natur: Seit 1949 besitzt und leitet der graduierte Techniker in Madrid ein »Ingenieurbüro Robert Steinbauer«, das sich hauptsächlich der Vermittlung von Stahl-Geschäften widmet. Die Honorare von drei Büchern, in denen Skorzeny seine kriegerischen Abenteuer schildert, legte er in einem Landgut in der irischen Grafschaft Kildare an. Eine dritte lukrative Tätigkeit des Österreichers besteht darin, sonnenhungrigen Deutschen Grundstücke und Bungalows an Spaniens Costa del Sol zu verkaufen. Meldungen, wonach er sich neuerdings wegen Haftbefehls und Presseangriffen aus Europa absetzen und als Militärberater in Indien oder Paraguay niederlassen wolle, kommentiert Skorzeny wegwerfend: »Ein alter Hut.« Allerdings beabsichtigt der beleidigte Kriegsheld, wie österreichische Zeitungen in der vergangenen Woche berichteten, nicht persönlich zu seinem Prozeß in Paris zu erscheinen.

Duce-Befreier Skorzeny: Giftpistolen für Stalin-Attentat im KZ erprobt?

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