Jan Fleischhauers letzte SPIEGEL-Kolumne Augsteins Vermächtnis

Das ist meine letzte Kolumne an dieser Stelle. Wenn ich mir etwas wünschen darf, dann dieses.

Acht Jahre lang gab es den "schwarzen Kanal", von Mai 2014 an auch im gedruckten und digitalen SPIEGEL. Ich habe in dieser Zeit meinen Lesern einiges zugemutet. Ich habe mich über die Grünen lustig gemacht, wann immer es ging. Ich habe mir die Selbstwidersprüche des modernen Feminismus vorgenommen und den deutschen Staatsglauben.

Wie das überhaupt gehe, als Konservativer beim SPIEGEL, war eine Frage, die mir regelmäßig gestellt wurde. Es gibt keine Umfrage, die das belegt, aber ich bin sicher, wenn die Redaktion die Sitzverteilung im Bundestag bestimmen dürfte, gäbe es eine stabile Mehrheit für Grün-Rot. Meine Antwort war immer die gleiche: Der SPIEGEL ist ein Hamburger Haus, was heißt, dass er sich über alle Zeitläufe Liberalität und Großzügigkeit bewahrt hat. Bei der "Süddeutschen Zeitung" hätte ich als Kolumnist bestenfalls eine Woche überlebt. Dann hätten sie mich vors Gleichstellungstribunal gezerrt.

Natürlich spielt auch der Geist des Gründers eine Rolle. Einigen mag es zwischenzeitlich entfallen sein: Aber als Rudolf Augstein in den Bundestag ging (ein Schritt, den er sogleich bereute), vertrat er dort nicht die Sozialdemokraten, sondern die FDP, über die sich schon damals die meisten Journalisten in ihrer Geringschätzung einig waren. Augstein war später entschieden gegen den Euro. Er hatte ein gesundes Misstrauen gegenüber der Politik unseres französischen Nachbarn. Und selbstverständlich glaubte er an die Nation, was den Glauben an den Volkscharakter oder, wie er es nannte: "die Psychologie der Nationen" einschloss.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Deutschen dazu aufgerufen, sich nicht mit der eigenen Meinung zufriedenzugeben. Eigentlich sollte das in einer Demokratie selbstverständlich sein, aber das ist es nicht mehr. Es reicht heute schon, dass jemand die falschen Bücher im Regal stehen hat, um den Umgang abzubrechen.

Ich habe meine Aufgabe immer darin gesehen, der anderen Seite Gehör zu verschaffen, damit es lebendig bleibt.

Wenn ich mir etwas wünschen darf, dann, dass es hier so weitergeht. No pasarán! Lassen wir die Feinde der Meinungsfreiheit nicht durchkommen!

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