SCHIFFBAU / KONKURRENZKAMPF Japanische Kur
»Die sieben mageren Jahre sind vorbei«, frohlockte in der vergangenen Woche auf einem Bankett in Rotterdam Cornelis Verolme, Herr über fünf Schiffsfabriken in Holland, Irland und Brasilien: »Nun kommen fette Zeiten.«
Seit Jahren räumen Japans Werften den Schiffbaumarkt der Welt ab. Jetzt rüsten ihre europäischen Konkurrenten zum Gegenschlag.
Ohnmächtig hatten Verolme und seine deutschen, französischen und englischen Kollegen zusehen müssen, wie die Japaner ihnen die lukrativsten Aufträge wegschnappten. Noch 1956 liefen zwei von drei Schiffen der Welthandelsflotte in einem europäischen Hafen vom Stapel. Im vergangenen Jahr kam noch nicht einmal jedes zweite Schiff aus Europa. 47 Prozent der 1966 in Dienst gestellten Frachter, Tanker und Container-Schiffe sind »Made in Japan«.
Der Grund für das Nachhinken der Europäer: Dank rationeller Arbeitsmethoden, niedriger Löhne und Staatsbeihilfen (bis zu zehn Prozent der Baukosten) konnten die Japaner die Preise der meisten europäischen Werften um 20 Prozent unterbieten. Europas Schiffbau geriet in seine bisher größte Krise.
Allein zwischen 1956 und 1966 mußte gut ein Dutzend Werften ihre Helgen stillegen, darunter Hamburgs Schlieker-Werft.
Als erstes europäisches Land nahm Schweden die japanische Herausforderung an. Nils Svensson, Chef der Göteborger Arendal-Werft, legte nach 1963 eine Serie von dreizehn 70 000-Tonnen-Tankern auf Kiel, die sich -- ähnlich wie die japanische Massenware -- nur in der Farbe ihrer Schornsteine unterschieden.
Svenssons französische und italienische Kollegen kopierten einen anderen japanischen Trick: Von ihren Regierungen forderten sie Zuschüsse in Höhe der japanischen Subventionen, Paris und Rom besannen sich auf nationales Interesse und zahlten 20 Prozent.
Aus Angst, nun auch durch ihre europäischen Nachbarn von den Weltmeeren verdrängt zu werden, beklagten sich hierauf Hollands und Westdeutschlands Schiffbauer bei der Brüsseler Zentrale des Gemeinsamen Marktes über die »Wettbewerbsverzerrung innerhalb der EWG«. Europas Bürokraten wußten Rat. Sie legten den Schiffsfabrikanten nahe, ihre Unternehmen nach japanischem Vorbild zu rationalisieren und künftig stärker zusammenzuarbeiten.
Die Werftbosse hielten sich an die Empfehlung:
> Die Krupp-eigene AG Weser in Bremen schloß sich im Juli dieses Jahres mit der englischen Cammell Laird & Co. in Birkenhead und Verolmes Rotterdamer Unternehmen zum sogenannten Dorchester-Club zusammen;
> die Kieler Howaldtswerke AG will Anfang nächsten Jahres mit der Howaldtswerke Hamburg AG und der Deutschen Werft AG in Hamburg fusionieren; sie hat Aufträge für sieben 200 000-Tonnen-Schiffe;
> die Hamburger Großwerft Blohm + Voss AG legte Anfang dieses Jahres Pläne für einen nach dem Baukastenprinzip konzipierten Mehrzweckfrachter »Pioneer« vor (SPIEGEL 8/1967).
Der Technische Direktor der traditionsreichen Hamburger Werft Joseph H. Van Riet rechnet sich die besten Chancen aus, mit dem »Pioneer« die größte Schiffbau-Ausschreibung des Washingtoner Pentagon seit Jahren zu gewinnen: US-Verteidigungsminister McNamara braucht Ersatz für 100 veraltete »Victory«-Versorgungsschiffe.
Noch 1966 hatten Deutschlands Werften Orders für nur 540 000 Bruttoregistertonnen erhalten; allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres waren es bereits 1,2 Millionen Tonnen.
Der Rotterdamer Unternehmer Verolme, der noch vor sieben Jahren die europäische Schiffbau-Krise durch den Import billiger Schiffbauer aus Hongkong beheben wollte, sucht jetzt in Holland 4000 neue Arbeitskräfte.
Über Strandbädern und Fußballplätzen in den Niederlanden läßt er Werbe-Flugzeuge mit Spruchbändern kreisen. Text: »Verolme hat Arbeit, auch für Sie.«