Zivilschutz Jede Menge Pöstchen
Die Jungs kommen in Blau, am liebsten mit schwerem Gerät - doch meistens kann sie keiner gebrauchen. Zum Zuge kommt die hochgerüstete Truppe vom Technischen Hilfswerk (THW) darum meist nur bei Übungen und auf Volksfesten.
Die riesige Feierabendmannschaft aus 60 000 ehrenamtlichen Helfern, verwaltet von rund 683 hauptamtlichen Mitarbeitern, gilt als überflüssig. Mit dem Ende der Ost-West-Konfrontation ist dem als Bundesanstalt organisierten Hilfswerk auch noch der gesetzliche Auftrag abhanden gekommen: Im Verteidigungsfall soll das THW technische Unterstützung für den Zivilschutz leisten.
Doch die Behörde wird nicht etwa zugemacht, sie wird nun vergrößert. Die Bundesanstalt, bislang noch dem Bonner Bundesamt für Zivilschutz untergeordnet, soll selbständig werden. Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) will das THW zudem mit zusätzlichen Stellen und Mitteln ausstatten.
Der Plan fügt sich in die Tradition des westdeutschen Zivilschutzes, der schon immer darauf angelegt war, fragwürdigen Nutzen mit dem jeweils größtmöglichen Aufwand zu verfolgen. Die Grenze zur Lächerlichkeit überschritten die Bonner Zivilschutz-Verwalter schon, als sie in den fünfziger Jahren ihre berühmten Broschüren verteilen ließen, in denen geraten wurde, sich im Falle eines Atomangriffs mit einer Aktentasche über dem Kopf zu schützen.
Mängel in Ausrüstung und bei der Organisation führten in den folgenden Jahren immer wieder zur Kritik an ABC-Schützern, die niemanden schützen, Sanitätshelfern, die niemandem helfen, und Bunkerwarten, die niemanden aufnehmen konnten. Zudem gerieten Zivilschützer vom Bundesverband für den Selbstschutz in den Verdacht, öffentliche Gelder für private Zwecke verwendet zu haben (SPIEGEL 15/1991).
Weil der Kriegsauftrag des THW, die zivile Verteidigung und Abwehr kommunistischer Sabotage, kaum noch zu vermitteln war, sprachen die Zivilschutz-Funktionäre in den letzten Jahren lieber von »friedensmäßigen Aufgaben« des THW. Die freilich beschränkten sich auf sporadische Einsätze im Ausland, etwa bei Erdbeben, und auf die technische Hilfe bei Katastrophen und Unglücksfällen im Bundesgebiet - also Amtshilfe des Bundes für die Länder.
Doch die Länder halten von solcher Hilfe wenig. Für den Katastrophenschutz gibt es überall die Feuerwehren und private Hilfsorganisationen. Experten in den Ländern halten das Hilfswerk bei zivilen Einsätzen nur für bedingt tauglich. Nützlich sei die Bundesanstalt mit ihrem Gerät lediglich bei schweren Bergungen, einem Schwachpunkt der Feuerwehren.
Darum verlangten die Länderinnenminister schon Ende vergangenen Jahres, das THW den Feuerwehren anzugliedern. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Schnoor (SPD) wirbt darüber hinaus für den Gedanken eines Friedenskorps: »Ein Teil des THW ließe sich sicher auch in eine Spezialtruppe, zum Beispiel für Erdbebeneinsätze, umwandeln.«
Unterstützung bekommen die Länder vom Bundesrechnungshof, der schon seit Jahren die Auflösung der Bundesanstalt mit dem 200-Millionen-Mark-Etat empfiehlt. In ihrem letzten Bericht notierten die Prüfer, daß »die Aufgaben des THW den anderen Hilfsorganisationen, insbesondere den Feuerwehren, übertragen werden und der Bund auf _(* Im Januar im niedersächsischen Lehrte. ) die unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten ohnehin unvertretbare Vorhaltung einer eigenen Organisation verzichtet«.
Doch Bonn bleibt stur. Auch die zweite Aufforderung der Innenministerkonferenz, nun endlich eine »Neukonzeption des Zivilschutzes« vorzulegen, ließ Innenminister Seiters seit Ende Mai unbeantwortet.
Da haben die Werker vom THW einen besseren Draht. Mitte April forderte die Bundesvereinigung der Helfer und Förderer des Technischen Hilfswerks e.V., kurz THW-Helfervereinigung genannt, die Selbständigkeit des THW und »ausreichend Mittel im Bundeshaushalt« in einem eigenen Etat-Kapitel. Anfang Juni schloß sich der Bundestagsinnenausschuß mit den Stimmen der Koalition und der SPD mehrheitlich der Forderung an.
Zu verdanken haben die THW-Leute den Erfolg der liebevollen Überzeugungsarbeit von Johannes Gerster. Das Wort des stellvertretenden CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden gilt nicht nur im Innenausschuß. Gerster ist auch Präsident der THW-Helfervereinigung.
Doch auch in den Augen von Hans Georg Dusch, als Präsident des Bundesamtes für Zivilschutz zugleich oberster Chef der Bundesanstalt, macht die Herauslösung »keinen Sinn«. Sinn macht der Plan allerdings im Versorgungskonzept der Bonner Parteien: Bei den 683 hauptamtlichen THW-Stellen sind »jede Menge Pöstchen zu vergeben«, wie sich ein leitender Beamter des Bundesamts mokiert.
Mit solchen Erwägungen gelang es Gerster offenbar, Kritiker der THW-Selbständigkeit in der eigenen Partei ruhigzustellen. Auch Bedenken enger Mitarbeiter des Innenministers fanden kein Gehör. Die hatten in einem internen Papier vor den hohen Kosten und den organisatorischen Nachteilen des THW-Umbaus gewarnt - vergebens. »Der Druck« der Zivilschutz-Lobby, klagte im kleinen Kreis der Minister, »ist ungeheuerlich. Da halt'' ich nicht stand«.
Aktentasche übern Kopf und durch.
* Im Januar im niedersächsischen Lehrte.