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»JEDER JUDE BÜRGT FÜR ALLE JUDEN«

aus DER SPIEGEL 53/1970

Im südafrikanischen Port Elizabeth rief der Jude Louis Sacks die Juden seiner Stadt auf: »Gebt, bis es weh tut, bis es richtig schmerzt!« Zehn Millionen Mark sollten die 800 jüdischen Familien von Port Elizabeth in diesem Jahr für Israel spenden.

In Paris appellierte der jüdische Finanz-Baron Rothschild an die 500 000 französischen Juden: Zehn Prozent ihres Einkommens, so der Milliardär sollten sie für den Aufbau des Judenstaats abzweigen.

In New York wandte sich Edward Ginsberg, Vorsitzender des »United Jewish Appeal«, an die sechs Millionen amerikanischen Juden: »Das Opfer der Israelis wird nach Menschenleben, nach Verletzten, nach Blut bemessen -unseres nach dem, was wir spenden.« 500 Millionen Dollar soll Amerikas Judengemeinde in der laufenden Sammelkampagne aufbringen.

In Trondheim wie in Buenos Aires, in Los Angeles wie in Melbourne sammeln Juden Geld für den Staat Israel. Aus 54 Ländern der Erde werden Subsidien nach Israel geschickt -- nie zuvor gaben Menschen aus so vielen Nationen Spenden an ein Land, das viele von ihnen noch nicht einmal gesehen haben.

Seit der Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 flossen Geldgeschenke in Höhe von rund 15 Milliarden Mark nach Israel; fast sechs Milliarden Mark borgte das Weltjudentum den Israelis langfristig und zinsgünstig.

»Und von allem, was Du mir gibst, will ich Dir den Zehnten geben«, verspricht Jakob im 1. Buch Moses, Kapitel 28, Vers 22, seinem Herrn. Jahrtausendelang verstand das Volk der Juden das Moses-Wort als Gottes Gebot, Gutes für den notleidenden Nächsten zu tun. Heute tun Juden in aller Welt Gutes nicht sosehr für den Nächsten als für den Staat der Juden.

Mit den regelmäßigen Geldspritzen des Weltjudentums wuchs das bevölkerungsarme Israel binnen 20 Jahren zum mächtigsten Industriestaat des Nahen Ostens heran, ohne sie wäre das kriegführende Land heute gegenüber dem Ausland fast zahlungsunfähig.

Allein im letzten Jahr pumpten Juden aus aller Welt rund zwei Milliarden Mark nach Israel -- und verminderten damit Israels Zahlungsbilanzdefizit fast um die Hälfte. Gern witzeln die Israelis, sie hätten eine Kreuzung zwischen Kuh und Giraffe geschaffen: Das Tier fresse im Ausland und gebe in Israel Milch.

Die Milch -- das sind inzwischen rund 250 000 Wohnungen für Einwanderer, das sind 490 neugebaute Dörfer und die Ausbildung von bisher rund 700 000 Kindern, sind Schulen und Universitäten, Krankenhäuser und Bewässerungsanlagen, Wirtschaftsunternehmen und Umschulungsstätten, aber auch die Rüstung.

Israels Kriegsmaschine verschlingt inzwischen 85 Prozent der Steuereinnahmen. Solange jedoch »das Weltjudentum die Last von Israels sozialen Bedürfnissen trägt«, sagt Israels Außenminister Abba Eban, »können sich die Israelis überall sonst behaupten«.

Das Trauma, den Juden in Israel könne das gleiche Schicksal widerfahren wie den sechs Millionen jüdischen Nazi-Opfern, die traditionelle Solidarität der überall als Minderheit lebenden Juden, die mystisch-religiöse Verbundenheit mit dem Gelobten

* Links: Modenschau, rechts: Teppichverkauf.

Land -- dies alles entfachte den beispiellosen Spendenboom.

»Wir hatten die Katastrophe mit den sechs Millionen Juden, und wir wollen verhindern, daß so etwas noch einmal geschieht«, sagt der amerikanische Judenführer Max M. Fisher.

Jedesmal, wenn Israel sich wieder stärker bedroht fühlt, wächst daher auch die Opferbereitschaft des Weltjudentums: Im Krisenjahr 1967 sammelten die Juden 370 Millionen Dollar -- doppelt so viel wie im Jahr davor.

Selbst Juden in abgelegensten Gegenden der Welt entdeckten damals ihr Herz für Israel. Als beispielsweise Israels Finanzminister Sapir im Juni 1967 auf einer Goodwill-Tour durch Südamerika reiste, empfingen ihn Juden selbst bei Zwischenlandungen auf kleinsten Flughäfen -- mit Schecks, Bargeld und sogar Schmuck für Israel.

»Wenn das Blut fließt, fließt auch das Geld«, kommentiert Gottfried Hammer, führender amerikanischer Zionisten-Funktionär, die Flut der Nachkriegs-Spenden.

»Besteuerung der Diaspora« nennen die Israelis ihr systematisch betriebenes Geldsammeln beim Weltjudentum. Sie sehen in den Spenden keine milden Gaben. Denn nach dem Selbstverständnis der israelischen Staatsgründer ist Israel nicht nur das Land der zweieinhalb Millionen israelischen Juden, sondern die Heimstatt für alle 13 Millionen Juden in der Welt.

»Der Staat Israel versteht sich als eine Schöpfung des ganzen jüdischen Volkes«, heißt es im sogenannten Status-Gesetz, das das Verhältnis zwischen dem Staat Israel und den zionistischen Organisationen regelt.

»Für echte Zionisten«, spottet der linke israelische Oppositionspolitiker Uri Avnery, »sind die hereinströmenden Gelder ... eine Art von Sühnegeld jener Juden, die -- entgegen ihrer nationalen Pflicht -- nicht nach Israel kommen.«

Manche Juden sühnen für diese Verfehlung noch nach ihrem Tod: Sie vererben ihr Vermögen dem Staat Israel oder israelischen Institutionen.

So hinterließ der in Deutschland geborene Jude Karl Grune, Filmproduzent der zwanziger Jahre, bei seinem Tod Im Londoner Exil dem »Jewish National Fund« sein gesamtes Vermögen von rund 600 000 Mark. Und der südafrikanische Jude Jose Marx, der mit 16 Jahren aus Litauen in das Kap-Dominion gekommen war und dort mit Erfolg nach Gold gegraben hatte, vermachte dem Fund bei seinem Tod im Alter von 92 Jahren sein Vermögen von rund 1,1 Millionen Mark.

Zuweilen stellen die Erblasser allerdings auch Bedingungen. So bot ein holländischer Millionär dem israelischen Weizmann-Institut eine Spende von zwei Millionen Dollar an -- unter der Voraussetzung, daß er neben dem Grab des ersten jüdischen Staatspräsidenten Weizmann beerdigt werde.

Zwar konnte er nach seinem Tod wegen Platzmangels nicht direkt neben das Weizmann-Grab gebettet werden, doch fand er schließlich ganz in der Nähe seine letzte Ruhe. Das Institut bekam das Geld.

Gern lassen sich vermögende Juden auch Denkmäler im Heiligen Land errichten: Sie spenden für den Bau eines Universitätsinstituts, für Schulen, Kibbuz-Häuser oder Altersheime, die dann ihren Namen tragen.

So besuchen junge Israelis die »Feinberg Graduate School«, benannt nach dem US-Millionär Abe Feinberg, der unter anderem Aufsichtsratsvorsitzender der »American Bank and Trust Company« ist. Der kanadische Whisky-Produzent Allan Bronfman ließ mit seinem Geld das »Mona Bronfman Sheckman Amphitheater« bauen, die texanischen Juden Sadie und Joseph Danziger verewigten sich im »Sadie and Joseph Danziger Building for Physics Research«.

Auf derartige Prestige-Präsente wollten sich die Zionisten freilich nicht allein verlassen. Um die Diaspora-Steuer systematisch erheben zu können, bauten sie ein weltweites, feinmaschiges Netz von Geldsammel-Organisationen auf.

An der Spitze steht die »Jewish Agency« mit Hauptsitz in Jerusalem. Ihr fließt das Gros der Spenden zu, sie legt das Geld in Israel an.

Das Inkasso der »Jewish Agency« besorgt eine Unterorganisation, der »Keren Hajessod« ("Stifungsfonds"). In 34 Ländern unterhält der »Keren Hajessod« Filialen. Die »Keren Hajessod«-Manager treiben dort Israel-Propaganda und organisieren Sammelkampagnen, sie sorgen für zugkräftige Redner aus Israel und schicken zahlungskräftige Juden ins Heilige Land.

»Der Keren Hajessod«, lobte einmal Sigmund Freud, »wurde das wichtigste Instrument im Kampf unseres Volkes, ein neues Heim in dem Land unserer Vorväter zu schaffen.«

Mit einem breiten Arsenal von Sammel-Techniken passen sich die »Keren Hajessod«-Funktionäre geschickt den nationalen Eigenheiten der Juden in aller Welt an.

Während die Schweizer Juden beispielsweise alljährlich Wohltätigkeitsbälle mit Tombola und Basaren veranstalten, werden Frankreichs Juden, die weitgehend assimiliert sind, nur diskret mit Werbebriefen um ihren Beitrag für den Judenstaat gebeten.

Viele Juden in Südafrika überweisen Im Dauerauftrag -- wie die monatliche Miete -- ihren Beitrag an die Israel-Hilfe. Für die 1700 finnischen

* Mitte: Golda Meir.

Juden hingegen kommt die Eröffnungsveranstaltung der alljährlichen Sammelaktion fast einem hohen jüdischen Feiertag gleich.

Die mächtigste Stütze der Israelis ist jedoch das amerikanische Judentum: Rund sechs der insgesamt 13 Millionen Juden leben heute in den USA, fast 80 Prozent der Geldgeschenke und Kredite ("Israel-Bonds") für Israel sind US-Dollar.

In keiner jüdischen Gemeinde haben die professionellen jüdischen Geldsammler die Israel-Hilfe so perfektioniert entwickelt wie in den USA.

Vom 29. Stockwerk des Sperry Rand Building in Manhattan aus steuern die Manager des »United Jewish Appeal« (UJA) -- so der Name der amerikanischen »Keren Hajessod«-Filiale -- ein Heer professioneller und freiwilliger Geldsammler. Mit rund 300 jüdischen Gemeinden ist die UJA-Zentrale durch direkte Telex-Leitung verbunden.

Die UJA-Bosse -- sie beziehen Jahresgehälter bis zu 75 000 Dollar -- organisieren alljährlich rund 20 000 Wohltätigkeitsveranstaltungen, auf denen für Israel gespendet wird. Sie schicken Israelische Politiker auf Werbereisen quer durch Amerika ("from coast to coast") und heuern für ihre Propaganda israelische Professoren, Künstler oder Journalisten an. Seit dem Sechs-Tage-Krieg sind besonders Offiziere gefragt.

Gern lassen sich auch jüdische wie nichtjüdische Kongreßmitglieder zu Wohltätigkeitsveranstaltungen einladen (sie bekommen ein Honorar von mindestens 2000 Dollar pro Vortrag).

In New York, wo mit zwei Millionen fast so viele Juden wie In Israel leben, rollen während einer sechsmonatigen Kampagne rund 8000 »Meetings« ab -- von aufwendigen Dinners im Waldorf-Astoria oder Hilton -- bis zu diskreteren Hauspartys In den feineren Vierteln der Metropole.

Als Israels Premierminister Golda Meir im September die USA besuchte, nutzten die Funktionäre des »United Jewish Appeal« und der »Israel Bonds«-Organisation den Besuch der Regierungschefin zum größten Wohltätigkeitsessen In der Geschichte der amerikanischen Juden-Gemeinde:

3000 Juden der amerikanischen High Society folgten der Einladung in den großen Ballsaal des New York Hilton. 40 000 führende Juden aus 19 Städten überall in den USA verfolgten das Ereignis über eine private Fernsehkette, die bei der Fernsehgesellschaft TNT angemietet worden war. »Israel ist das Zentrum für alles, was jüdisch ist«, rief Golda Meir dem Auditorium zu. Die Dekoration hinter ihrem Redner-Pult war in den amerikanischen Landesfarben gemalt, rechts und links der Honoratioren-Tribüne hatten die Veranstalter je sechs israelische und amerikanische Flaggen postiert. Draußen, vor dem Hilton-Portal, hatte ein gewaltiges Polizeiaufgebot keine Mühe, mit etwa 200 Arabern und linken US-Studenten fertig zu werden, die auf Spruchbändern forderten, Golda Meir einzulochen.

Das Dinner wurde ein großer Erfolg: Allein von den 3000, die im Saal dabei waren, spendete jeder im Durchschnitt 10 000 Dollar.

Mammut-Veranstaltungen wie diese sind freilich die Ausnahme, meist laden die Sammel-Funktionäre zu kleineren Festivitäten ein, bei denen möglichst jeder jeden kennt. Am besten bewährten sich Versammlungen, zu denen nur Angehörige bestimmter Wirtschaftszweige ("industries") eine Einladungskarte erhalten.

»Wenn Sie wollen, daß einer angemessen zahlt«, erläutert Raphael Levy, Chef für Öffentlichkeitsarbeit beim UJA, »dann müssen Sie ihn dazu bringen, unter seinesgleichen zu geben.«

Nach dieser Maxime überzog der UJA ganz Amerika mit einem dichten Netz von »Industrie-Komitees«. So gehören beispielsweise zum New Yorker UJA ein Komitee »Wall Street Banking«, ein »Eisen und Stahl«-Komitee oder ein Komitee der Regenschirmfabrikanten.

Für den Vorsitz eines solchen Komitees wählen die UJA-Manager möglichst einen sehr einflußreichen und angesehenen Geschäftsmann, der zu Wohltätigkeits-Dinners, zu »Sunday Morning Breakfasts« oder »Israel-Abenden« (mit Lichtbildervortrag) einlädt.

Besonders Zahlungskräftige empfängt der Komitee-Vorsitzende bei sich zu Hause -- auf einer Herren-Party, wie sie beispielsweise unlängst der New Yorker Kaufmann Richard Sambrock* veranstaltete.

Gegen fünf Uhr nachmittags kamen in seinem luxuriös ausgestatteten Apartment am Central Park West in Manhattan etwa 20 Herren zusammen. Die meisten waren Branchenkollegen Sambrocks. UJA-Funktionäre hatten die Gästeliste zusammengestellt und die Einladungen verschickt. Wer nicht spontan zusagte, den rief Sambrock -- Herr über Papierfabriken, Zeltschriftengrossist und renommierter Sammler französischer Gemälde -- selbst an und gab ihm zu verstehen, wie wichtig ihm diese Party sei.

Der »United Jewish Appeal« schickte einen Barkeeper und sorgte dafür, daß

* Der Name wurde geändert; der richtige Name ist der Redaktion bekannt.

** Nahum Goldmann: »Staatsmann ohne Staat«; Verlag Kiepenheuer und Witsch; 474 Seiten; 25 Mark.

die gewohnten Cocktail-Schnittchen gereicht wurden. Ein UJA-Experte gab eine Analyse des Nahost-Konflikts -- aus israelischer Sicht. Dann machten die Herren ihre Spendenzusagen: zusammen etwa eine halbe Million Dollar.

Die meisten Spendengelöbnisse werden freilich erst Monate später, ein Drittel sogar erst in späteren Jahren, eingelöst. Um dennoch regelmäßig die Jewish-Agency-Konten in Jerusalem auffüllen zu können, überbrücken die Sammel-Manager die Zeitspanne zwischen Spendenzusagen und Zahlung durch Bankkredite.

Der »United Israel Appeal«, eine Schwester-Organisation des »United Jewish Appeal«, nimmt regelmäßig bei In- und ausländischen Banken (darunter auch der deutschen Bank für Gemeinwirtschaft) hohe Kredite auf -- mit einer Bürgschaft des »United Jewish Appeal«. Die Gesamtschulden der Sammler am 30. September 1969: 71 377 058,82 Dollar.

Die Spendenzusagen ("pledges") werden bei den meisten Wohltätigkeitsveranstaltungen öffentlich gemacht -- keiner soll sich drücken können. Wie ein solcher Zwang zur Wohltätigkeit in der Praxis aussieht, schildert der USA-Korrespondent der Londoner »Daily Mail«, Richard Whitehead:

»A.G., Amerikaner mit israelitischem Glaubensbekenntnis, Chefbuchhalter in New York, beschließt, an einem Dinner teilzunehmen, auf dem für Israel gesammelt werden soll. Er beabsichtigt, 250 Dollar zu spenden. Doch während des Dinners erhebt sich der Vorsitzende und sagt: »Mr. X hat 20 000 Dollar gegeben, Mr. Y ebensoviel. Und wieviel wollen Sie geben?' Beschämt erhebt sich Herr A.G. -- und spendet 25 000 Dollar.«

»Wenn ein Jude nicht genug gibt, guckt man ihn schief an«, erläutert Nahum Goldmann« Präsident des Jüdischen Weltkongresses und dreißig Jahre lang Spitzenrepräsentant der Jewish Agency, »es kann auch dazu führen, daß manche sagen: Wahrscheinlich geht es ihm geschäftlich schlecht.«

Der New Yorker Rabbi Eimer Berger, einer der engagiertesten Zionisten-Gegner, hält diesen sozialen Druck für »unmoralisch«. Rabbi Berger: »Es ist fast unvermeidlich zu zahlen.«

Unvermeidlich ist es vor allem für Unternehmen, die eng mit jüdischen Firmen zusammenarbeiten. So überweisen die meisten US-Banken regelmäßig Spenden auf die UJA-Konten. Rabbi Berger: »Wenn sie Ärger vermeiden können, dann zahlen sie.«

Der jüdische Textil-Großhändler Markus aus Dallas (Texas) scheute unlängst den Ärger nicht mehr: Er gestattete dem anti-zionistischen »American Council of Judaism«, dessen Förderer er seit Jahren war, seinen Namen in den Briefkopf der Organisation aufzunehmen. Schon wenige Tage später ließen Ihn daraufhin jüdische Kunden wissen, daß sie sich einen anderen Lieferanten suchen würden.

Geldspenden für Israel wurden so zu einer Art säkularisiertem Glaubensbekenntnis des amerikanischen Judentums: Wer nicht zahlt, gehört nicht dazu, wer viel spendet, genießt höchstes Ansehen.

»Alles dreht sich um Geldsammlungen«, klagt Nahum Goldmann in seiner jüngst erschienenen Autobiographie**, »abgesehen von einigen intellektuellen Führungspersönlichkeiten des Rabbinats gibt es kaum eine maßgebende Gestalt Im amerikanischen Judentum, die ihre Stellung nicht ihren finanziellen Beiträgen und ihrer Sammlertätigkeit verdankt.«

Einer der prominentesten jüdischen Philantropen ist der Detroiter Geschäftsmann Max M. Fisher, der mit Grundstückspekulationen, Finanzgeschäften und in der Erdölindustrie ein Millionen-Vermögen verdient hat. Fisher war mehrere Jahre Vorsitzender der UJA und präsidiert heute dein »Council of Jewish Federations and Welfare Funds"« einer Dachorganisation aller jüdischen Organisationen in den USA. Nixon läßt sich von ihm beraten.

Fisher bestreitet, daß viele US-Juden nur unter dem Druck der jüdischen Society für Israel spenden: »Man kann die Menschen einmal zwingen zu zahlen«, erklärt er, »man kann das ein zweites Mal tun -- aber man kann sie nicht ewig zwingen.«

In der Hilfe für Israel sieht Max M. Fisher wie viele andere Judenführer eine moralische Pflicht jedes Juden. Denn »ohne Israel«, so erläutert Nahum Goldmann« »ohne ein jüdisches Zentrum in der Form eines Staates, wäre die Zukunft des Judentums mehr als gefährdet«.

»Es geht ums überleben«, rief Edward Ginsberg, UJA-Vorsitzender und wohlhabender Rechtsanwalt aus Ohio, auf einer New Yorker Wohltätigkeitsveranstaltung in die Mikrophone, »es geht um ihr Überleben und um unser Überleben.«

Daß Amerikas Juden mit ihren Spenden den Israelis im Krieg gegen die Araber helfen, stößt in den USA schon seit langem auf Kritik. Denn die Spenden für den UJA sind bis zum Höchstsatz von 15 Prozent der Einkommen, wie alle Abgaben für wohltätige Zwecke, von der Steuer absetzbar -- und damit bis zu 70 Prozent Staatsgelder.

»Wir subventionieren praktisch mit öffentlichen Mitteln Israels gegenwärtige Militär- und Geopolitik«, schrieb ein Jude aus Connecticut in einem Protestbrief an einen Senator des Bundesstaats. Und Rabbi Berger meint, die USA zahlten infolge der Steuerfreiheit »Subventionen für Israels Okkupationspolitik«.

Amerikas Zionisten-Gegner räumen zwar ein, daß die Spenden-Millionen nicht direkt für den Kauf von Phantom-Jagdbombern oder Panzern ausgegeben werden. Doch sie kritisieren, daß

* die Jewish Agency mit amerikanischen Dollar »das Sozial- und Bildungsbudget der israelischen Regierung entlastet, und damit Indirekt zur Kriegsfinanzierung beiträgt« (Rabbi Berger),

* »die Spenden Israels Devisenreseryen aufstocken, für den Kaut von allem möglichen, einschließlich Waffen« (Senator Fulbright).

Ein Untersuchungsausschuß des Senats unter dem Vorsitz Fulbrights hatte überdies herausgefunden, daß steuerfreie Spendengelder entgegen den gesetzlichen Vorschriften Jahrelang für die pro-israelische Propaganda- und Lobby-Tätigkeit in den USA ausgegeben wurden.

Mit einem simplen Trick war die illegale Verwendung von Spenden kaschiert worden: Die Gelder flossen nicht direkt von den Konten der Sammler an den für die pro-israelische Propaganda zuständigen »American Zionist Council"« sondern wurden zunächst von den USA an die Jerusalemer Jewish-Agency-Zentrale überwiesen. Diese schickte sie dann zurück in die USA an den »American Zionist Council«. Zwischen 1955 und 1962 gingen rund fünf Millionen Dollar diesen Umweg.

Auch heute noch finanziert die Jewish Agency in vielen Ländern -- so in Indien, Mexiko oder Venezuela -- zu einem beträchtlichen Teil Israels Auslandswerbung: durch Subventionen für Israel-Freundschaftsklubs« durch die Finanzierung von Auslandstourneen israelischer Orchester oder Theaterensembles.

Anti-Zionisten wie Rabbi Berger werfen der Jewish Agency sogar vor, sie setze sich für den territorialen Expansionismus Israels ein. Als Beweis führen sie beispielsweise an:

* einen unveröffentlichten Bericht, der dem 27. Zionistenkongreß Im Juni 1968 vorlag; darin fordert die Agency auf, »die neu befreiten Gebiete«, also die im Junikrieg 1987 besetzten Territorien, »mit Juden zu bevölkern«;

* eine englische Broschüre des »Jüdischen Nationalfonds« (JNF), eine eng mit dem »Keren Hajessod« liierte Organisation. Darin heißt es: »Heute folgt der Traktor des Jüdischen Nationalfonds dem Tank der Armee. Gebiete, die als Ergebnis des Sechs-Tage-Krieges an Israel zurückgefallen sind, kommen nun unter den Pflug.«

Mehr als solche »dramatischen Parolen in der Jagd auf Spenden« (so ein englischer JNF-Funktionär zu dem Broschürentext) können die Zionisten-Gegner freilich nicht als Beleg für den angeblichen Expansionismus der Jewish Agency anführen. Denn nach wie vor arbeitet sie vor allem in Israel selbst.

Sie ist dort ein Arm der israelischen Regierung, eine »autorisierte Agentur«, laut israelischem Gesetz »im Staat Israel für die Entwicklung und Besiedlung des Landes« zuständig. Im Verwaltungsrat der Jewish Agency, der über die Anlage der Gelder entscheidet, sitzen daher neben Zionisten-Führern zur Hälfte Mitglieder der israelischen Regierung.

Der Verwaltungsrat beschließt über den Bau einer neuen Grenzsiedlung im nördlichen Jordantal wie über die Anlage einer großen Zitrusplantage nördlich von Haifa« er teilt Millionen zu für den Bau eines neuen Stadtteils in Beerscheba wie für die Errichtung zusätzlicher Universitäts-Institute an der Hebräischen Universität von Jerusalem.

Das Jahres-Budget der Jewish Agency ist so groß wie der Umsatz eines europäischen Großunternehmens: 1970 gibt die Agency rund 500 Millionen Dollar aus. 60 Prozent davon kommen aus Spenden, der Rest sind vor allem Anleihen der »Israel Bonds« und Staatsgelder.

Wichtigste Aufgabe der Jewish Agency ist die »alijah« -- die Einwanderung von Juden ins Gelobte Land. 1,3 Millionen Diaspora-Juden holte die Agency seit der Gründung des Judenstaats nach Israel (SPIEGEL 14/1970).

Einwanderungs-Spezialisten der Jewish Agency organisierten beispielsweise die Aktion »Zaubertepppich«, die Überführung der bedrängten Juden aus dem Jemen; und sie realisierten das Projekt »Esra und Nehemia"« die Einwanderung von 100 000 Juden aus dem Irak.

In Israel gebieten die Jewish-Agency-Manager inzwischen über ein imposantes Wirtschaftsimperium: 65 Unternehmen gehören der Organisation voll oder teilweise, ihr Wirtschaftsvermögen wird heute auf Insgesamt mindestens eine Milliarde Mark geschätzt.

Die Agency ist beispielsweise an Israels Fluggesellschaft »El Al« mit 14 Prozent und an der Reederei »Zim« mit zehn Prozent beteiligt. Sie hält 90 Prozent der »Rassco«-Aktien, einer Baugesellschaft, der wiederum Zitrusplantagen, Hotels und Unternehmen der Leichtindustrie gehören.

Voll in Besitz der Agency sind beispielsweise die Baugesellschaft »Dijur La'ole«, das Fertighaus-Unternehmen »Batim Tromiin« oder die Siedlungsgesellschaft »Hitjaschent Hajischuv«. Sogar von Israels größter Bank, der »Bank Leumi«, hat die Organisation Aktien im Portefeuille.

»Überführung von Einwanderern, Häuserbau, soziale Dienste, Berufsumschulung -- das heißt eine Nation aufbauen«, freut sich der amerikanische Jewish-Agency-Manager Hammer über die vielfältigen Aktivitäten der Agency. Hammer: »Wir schufen in Israel kein Armenhaus, sondern eine vibrierende jüdische Gemeinschaft.«

Als Symbol für die weltweite Verbundenheit des Judentums sorgt die Jewish Agency unermüdlich dafür, daß ein altes Talmud-Wort nicht in Vergessenheit gerät. »Jeder Jude bürgt für alle Juden.«

Der amerikanische Judenführer Sam Rothberg ist sicher, daß die Juden der Diaspora noch auf lange Zeit für die zweieinhalb Millionen Israelis bürgen müssen: »In unserem Kampf für die Unterstützung Israels«, sagt er, »wird es nie eine Waffenruhe geben.«

Trotz solcher Durchhalteparolen herrschte unlängst ein amerikanischer Jude einen UJA-Mann an: »Wie lange werdet ihr noch jedes Jahr für Israel schnorren?«

Ungerührt antwortete der Sammler: »Ich wünsche dir, daß du noch so lange lebst.«

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