BUNDESLÄNDER / SAARLAND Jenseits der Grenze
Dreizehn evangelische junge Damen umschwärmten im Zimmer 220 des saarländischen Kultusministeriums den katholischen Ministerialrat Josef Quack, 60. Sein Chef war in Urlaub, der eigentlich zuständige Referent krank. So gerieten die dreizehn an den Rat. Sie brachten ihm Pech. Der unverhoffte Damenbesuch machte Quack berühmt.
Es waren Absolventinnen der evangelischen Pädagogischen Comenius-Hochschule Saarbrücken. Sie suchten eine Stelle, doch für sie war kein Katheder frei. Quack zu den Protestantinnen: »Wechseln Sie die Konfession. Dann finden Sie Anstellung.«
Das soll Quack nach einer UPI-Meldung gesagt haben. Er selbst erinnert sich allerdings nur an eine mildere Fassung: »Wenn Sie katholisch wären, könnten wir Sie als Junglehrerinnen anstellen.«
Das UPI-Zitat kam in fast alle deutschen Blätter. Und seither tobt in dem Zwergland an der Saar ein Konfessions-Kampf um die Schule.
In der vergangenen Woche beantragte Quack ein Dienststrafverfahren gegen sich selbst. Die Synode der Evangelisch-Christlichen Kirche der Pfalz setzte den Fall auf die Tagesordnung. »Die evangelische Minderheit«, so verlautbarte Dekan Wilhelm Kentmann, Beauftragter der Pfalz-Kirche für das Saarland, »fühlt sich brüskiert.«
Der evangelische Pfarrer Werner Stroh aus Ober-Saulheim (Rheinhessen) erstattete sogar Strafanzeige gegen Quack wegen Verdachts der Nötigung, des Amtsmißbrauchs und der Amtspflichtverletzung. Und Stroh glaubt, daß der Quack-Fall typisch ist für die Entrechtung der Protestanten im überwiegend katholischen Saarland. Stroh: »Die evangelische Kirche muß sich endlich aufrappeln und im Saarland eine Verfassungsklage anstrengen, damit wir nicht länger spanische Verhältnisse auf deutschem Boden haben. Wie können wir die Freiheit der Kirche im Osten fordern, wenn diese Freiheit im Westen mit Füßen getreten wird?«
Klagen will der Dekan Kentmann zwar nicht -- doch nur aus taktischen Gründen: Er glaubt, »durch Verhandlungen mit der Saar-Regierung weiterzukommen als mit einer Klage«.
Artikel 3 des Grundgesetzes verlangt, daß niemand wegen »seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden« darf. Tatsächlich aber verfügte das Saar-Kabinett in der Karwoche, daß 21 neue Junglehrerinnen trotz großen Lehrermangels im Lande nicht in den Staatsdienst übernommen werden dürfen. CDU-Kultusminister Werner Scherer, 38, nannte den Grund: »Weil sie evangelisch sind.«
Im Saarland gibt es fast nur Konfessionsschulen (425 katholische, 158 evangelische), denn bis vor zwei Jahren waren Gemeinschaftsschulen nicht zugelassen. Seither sind erst 17 konfessionsneutrale Schulen eingerichtet worden.
Und an den katholischen und evangelischen Konfessionsschulen gibt es zwar konfessionsfremde Schüler-Minderheiten (1595 evangelische Schüler an katholischen Schulen, 1223 katholische Schüler an evangelischen Schulen), für die keine Schule des eigenen Glaubens in der Nähe ist und die deshalb keine andere Wahl haben. Aber evangelische Lehrer an katholischen Schulen gibt es ebensowenig wie umgekehrt katholische Lehrer in evangelischen Klassen.
Wegen der getrennten Rechnung kam Kultusminister Scherer denn auch zu unterschiedlichen Bilanzen: Der evangelische Lehrerbedarf ist gedeckt, auf der katholischen Seite sind noch freie Stellen zu vergeben.
So konnten ausnahmslos alle Absolventen der katholischen Peter-Wust-Hochschule untergebracht werden, während Scherer von den 60 evangelischen Bewerbern nur 39 gebrauchen konnte. Die Herren wurden allesamt engagiert. Den überschüssigen Damen, die draußen vor der Schultür bleiben mußten, empfahl der Minister, es jenseits der Saar-Grenze im benachbarten Rheinland-Pfalz zu versuchen.
Kultus-Beamte und Saar-Journalisten, die davon erfuhren, ließen die Protestanten-Panne kaum publik werden. Es war der Saarbrücker UPI-Korrespondent Muhammad S. Abdullah, 36, ein Mohammedaner türkischer Abstammung, der sie außer Landes meldete und später auch das Quack-Zitat verbreitete.
Quack dementierte sogleich. Und Scherer ließ zwei Tage später neun der 13 Quack-Besucherinnen, die erreichbar waren, zum Verhör ins Ministerium holen, einige per Dienstwagen. Sieben der neun unterschrieben das Stenogramm ihrer Aussage, sich an nichts erinnern zu können.
48 Stunden später jedoch gaben fünf der 13 Protestantinnen vor dem evangelischen Pfarrer Walter Schneider, 57, aus Heusweiler »nach bestem Wissen und Gewissen« zu Protokoll, Quack habe sie nicht nur zur Konversion aufgefordert, sondern· ihnen auch noch geraten, ganz aus der Kirche auszutreten.
Pfarrer Schneider, der an der Glaubwürdigkeit der fünf Damen keinen Zweifel hat: »Die Namen liegen in meinem Pfarramt in einer Stahlkassette.«