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Rudolf Augstein JETZT NICHT UND SPÄTER NICHT

Von Rudolf Augstein
aus DER SPIEGEL 10/1963

In die Rotte der Trompeter-Freunde, die wetteifern, dem gestürzten Verteidigungsminister Strauß den Garaus zu machen, hat Sich Bundesinnenminister Hermann Höcherl eingereiht. Der Aschermittwoch im nunmehr schon dubiosen Vilshofen zeigte einen Innenminister, der voller Unbußfertigkeit pries, was in den letzten Monaten von der urteilsfähigen Mehrheit des Volkes verworfen worden ist: die Mißachtung des Grundgesetzes und der rechtsstaatlichen Regeln, die Mißachtung jedweder oppositionellen Regung, die Mißachtung aller politisch denkenden Menschen, soweit sie der CSU -Führungsclique nicht die Kumpanentreue halten.

»Aasgeier« sind, so Höcherl, jene CSU -Freunde, die sich nicht zu ihrem Vorsitzenden Strauß bekennen, »zu seinen Leistungen und seinen Fehlern« - fürwahr ein erstaunlicher Satz aus dem Mund eines katholischen Politikers, dem doch Verstocktheit nicht gerade als höchste Tugend zu gelten hätte. (Ganz davon abgesehen, daß Aasgeier sich nur da versammeln, wo es einen Toten oder einen Sterbenden zu fleddern gilt.)

Die Gesetzwidrigkeiten des Ministerium Strauß, die Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren sind, werden vom Examensjuristen und Verfassungsminister Höcherl immer noch als »Fehler« verteidigt, als entschuldbarer Fehler, da Strauß sich »eben verpflichtet gefühlt hat, in seinem Bereich rasch zu handeln, weil offensichtlich Landesverrat getrieben wurde«.

Daß Strauß eine zu willfährige Bundesanwaltschaft getäuscht und mißbraucht, daß er sich fälschlich auf die Autorisierung von seiten des Regierungschefs berufen hat - weiß der Vilshofen-Höcherl nichts mehr davon? Hat er gar vergessen, daß er selbst händeringend davor gewarnt hatte, den Landesverratsknüppel im Kampf gegen politisch Andersdenkende zu mißbrauchen? Allerdings, es war auch der Jurist Höcherl, der zur illegalen Verhaftung von Conrad Ahlers im Bundestag gesagt hat, »moralisch gesehen, hat überhaupt jeder dazu beizutragen, einen Landesverräter zurückzubringen und zur Strafe zu stellen«.

Es hätte nur noch gefehlt, daß Hermann Höcherl seinen Vilshofenern erzählt hätte, auch ein gewisses Maß Korruption müsse man um des Kampfes gegen »Zersetzung, Nihilismus und heimatlose Linke« willen hinnehmen. Ist das die Meinung? Wohlan, da sind wir dabeil

Ob sich die CSU-Kumpane an der Spitze nicht klarmachen, daß sie ihren Mann dem sicheren Verderben ausliefern, wenn sie weiter darauf bestehen, sein »Naturtalent« müsse wieder »nach oben kommen«? Die Ruhe, die einem Mann mit der freilich selbstverschuldeten Überlastung des FranzJoseph

Strauß zu gönnen wäre, kann nicht gewährt werden, wenn die CSU das übrige Deutschland weiter vor den Kreuzweg zerren will, ob die Bundesrepublik nach Strauß-Methoden, die mit den Methoden der gegenwärtigen CSU -Führung identisch sind, regiert werden soll.

Drei Jahre hat deutsche Politik mit dem Rätselraten vergeudet, wie es gelingen könne, den alten Kanzler zum Rücktritt zu bewegen. Außerhalb Bayerns wird man nicht bereit sein, weitere drei Jahre an das Tauziehen zu verschwenden, ob Strauß wieder Minister werden kann. Da man uns denn zwingt, erklären wir: Er kann nicht wieder Minister werden. Jetzt nicht und später nicht.

Hat man denn nicht zur Kenntnis genommen, daß der Grimm des CSU -Vorsitzenden auf den Freiherrn von und zu Guttenberg nur den einen Grund hatte, daß Strauß selbst die Gespräche zur Bildung einer Großen Koalition benutzen wollte, um sich auch in ein CDU-SPD-Kabinett als Minister einzuschleichen? Soll wirklich die Frage »Große Koalition oder nicht« auf den einen Punkt zusammenschrumpfen, ob der CSU-Boß seinen Ministerposten bekommt oder nicht?

Die CSU-Oberen sollten zumindest für möglich halten, daß auch die Bayern, Höcherl eingeschlossen, es irgendwann leid sein werden, wegen eines einzigen Mannes in corpore als Bauernbühnen-Hinterwäldler verschrien zu werden. Die katholische Kirche zeigt sich jetzt schon mißvergnügt angesichts der von prominenten Protestanten ausgesprochenen Meinung, in protestantischen Gegenden sei Korruption nicht so leicht zuzudecken wie in Kerngebieten des Katholizismus.

Wenn die CSU-Parteimaschine in dieser Weise den Kampf um die Macht in Deutschland weiterführen will, so wird ihr aus dem nicht bayrischen Bundesgebiet einhelliger, wenn auch oft versteckter Widerstand entgegenschlagen. Die CDU empfindet Franz-Josef Strauß bereits jetzt als ein Bleigewicht. Niemand hat die Union größeren Belastungsproben ausgesetzt als gerade er, seit er CSU -Vorsitzender ist. Die Huey-Long-Methoden des jüngsten bayrischen Landtagswahlkampfes schätzt man in der gewiß nicht zimperlichen CDU-Parteispitze zusehends weniger, zumal das Ausland hellhörig geworden ist.

Die CSU kann nicht kräftig genug vor dem Versuch gewarnt werden, den Stil von Vilshofen und seinen Matador Strauß nach Bonn zu importieren. Das Ergebnis könnte nur sein, daß nicht einmal ein Botschafterposten und auch kein Amt in der Euratom-Behörde für den verdienten Zapfenstreich-Abgänger mehr offenstünde. Spezi-Kumpanei sollte sich ein letztes Mal bewähren - in Klugheit und Zurückhaltung.

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