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PERSONALIEN Josef Ertl, Hans Apel, Pjotr Grigorenko, Averell Harriman, Hans-Jürgen Wischnewski, Beate Zerbst, Helmut Kohl

aus DER SPIEGEL 20/1978

Josef Ertl, 53, Bonner Landwirtschaftsminister, steht bei sportlichen Vereinigungen zur Zeit besonders hoch im Kurs. Weil er in seiner politischen Arbeit nicht »nach oben katzbuckelt und nach unten tritt«, zeichnete der Bonner Rad- und Rollsportverein den gewichtigen Bayern am vergangenen Mittwoch mit dem »Wappen wider das parlamentarische Radfahren« aus. Ertl bedankte sich mit einer schwungvollen Ehrenrunde (Photo). Mehr Arbeit verursachen dem Minister Amt und Würden des Präsidenten des Deutschen Skiverbandes (DSV), die ihm letzten Samstag auf der Delegiertenversammlung des DSV in Hamburg zuteil wurden. Nach der einstimmigen Wahl versprach der vielbeschäftigte Freidemokrat und Freizeit-Skiläufer denn auch ganzen Einsatz. Ertl: »Wenn ich so etwas mache, will ich es auch ordentlich tun.«

Hans Apel, 46, Verteidigungsminister ohne Wehrdienst-Erfahrung, wunderte sich bei seinem ersten Truppenbesuch in der vergangenen Woche in Munster über die Schnelligkeit seiner Soldaten, die ohne laute Kommandos in einer Rekordzeit von nur acht Minuten und 28 Sekunden den Motor eines »Leopard«-Panzers aus- und einbauten. Apel: »Wenn ich so überlege, wie laut ich meine Frau manchmal im Segelboot anbrülle.« Heeresinspekteur Horst Hildebrandt wußte Rat: »Sie sollten vielleicht einmal die Schule für innere Führung in Koblenz besuchen, Herr Minister.«

Pjotr Grigorenko, 70, aus der Sowjet-Union ausgebürgerter Dissident und früherer General, brachte in Hamburg als Star-Redner gegen Staatsgast Leonid Breschnew zwei politische Feinde miteinander ins Geschäft: Weil sich der prominente Bürgerrechtskämpfer in der »deutschen Politik nicht auskennt«, wetterte er sowohl auf der Kundgebung der christlichen Jungen Union als auch beim Treffen der marxistisch-leninistischen KPD in fast gleichlautenden Reden gegen den sowjetischen »Sozialimperialismus«. Reise- und Dolmetscherkosten für ihren aus New York herbeigeeilten Gast wurden von den ideologischen Gegnern redlich geteilt.

Averell Harriman, 86, amerikanischer Multimillionär und Karriere-Diplomat, der in seiner politischen Laufbahn seinem Land unter anderem als Botschafter in Moskau (1943), Handelsminister (1946), Staatssekretär im Außenministerium (1961) und zuletzt als Sonderbotschafter Präsident Johnsons diente, geriet in die Mangel der Sicherheitsexperten des US-Außenministeriums. Weil Harriman zum Mitglied der US-Delegation für die UN-Sondersitzung über Abriistung vorgeschlagen worden war, die im Mai und Juni dieses Jahres stattfinden soll, beschloß man im State Department eine Sicherheitsüberprüfung Harrimans nach Schema F. Bei den Nachbarn und Freunden des Ex-Diplomaten stießen die beamteten Schnüffler allerdings auf wenig Verständnis. Der Kolumnist Art Buchwald auf die Frage nach möglichen Sicherheitsrisiken bei seinem Nachbarn: »Ich glaube, er kannte Stalin ganz gut.« Helmut Kohl, 48, CDU-Vorsitzender, bemüht sich, den Eindruck zu korrigieren, der sowjetische Staats- und Parteichef Leonid Breschnew habe ihn gegenüber dem CSU-Chef Franz Josef Strauß protokollarisch zurückgesetzt. Breschnew hatte nach seinen Einzelgesprächen mit den beiden Oppositionsführern nur Strauß vor die Tür von Schloß Gymnich und sogar zum Wagen begleitet. Diese Geste für Strauß, so Kohl, sei durch seine Rücksichtnahme zustande gekommen. Eigentlich habe Breschnew auch ihn vor die Tür bringen wollen. Weil aber sein Besuch zehn Minuten länger als geplant gedauert habe, sei es sein Wunsch gewesen, daß Breschnew sich gleich dem in der Vorhalle wartenden Strauß widmen solle. Hans-Jürgen Wischnewski, 55 (Photo), Staatsminister im Bundeskanzleramt, ist mit seinem Ruhm als »Retter von Mogadischu« nicht recht glücklich. Besonders aufmerksame Genossen hatten für einen Wahlkampf-Besuch Wischnewskis in Hamburg auch ein Treffen mit der Rechtsanwaltsgehilfin Beate Zerbst, 21 (l.), arrangiert, die im Oktober letzten Jahres zu den 87 Geiseln an Bord der Lufthansa-Maschine »Landshut« gehört hatte. Komplimente der Hamburgerin ("Also ich finde Sie toll!") quittierte »Ben Wisch« leicht gequält: »Mein Problem ist es heute, daß, wenn irgendwo auf der Welt eine Entführung passiert, es sofort heißt: Der Wischnewski muß her!«

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