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K-Gruppen: »Das macht unheimlich kaputt«

aus DER SPIEGEL 48/1977

Wenn Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) über Kommunisten nachdenkt, fällt ihm erst mal ein, daß sie »viele unserer Bürger in Gefahr bringen«. Denn: »Sie bilden das Reservoir der Terroristen und haben Tausende von Waffen.«

Sein Parteifreund Alfred Dregger sieht die K-Gruppen »schon im Untergrund«; wie die Terroristen seien sie »Verbrecher«, deren »kriminelle Energie bekämpft werden muß«.

Albrecht, Dregger und andere Unionschristen, die jetzt die K-Gruppen als »kriminelle Vereinigungen« vom Karlsruher Verfassungsgericht verbieten lassen möchten, stützen sieh auf Dossiers, die das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz über Jahre zusammengetragen hat.

Klar danach, daß die rund 13 000 in K-Gruppen organisierten Revolutionäre nach wie vor den »bürgerlichen Staatsapparat« zerschlagen und mit einer »gewaltsamen sozialistischen Revolution« die »Diktatur des Proletariats errichten« wollen. Und deutlich wurde auch stets, daß Gewalt von K-Gruppen auch schon mal vor der Revolution als Kampfmittel erprobt wird.

Kommunisten der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) stürmten 1973 das Bonner Rathaus, Kommunisten prügelten mit bei Anti-Kernkraft-Demonstrationen in Brokdorf und Grohnde. Und in K-Gruppen, so sieht es auch Bundesinnenminister Werner Maihofer, bieten sich »Rekrutierungsmöglichkeiten für den linksextremistisch orientierten Terrorismus«.

Welche Menschen freilich diese »latenten Gefahren« (Verfassungsschutzbericht) ausmachen, wer da gefährlich für den Rechtsstaat wird und warum, blieb bislang im dunkeln und soll erst im Rahmen einer langfristigen Studie im Bonner Innenministerium erforscht werden.

Sind es knallharte Umstürzler, wie jene meinen, die die K-Gruppen am liebsten gleich verbieten wollen? Sind es, wie Bundespräsident Walter Scheel findet, »junge verirrte Menschen«? Oder sind es gar psychisch Kranke, wie der Heidelberger Sozialpsychologe Ronald Grossarth-Maticek meint, der von einer »Revolution der Gestörten« spricht?

Aufschluß über die Motive der Mitglieder jener »kriminellen Vereinigungen (CDU-Rechtspolitiker Friedrich Vogel) geben nun, freilich aus anderer Perspektive als die Verfassungsschützer, erstmals K-Grüppler selbst -- Abtrünnige. In einer kritisch bilanzierenden Rückschau schildern Arbeiter, Schüler und Studenten, warum sie bei der » Kommunistischen Partei Deutschlands« (KPD« rund 700 Mitglieder), dem »Kommunistischen Bund Westdeutschlands« (KBW, rund 2500 Mitglieder), bei der »Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxiste-Leninisten« (KPD/ML, rund 800 Mitglieder) oder bei den Studenten- und Arbeiter-Organisationen dieser Gruppen mitgemacht und was sie dort erlebt haben: politische Unterdrückung, Dogmatismus und Psychoterror*.

Wie schon die antiautoritären Stürmer und Dränger der Studentenbewegung »nur sehr wenig politisch-inhaltliche Motivation« (Grossarth-Maticek) hatten, so knüpfen auch die Mitglieder der K-Gruppen aus unterschiedlichen, zumeist unpolitischen Beweggründen vorwiegend in persönlichen Krisensituationen Kontakte zu organisierten

* »Wir warn die stärkste der Partein ... Erfahrungsberichte aus der weit der K-Gruppen«. Rotbuch verlag. Berlin; 126 Seiten; sieben Mark.

Kommunisten. Ein Buchhändler etwa hatte nach Überdruß an der Hippie-Szene »einfach den Wunsch, etwas zu machen, die bestehende Leere zwischen Arbeit und Konsum endlich sinnvoll auszufüllen. Kurz: Ich suchte nach einer Art Lebenssinn«.

Eine Studentin aus der Provinz hoffte, die K-Gruppen als Emanzipationsvehikel gebrauchen zu können. Beim Kommunistischen Studentenverband (KSV) wollte sie »die Männer überflügeln«, »es ihnen als Frau zeigen«.

Ein Primaner trat spontan in den Kommunistischen Oberschüler-Verband (KOV) ein, weil ihn die Freundin -- Tochter aus gutem Hause -- hatte sitzenlassen.

Und dann kriegte ich einen Brief von ihr, das war ein ziemlich kaputter Brief, unheimlich vorwürfevoll -- da bin ich ausgerastet, ich war einfach geschafft. Dann hab ich alles negativ gesehen, nur noch das Schlechte der Welt, ich hätte vielleicht heulen sollen. Ich hab das aber dann sofort verdrängt, hab mir gesagt: »Siehste -- 'ne Tochter der Bourgeoisie. Was hast du anderes erwartet? Die mußt du jetzt bekämpfen.« Innerhalb von zwei Stunden -- ungefähr -- hab ich den Kampf aufgenommen mit dem kapitalistischen Weltsystem.

Ob auf der Suche nach Lebenssinn oder aus enttäuschter Liebe -- meist rutschten junge Bürger beinahe zufällig nach Linksaußen ab. Ein K-Grüppler berichtet, »eine mit der Partei sympathisierende Studentin« habe in seinem Fall »den Ausschlag für die KPD« gegeben: eine Ehemalige berichtet, ihr Mann habe sie mitgezogen.

Ein Lehrling merkte nach Konflikten mit Eltern, Lehrern und Meister, »daß man allein eingemacht wird«. Eine Schülergruppe aus der Provinz, die sich über Berliner Kommunisten informieren wollte, rutschte nur deswegen in die KPD/Aufbauorganisation (KPD/AO), weil sie von den Berliner K-Gruppen »die einzige Organisation war, die unter der angegebenen Telephonnummer zu erreichen war

Nur eine Minderheit gab klare politische Beweggründe an; so ein Jungarbeiter. der nach ersten Erfahrungen in der Gewerkschaftsarbeit Besuch aus der Welt der K-Gruppen bekam:

Irgendwann kamen dann in meinem Wohnheim zwei Typen an, und haben mit mir gequatscht« was ich so mache, sie seien von der KPD/Aufbauorganisation. Hab ihnen erzählt, von Gewerkschaftsjugendarbeit, kirchlicher Jugendarbeit, irgendwie antifaschistisch ... Das fanden die ganz interessant. Dann haben sie mir ihre Papiere dagelassen, fand. ich ganz spannend, daß es da schon was gab, klare Linien und Schulungsgruppen und weiß der Geier was alles. Ob ich denn bereit sei, organisiert zu arbeiten? Na klar!

Die meisten der ehemaligen Mitglieder, die aus persönlichen Frustrationen ihr Heil bei den linken Sekten gesucht hatten, wurden schnell vom Ansturm der neuen Eindrücke überwältigt und vergaßen zunächst ihre privaten Sorgen. Die straff organisierten Gruppen boten, woran es ihnen zuvor offenbar gemangelt hatte: Aufgaben, die zu bewältigen waren, Vorbilder, denen es nachzueifern galt, und Stärkung des Selbstbewußtseins durch Solidarität.

Ein Schüler hielt sich beim Zeitungsverkauf im Morgengrauen mit einem »romantischen Reiz« aufrecht -- dem Bild vom »aufrechten Bolschewik, der in aller Herrgottsfrühe die illegal gedruckten Flugblätter verteilt«, ein anderer Novize schwärmte für Genossen, die sich für die Partei auf opferten: Ein Typ, der schien die kämpferische Ruhe in Person zu sein ... der hatte ein Auftreten, das war für mich Vorbild ... Einen hab ich immer sehr bewundert, weil der so schwächlich war und doch so selbstlos gearbeitet hat -- fast von Nervenzusammenbruch zu Nervenzusammenbruch die Revolution vorantrieb.

Hochattraktiv nahmen sich für die Neulinge auch jene Aspekte proletarischen Daseins aus, die mit einem Hauch von Geheimbündelei umgeben waren:

Da gab es Sachen, die einen faszinierten. Zum Beispiel Treffs in Wohnungen, in die man nur mit einem besonderen Code hereinkam, wenn man einen Termin hatte. Das waren Wohnungen, die direkt dafür gemietet waren, in irgendeiner Straße. Du bist angekommen, abends im Dunkeln natürlich, und hattest einen Schlüssel, der lag bei einem Genossen. Der wohnte dann im anderen Stadtteil, da mußtest du hin auf Umwegen natürlich, und genau zu einer bestimmten Zeit da und da sein, und dann konntest du rein. Der Nächste kam »ne Viertelstunde später, damit es nicht auffiel in dem Haus.

* Am 10. April 1973 durch die KPD

Und viele stimmte es einfach euphorisch, daß sie sich zur revolutionären Avantgarde zählen durften. Ein Maurerlehrling war »durchaus stolz, jetzt direkt zur Partei zu gehören«, zur »stählernen Vorhut des Proletariats«. Ein anderer erlebte nachgerade Mystisches, als er erstmals auf einer Veranstaltung der KPD/AO zum 1. Mai vom Rednerpult aus zu den Genossen sprechen durfte:

Beim Betreten des für meine Begriffe riesigen, sich in einem stark verräucherten Zwielicht erstreckenden Saales hatte ich das Gefühl, kurz vor einer bedeutenden Bewährungsprobe zu stehen. Ich hatte zwar in den vergangenen Jahren häufig und routiniert auf Versammlungen mit einigen hundert Teilnehmern gesprochen, hier herrschte aber -- verstärkt durch die sorgfältige Ausschmückung des Saales mit einer Unmenge von roten Transparenten und Organisationsemblemen -- eine Atmosphäre von Gigantismus, strenger Regelhaftigkeit und Mummenschanz, die das Gefühl entstehen ließ, an einer höchst bedeutungsvollen Handlung mitzuwirken.

Schon die ersten Erfahrungen, die ersten Schulungsabende stärkten das Ansehen unter Bekannten. Einer fühlte sich da gleich als »Mann von Welt, der Ahnung hat« von der großen Politik: Nachdem er »gerade das erste begriffen hatte« aus »Lohnarbeit und Kapital«, kam er sich »irre wichtig« vor, weil seine Mitschüler noch weniger wußten als er. »Die haben früher immer über »Summerhill' erzählt, und ich mußte zuhören; und jetzt umgekehrt -- das fand ich irgendwo schon gut.«

Bald zeigte sich indes, wie hoch der Preis war, den die neuen Mitglieder für Erfolgserlebnisse in den Polit-Sekten zu zahlen hatten. Das zunächst als positiv empfundene Gefühl, in einer starken Gemeinschaft aufgehen zu können, schlug bald um in das Empfinden, als Individuum von der Gruppe unterdrückt zu werden. Die zu revolutionsnotwendigen Maximen hochstilisierten Verhaltensvorschriften der Partei und ständige Kontrolle wandelten anfängliche Faszination in Depression, zum schlechten Gewissen gesellte sich Angst vor der Partei. Erzählt ein Ehemaliger:

Die Angst ist auch da, weil irgendwo kein Vertrauen in menschliche Handlungen da ist. Wie gesagt: Du gehst zu einem Genossen hin und sagst ihm was relativ Vertrauliches. Der geht zur Regionalen (Leitung) und plötzlich kommt einer an: »Hör mal, was hast Du denn da gesagt. Das passiert andauernd ... Und dieses sich ständige Rechtfertigen, das habe ich noch. Und das macht mich unheimlich kaputt.

Enttäuscht wurden viele, die in den K-Gruppen neben proletarischer auch menschliche Solidarität erhofft hatten. Selbstbewußtsein wurde in »klärenden Gesprächen« systematisch abgebaut, um aus Novizen linientreue Genossen zu formen. Solche Verhöre waren, erzählt ein Ex-Genosse, »wie eine Beichte, wo du dich den Genossen echt ausgeliefert hast. Du hast nicht was eingesehen, sondern du hast dich hingeschmissen, und dann wurdest du kritisiert«.

Wer sich der Selbst- und Genossenkritik entzog, wer private Beziehungen zu Nichtorganisierten pflegte und sich insgeheim private Freiräume erschlichen hatte, den plagte nicht selten das Gewissen:

Mit der Erika hatte ich also ein illegales Bündnis beziehungsweise eine illegale Beziehung. Die wußten zwar alle davon, aber das war insoweit illegal, als wir uns »versteckt« haben, wenn wir halt gevögelt haben, damit das keiner weiß und mich keiner wegholen und stören kann. Dann sind wir zusammen verreist, nach Frankreich. Die Fahrt war teilweise sehr schön und teilweise ein Horror. Denn da fing meine Schizophrenie an. Da hab ich plötzlich um die armen Arbeiter geweint, nicht richtig geweint, aber du kennst ja die Trauer: um die arme ausgebeutete Arbeiterklasse.

Ein anderer hatte die Parteirichtlinien so stark verinnerlicht, daß er es schon gar nicht mehr wagte, mit seiner Freundin zusammenzuwohnen. »Wir haben immer gesagt, man müßte doch zusammenleben, aber das geht nicht, die Parteifunktionen erlauben es nicht. Also schon selber haben wir diese Sperre dringehabt.«

So stark wurde oft der Druck der Partei empfunden, daß er bei empfindsamen Gemütern schwere Defekte auslöste. Ein ehemaliges Mitglied des Kommunistischen Oberschüler-Verbandes berichtet von einem Mädchen, das »ständig das Gefühl« gehabt habe, »hinter ihr ist ein KOVler her«. Sie habe sich schon »nicht mehr ins Kino« getraut, fühlte sich »ständig kontrolliert und beobachtet«.

Wer in der Partei bestehen wollte, war immer im Dienst, und »je mehr wir zur »In-Group« wurden, je mehr die Partei in den absoluten Mittelpunkt meines Lebens rückte«, schildert einer, »desto weniger Zeit hatte ich für meine alten Freunde, meine Kollegen und Verwandten«.

Ich sah sie nur noch als Objekt meiner politischen Bemühungen. So blätterte ich bei Eröffnung einer neuen Kampagne mein Adreßbuch durch, frischte planmäßig meine alten Kontakte auf, um unebenbei« zumindest noch eine Unterschrift zu ergattern. Besuchte ich jemand wirklich ernsthaft, gab es kaum noch Gespräche. Ich hatte andere Probleme, dachte »politisch«, was sollte ich da noch zu den individualistischen Problemen meiner Freunde sagen.

Auch innerhalb der Sekten bewirkte das System der K-Gruppen eine totale psychische Isolation. Die Genossen waren untereinander ausschließlich durch die gemeinsame politische Arbeit verbunden. »Man hat«, klagt eine, »praktisch überhaupt nicht gewußt, was für eine Person das ist.« Denn nur durch den totalen Einsatz ihrer Mitglieder, scheint es, gelingt es den Organisationen, ihre ideologischen und zahlenmäßigen Schwächen notdürftig auszugleichen. Ein Student schildert seine Arbeitsbelastung:

An der Uni: 1mal wöchentlich als 4-5 Stunden Grundeinheitsplenum, dazu die Zeit der Vor- und Nachbereitung (Texte, Zeitung lesen, Protokoll). 1mal wöchentlich 2- bis 3stündige Schulung. Zusätzlich eine Unzahl von Sonderterminen Tagesdienste; in der Uni Büchertisch machen beziehungsweise Anwesenheit im Raum der Organisation zwecks Entgegennahme von Flugblättern und neuer Direktiven, Ausführen technischer Arbeiten (wöchentlich 1mal 10-14 Uhr) Zeitungsverkauf, Flugblätter im Institut und vor der Mensa verkaufen beziehungsweise verteilen. Obernahme einer speziellen Funktion: »info«-Herstellung« »Botendienst« » Druckereidienst.

Im Stadtteil: 1mal pro Woche einen Nachmittag lang Zeitungsverkauf. Flugblattverteilen, Plakate kleben; Sitzung mit der zuständigen Stadtteilzelle.

Vor dem Betrieb: Zeitungsverkauf mindestens 1mal die Woche, morgens 2-3 Stunden; abends oder darauffolgenden tags: Sitzung mit der »Zelle«, zusätzlich Verteilen von Flugblättern in unregelmäßigen Abständen, Ortsgruppe: Büro. dienst, d. h. einen halben Tag im Büro der Ortsgruppe, sämtliche anfallenden Tätigkeiten erledigen; Nachtdienst, d. h. von 18.00 bis 5.00 das gleiche: Tippen der Mitgliederbriefe: drucken, legen, zusammenheften. Aufräumen etc. 14-täglich.

An geregelte Arbeit oder Studium war denn auch kaum zu denken, ja sogar ausdrücklich untersagt. In einem Fall las sich die Begründung so: Die Wissenschaft gehört dem Volk. Die Wissenschaft, das ist der Marxismus 1 Leninismus und seine Weltanschauung des dialektischen und historischen Materialismus, die Wissenschaft der Arbeiterklasse. Die Studenten sind somit -- als künftige Wissenschaftler betrachtet -- Träger der bürgerlichen Wissenschaft, Träger der einzigen Wissenschaft ist die Arbeiterklasse und ihre Partei ...« Denjenigen, die die Notwendigkeit eines einigermaßen ordentlichen Studiums und Examens betonten oder praktisch angingen, wurde bürgerlicher Karrierismus vorgeworfen.

Der Druck, den die K-Gruppen auf Wohngemeinschaften ausübten, führte zu skurrilen Szenen. Man lebte, berichtet einer, »wie in einer Polizeikaserne, immer überwacht und auf Rechtfertigung jeder Handlung trainiert. Manche Genossen entwickelten in solchen Situationen artistische Fähigkeiten: Sie jumpten« im Halbschlaf auf dem Bett liegend, zum Schreibtisch, um pausenloses Arbeiten vorzutäuschen, wenn sich ein Mitbewohner dem Zimmer näherte«.

Schlimmer als der Leistungsdruck wurde von vielen Abtrünnigen die politische Pression empfunden. Wer etwas nicht verstand, hielt besser den Mund, Kritik war unerwünscht, Kopfnicken gefragt.

Denn vor der Diktatur des Proletariats haben die Führer der K-Gruppen, scheint es, erst einmal eine innerparteiliche Diktatur der Funktionäre aufgerichtet. Was die Parteispitze beschließt. hat die Basis zu schlucken:

Beschlüsse trugen das Zeichen ihrer Unumstößlichkeit schon bei ihrer Verkündung, denn der »demokratische Zentralismus verlangt ihre unbedingte Ausführung ... Jedes Anzweifeln der neuen Beschlüsse mußte daher gegen die doppelte Autorität der jeweiligen Leitung und der sich aus der angeblichen »Realität« ergebenden »objektiven Notwendigkeiten« ankämpfen. Wollte man seinen Ausschluß nicht riskieren, mußte man sich fügen.

Druck von oben, Realitätsverlust und Verbissenheit -- der Gegensatz von Anspruch und Wirklichkeit, Partei der Arbeiterklasse sein zu wollen, tatsächlich aber von der Arbeiterklasse ignoriert zu werden, führt bei Mitgliedern von K-Gruppen dazu, daß sie ausschließlich nach innen, innerhalb der Organisationen, denken und trachten und in ihnen den Ersatz für die fehlende Außenwirkung suchen. Die Welt, in der sie leben, schrumpft auf innerorganisatorische Termine und Bezüge.

Nur wer genügend Energie hat, die psychische und physische Beanspruchung zu bewältigen, nur wer die Angst abstreift, als bürgerlicher Zurückweichler zu gelten, hat eine Chance, aus dem »Nebel politischer Umnachtung« (ein Ex-Kader) wieder aufzutauchen.

Denn wer abspringen will, hat schwere Skrupel zu überwinden: »Wenn dir einer dauernd erzählt, wir kommen an die Macht und wir sind schon fast an der Macht -- und wenn wir die proletarische Diktatur errichten, dann geht es Übeltätern aber schlecht -, dann willst du ja kein Übeltäter sein.«

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