GEMEINSAMER MARKT / WEIZEN Käfer für Mao
Westeuropas Steuerzahler sollen Mao über 200 Millionen Mark schenken, damit Frankreich den Chinesen 80 Schiffsladungen französischen Weizen verkaufen kann.
Anders, so entschied jetzt die Brüsseler EWG-Zentrale, ist dem Weizenberg in den sechs Gemeinschaftsländern (derzeit: sieben Millionen Tonnen) nicht mehr beizukommen.
Diesen Weizenüberschuß verdanken die Europäer der EWG-Getreidemarktordnung vom 1. Juli 1967. Danach haben sich die Mitgliedsländer der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft verpflichtet, ihren Bauern jede Menge Weizen zum Mindestpreis von 395 Mark je Tonne (Interventionsbasis Duisburg) abzunehmen.
Gestützt auf diese Preis-Garantie bescherten Europas Landwirte der Gemeinschaft im letzten Herbst die üppigste Weizenernte seit dem Kriege. Allein in Frankreich, dem größten Produzenten der EWG, lagerten noch letzte Woche fünf Millionen Tonnen Weizen unverkauft auf Halde.
Da die Silos noch rechtzeitig vor der neuen Ernte geräumt sein müssen, forschten die Franzosen schon um die Jahreswende nach einem geeigneten Kauf-Interessenten. Sie fanden ihn in Maos China.
Freilich hatten die Franzosen keine Chance, ihren Weizen zum hohen EWG-Preis von rund 415 Mark je Tonne** (Weltmarktpreis: rund 260 Mark) an Maos Außenhandelsfunktionäre loszuschlagen. Sie fragten daher in der EWG-Zentrale an, ob die Exportsubventionen, die die Gemeinschaft für den Verkauf überschüssiger Agrarprodukte bereithält, auch für das Weizengeschäft mit China gelten.
Aus Brüssel, wo China unter der Rubrik »V c« (andere Länder und Gebiete in Asien und Ozeanien) geführt wird, kam die Antwort: Natürlich werde die EWG zahlen, und zwar 263,20 Mark je Tonne. Darüber hinaus könnten Frankreichs Exporteure mit einer Umwegprämie von acht Mark je Tonne rechnen, solange der Suez-Kanal für die Schiffahrt gesperrt sei.
Mit diesem Angebot im Koffer machten sich Frankreichs Weizen-Unterhändler auf den Weg nach Peking und unterbreiteten den Genossen eine verlockende Offerte: Lieferung von 800 000 Tonnen französischem Weizen zum Sonderpreis von 152 Mark ab französischem Hafen. Aber obwohl die Franzosen damit ihr Getreide weit unter Weltmarktpreis anboten, erhoben die Funktionäre der staatlichen
* Nach der Getreidemarktordnung ist die EWG in verschiedene »Basis«-Zonen aufgeteilt, in denen unterschiedliche Mindest-Ankaufspreise gelten. So beträgt der sogenannte Interventionspreis an der Basis Tours 367,50 Mark, in Hamburg 393,24 Mark je Tonne Weizen.
** Ab französischem Seehafen.
»Importgesellschaft für Getreide, Speiseöl und Lebensmittel« Einspruch.
China, so eröffneten sie ihren französischen Geschäftspartnern, sei an dem Geschäft nur interessiert, wenn die EWG im Gegenzug einen Posten Schweinefleisch ahnehme oder aber China der Gesamtpreis von 120 Millionen Mark kreditiert werde.
Die Franzosen lehnten ab. Mit den Schweinen sei der EWG nicht gedient, da es dort bereits genügend Schweine gebe. Außerdem hätten EWG-Veterinäre schon vor Jahren an chinesischem Borstenvieh die Pest entdeckt und seither die Grenzen für derlei Importe gesperrt.
Nach dieser medizinischen Belehrung kamen die Chinesen den Franzosen botanisch: In Außenhandelskreisen sei es bekannt, so entgegneten sie ihren Gästen aus dem Westen, daß es im französischen Weizen gemeinhin von Käfern und anderen Insekten nur so wimmele. Unter Chinas Flora könnten diese Tiere unübersehbare Schäden anrichten. Die chinesischen Zollbehörden würden daher jedes Weizenschiff nach Frankreich zurückschicken. falls sie auch nur ein Insekt darin entdeckten. Anschließend erklärten sie die Verhandlungen für beendet.
Trotzdem gaben die Franzosen noch nicht auf. Da sowohl sie als auch die EWG-Behörden daran interessiert sind, wenigstens einen Teil ihrer Weizenüberschüsse an Peking zu verkaufen, wollen sie den Chinesen einen weiteren Schritt entgegenkommen.
Seit vorletzter Woche prüfen daher französische Experten, wie das für China bestimmte Korn von den sechsbeinigen Parasiten zu reinigen sei und ob eventuell auch diese Kosten (je Tonne 6,60 Mark) auf den EWG-Agrarfonds abgewälzt werden könnten.
Selbst ohne diese Sonderausgaben hat die EWG für Frankreichs China-Geschäft -- falls es zustande kommt -- den höchsten Subventionsbetrag aller Zeiten zu zahlen: 216 Millionen Mark. Die Bundesrepublik trägt davon fast ein Drittel: 67 Millionen Mark.