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TIERE Kalte Küken

Seit einem halben Jahr streitet eine Berlinerin für die Gleichstellung der deutschen Katze mit dem deutschen Hund vor dem Futternapf.
aus DER SPIEGEL 23/1979

Jahrelang spannte Wolfgang Krüger, 36, aus Berlin einmal in der Woche einen Spezialanhänger hinter seinen Personenwagen und ging auf Transittour ins Niedersächsische. Sein Ziel war der Meyersche Hühnerhof zu Krainhagen im Schaumburger Land.

Dort lud Krüger immer so zwischen 450 und 550 Kilogramm Leichen ein, mal 13 000, mal 15 000 -- »getötete männliche Eintagsküken«, wie ein Bückeburger Veterinäroberrat jeweils mit Unterschrift und Dienstsiegel beglaubigte. Die zu einer Brathuhnkarriere nicht recht tauglichen Kleinsthähne mit einem Durchschnittsgewicht von 35 Gramm hatte der Geflügelfarmer zuvor mit Kohlendioxid sonderbehandelt, worauf sie Geschäftspartner Krüger zu Hause in Berlin auf Eis legte -- in handlichen Tüten zu zehn und vierzig Stück.

Denn zu Friedenau und Spandau in Berlin betreibt die Krüger-Gattin Karin, 41, eine »Katzenboutique«, eine Katzenpension sowie die Edelkatzenzucht »von Loschwitz« mit sieben Sorten im Angebot -- von Europäisch Kurzhaar in Creme bis Perser in Tricolor. Besonderer Service: »Deckkater dieser Rassen stehen geimpften Katzendamen zur Verfügung.«

Die kaltgemachten Küken nun, von Krügers Zucht- und Pensionskatzen seit langem als Leckerbissen geschätzt, wurden im vergangenen Jahr bei der Boutique-Eröffnung auch den Miezen von nebenan angeboten, zum Preis von zwölf Pfennig pro Stück.

Nachdem sich schon der Berliner Zoologische Garten immer mal wieder eine Partie Eintagshähne hatte kommen lassen, wollten auch Friedenauer Katzenfreunde nicht länger »Whiskas«-Konserven kaufen, obwohl es auch die bei Krügers im Discountangebot gibt. »Die Küken«, erinnert sich Karin Krüger, »gingen bald weg wie nix -- so lange, bis vor einem halben Jahr die städtischen Veterinäre dem florierenden, doch wie sie fanden, unerlaubten Handel mit »ganzen Tierkörpern« Einhalt geboten.

Wohl dürfe, so beschied Dr. Giesbert Wenzel vom Senatsressort für Gesundheit und Umweltschutz die Boutiquenbesitzerin, in ihrer »Betriebsstätte« mit »Tierkörperteilen zu Futterzwecken« gehandelt werden, doch eben nicht mit tiefgefrorenen Eintagsküken. Die seien, obwohl nur eine Handvoll und mausetot, unstrittig ganze Tierkörper -- und gehörten deshalb laut Gesetz in die Kadaveranstalt und nicht in Krügers Kühltruhen.

Nicht einmal der private Verzehr durch Krügers Katzen sei erlaubt, denn die ausnahmsweise »Verfütterung von Tierkörpern«, so bestimmt pingelig das Tierkörperbeseitigungsgesetz aus dem Jahre 1975, könne die zuständige Behörde allenfalls »Zoologischen Gärten ... Zirkusunternehmen, Hundezuchten, Pelztierzuchten, Teichwirtschaften und Tierheimen« gestatten.

Karin Krüger, im Deutschen Edelkatzenzuchtverband ebenso beheimatet wie im Berliner Edelkatzenclub, fand sich und ihre vierbeinigen Lebensgefährten diskriminiert. Nicht nur, so ließ sie bei Gericht vortragen, sei die »Verfütterung von Eintagsküken« ihre »hauptsächliche Existenzgrundlage«, sondern auch die Förderung einer Art Hunde-Chauvinismus könne der Gesetzgeber nicht gewollt haben: »Eine sachliche Rechtfertigung, zwischen Hundezuchten und Katzenzuchten zu unterscheiden«, sei »unter keinem Gesichtspunkt ersichtlich«, denn bei beiden Tierarten handele »es sich um vierbeinige Haustiere«.

Doch ob der deutschen Katze im Futternapf recht sein darf, was dem Hunde billig ist, wollte das Berliner Verwaltungsgericht jedenfalls nicht durch eine einstweilige Anordnung präjudizieren. Und auch Oberveterinär Wenzel mag vor einer Entscheidung in der Hauptsache die Blockade Krügerscher Kükenimporte nicht einmal für den Hausgebrauch aufheben: »Ich kann nicht anders -- Katzen stehen im Gesetz nicht drin.«

Da helfen einstweilen auch keine zu Herzen gehenden Beschreibungen der großen Not, die seit dem Ausbleiben der Delikatessen herrscht. Verschiedene Kükenkunden, berichtet Wolfgang Krüger, »kommen immer wieder vorbei, erzählen von Ernährungsstörungen« ihrer Katzen und schimpfen auf die futterneidische Behörde. Krügers rotweißer Kater, für den Küken das tägliche Brot waren, verweigerte vier Tage lang jegliche Nahrung und wirkt »noch immer verstört«.

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