INDUSTRIE / OETKER Kalter Krieg
Die Bielefelder Konzernleitung besteht darauf, »daß die Firma Oetker einen Anspruch auf den Dessert-Teller in den deutschen Familien hat«. Deshalb will Westdeutschlands größter Puddingmischer jetzt nachholen, was er bisher versäumt hat: einen massierten Angriff auf den verheißungsvollen Eiskrem-Markt.
Multi-Unternehmer Rudolf-August Oetker, 50 (rund 100 Firmen von Brauereien über Versicherungen bis zu Reedereien; geschätzter Gruppen-Umsatz: 1,1 Milliarden Mark), war zwar schon vor sieben Jahren mit einem »Dr. Oetker Eiskrem« in das kalte Geschäft eingestiegen, hatte es aber nur lustlos betrieben. Bis heute bezieht er das Eis aus Fabriken der Konkurrenz, der Werbeaufwand blieb unbedeutend. Oetker hat nur vier Prozent Marktanteil.
Die Konkurrenz baute derweil starke Positionen auf. Die vier größten Speiseeis-Hersteller:
> Langnese aus dem Unilever-Konzern (50 Prozent Marktanteil);
> Allgemeine Lebensmittel-Betriebe Theo Schöller (16 Prozent);
> Jopa aus dem Nestlè-Konzern (15 Prozent);
> Efa-Eiskrem-Fabrikation (zehn Prozent).
Der Eisverkauf ist heute schon lukrativ, für die Zukunft verspricht er Großes. Westdeutsche schleckten im vergangenen Jahr industriell hergestelltes Speiseeis im Wert von 320 Millionen Mark und sorgen selbst im Flautejahr 1967 für einen Mehrverbrauch von etwa zehn Prozent. Dabei verspeisen sie insgesamt noch nicht einmal drei Liter Eiskrem pro Kopf und Jahr, die Schweden dagegen bereits sieben, die Amerikaner 25 Liter.
Dessert-Lieferant Oetker entschloß sich erst spät, den Kampf auf seinem angestammten Feld aufzunehmen. Nachdem er Ende letzten Jahres seinen Führungsstab verjüngt hatte (SPIEGEL 43/66), wurden Marktstudien angefertigt; Bielefelder Direktionsassistenten informierten sich in den zwölf bundesdeutschen Auslieferungslagern für Oetker-Eiskrem, und das Oetkersche Kühlkost-Unternehmen Frosti in Bielefeld stellte den Schlachtplan auf.
Er sieht den Bau einer Frosti-Fabrik für Speiseeis mi badischen Ettlingen vor, die Ende nächsten Jahres die Produktion aufnehmen soll. Der Vorstoß auf den Markt aber beginnt mit massiver Werbung schon in diesem Herbst. Er konzentriert sich auf Nordrhein-Westfalen, das den größten Anteil am Eisverbrauch hat.
Die Konkurrenz betrachtet Oetkers Anstrengungen skeptisch (Kommentar von Jopa: »Wir wundern uns alle"). Denn so leicht ist der Frostmarkt nicht aus den Angeln zu heben. Die Firmen sind ihrer Abnehmer meist langfristig sicher, weil sie ihnen die erforderlichen Kühltruhen kostenlos leihen; die Leihverträge laufen in der Regel über fünf Jahre und enthalten die eiserne Klausel, daß kein Konkurrenzerzeugnis in die Truhe darf.
Über Oetkers Zeitplan wundert sich die Branche ebenfalls. Er startet seinen Eis-Schnellauf just zu Beginn der kalten Saison, in der die Umsätze auf einen Bruchteil des sommerlichen Geschäfts zu sinken pflegen,
Die Bielefelder wollen deshalb den Verzehr von Eis als Nachtisch an der Familientafel propagieren. Frosti-Geschäftsführer Dr. Heiß: »Wenn als Nachspeise in Zukunft mehr ... Eiskrem gereicht wird, dann wird es eben 'Dr. Oetker Eiskrem' sein.
Das ehrgeizige Ziel des kalten Kriegers Heiß: »Ein Mehrfaches vom bisherigen Umsatz.«