Zur Ausgabe
Artikel 48 / 90

»Kampagne gegen Irak«

aus DER SPIEGEL 34/1990

Hassan, 43, ein Bruder König Husseins, ist Stellvertreter des Monarchen.

SPIEGEL: Königliche Hoheit, fast die ganze Welt will den Irak für die gewaltsame Einverleibung von Kuweit mit einem Wirtschafts- und Handelsboykott bestrafen. Zieht Jordanien mit?

HASSAN: Wir respektieren sämtliche Uno-Beschlüsse. Was die Wirtschaftssanktionen anlangt, sind wir erstens nicht zu sofortigem Handeln verpflichtet, und zweitens hat ein Boykott noch niemals den gewünschten Erfolg gezeitigt.

SPIEGEL: Warum bleibt der Hafen von Akaba so lange offen? Das gefährdet Ihre Beziehungen zum Westen.

HASSAN: Wir versuchen, der ganzen Welt - vor allem natürlich unseren Freunden - klarzumachen, wie unangenehm unsere Situation ist.

SPIEGEL: Fürchten Sie einen Angriff Bagdads?

HASSAN: Wollen wir den Konflikt lösen oder ihn weiter eskalieren? Nützt es den Völkern dieser Region und der Welt, wenn die Spannungen noch weiter steigen und es zu einer Katastrophe kommt, die nicht nur die direkt Betroffenen in die Apokalypse stürzt? Jordanien hat in der Falklandkrise Großbritannien unterstützt, weil wir die Uno-Charta und die Menschenrechte ernst nehmen. Jordanien ist also prinzipientreu. Nur sehen wir nicht ein, daß wir alles, was gegen den Irak unternommen wird - etwa die amerikanische militärische Intervention -, absegnen müssen, um unseren guten Willen zu beweisen.

SPIEGEL: Saddam Hussein überfällt nicht nur Nachbarn, sondern unterstützt auch den internationalen Terrorismus.

HASSAN: Jordanien bekämpft jede Form des Terrors, auch den Terror, den Staaten gegen unterdrückte Völker ausüben, wie ja auch die Weltöffentlichkeit beispielsweise das brutale Vorgehen der israelischen Besatzer auf dem Jordan-Westufer und in den übrigen besetzten Gebieten zu Recht brandmarkt. Bitte erinnern Sie sich daran, daß Jordanien das Blutbad während der Münchner Olympiade von 1972 aufs schärfste verurteilt hat.

SPIEGEL: Selbst wenn Sie den Irak-Boykott nicht mitmachen können, warum mißbilligen Sie die Stationierung der US-Truppen im bedrohten Saudi-Arabien?

HASSAN: Für die Amerikaner ist das doch nur ein Vorwand, um den Irak anzugreifen im weitergespannten Rahmen ihres Konzepts, Europa und die arabischen Staaten auseinanderzudividieren. Die Amerikaner bauschen auch die angebliche arabischislamische Gefahr auf.

SPIEGEL: Solche Anschuldigungen kommen zum erstenmal aus Amman.

HASSAN: Aber so ist die Sachlage. Was soll der ganze Aufmarsch der Flotten und Sonderkommandos? So jedenfalls bleibt die Spannung in unserer brisanten Region erhalten, wo offenbar jedes Jahrzehnt ein Gamal Abd el-Nasser oder Chomeini oder sonst jemand auftritt, der für Unruhe sorgt. Wir scheinen dazu verdammt zu sein.

SPIEGEL: Der Unruhestifter heißt heute Saddam Hussein.

HASSAN: Uns macht vor allem der Drang der Israelis nach Osten zu schaffen. Sie möchten aus Jordanien am liebsten eine Ersatzheimat für die Palästinenser machen.

SPIEGEL: Aber jetzt geht es auch den Arabern um die Eindämmung der irakischen Expansion?

HASSAN: Die Kampagne gegen den Irak läuft schon seit geraumer Zeit, lange bevor von einer Kuweit-Krise die Rede war. Als der Irak noch Krieg gegen den Iran führte, hatte der Westen viel Sympathie für Bagdad. Diejenigen westlichen Staaten, die nach dem Sechstagekrieg 1967 den raschen israelischen Sieg sowie die Besetzung arabischer Städte und Dörfer feierten, haben kein Recht, sich jetzt über ein arabisches Besatzungsproblem aufzuregen. Die Industriestaaten meinen offenbar, die Ölquellen müßten der Ersten Welt zugeschlagen werden, obwohl wir Araber ein Anrecht darauf haben.

Mehr lesen über

Zur Ausgabe
Artikel 48 / 90
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren