USA / WAHLEN Kampf der Clans
Für mich«, so klagte Nelson Rockefeller, »ist es verdammt schwer, Geldspenden für den Wahlkampf zu bekommen. Die Leute meinen immer: Der Rockefeller hat Geld genug.«
Seit je finanziert der Multimillionär und republikanische Gouverneur des US-Bundesstaates New York den größten Teil seiner Wahlkampfkosten vom eigenen Bankkonto. Für die Kongreß - und Gouverneurswahlen am Dienstag dieser Woche mußte er mehr abheben als jemals zuvor*: 80 Millionen Mark, behaupten seine demokratischen Gegner, 16 Millionen Mark, gesteht er selber.
Für das Oberhaupt der Dollar-Dynastie geht es um Sein oder Nichtsein auf der politischen Bühne der USA. Zweimal - 1958 und 1962 - schwang sich Rockefeller mühelos in den Gouverneurssessel; diesmal liefert ihm der demokratische Konkurrent ein Kopf an-Kopf-Rennen.
Und wie Rockefeller, 58, laufen die Repräsentanten von drei anderen Renommier-Familien Gefahr, durch eine Wahlniederlage den Einfluß einzubüßen, mit dem ihr Clan jahrzehntelang amerikanische Politik machte:
- Franklin Delano Roosevelt Jr., 52, Rechtsanwalt und Sohn des demokratischen Präsidenten (1933 bis 1945) Franklin D. Roosevelt, bewirbt sich ebenfalls um das Gouverneursamt von New York;
- Robert Taft, 49, Rechtsanwalt und Enkel des republikanischen Präsidenten (1909 bis 1913) William Howard Taft, will für den US-Bundesstaat Ohio in das amerikanische Repräsentantenhaus ziehen;
- Harry F. Byrd Jr., 51, Plantagen-Besitzer und Sohn des demokratischen Senators von Virginia, Harry Byrd, will seines Vaters Amt verteidigen.
Im Familien-Streit ums politische Dabeisein machte Nelson Rockefeller die beste Figur.
Noch vor sechs Monaten schien eine Niederlage des Republikaners in New York sicher. Unpopuläre Entscheidungen seiner Regierung, darunter Steuererhöhungen, hatten die Wähler so vergrämt, daß selbst »einige der engsten Berater« (Rockefeller) ihm ein Fiasko vorausgesagt hatten.
Dann aber setzte der Millionär ("Ich verlasse mich nicht auf die Statistiker. Ich bin ein stolzer Kämpfer") seine Mittel ein: Er jagte im Privat-Düsenflugzeug »The Wayfarer« durch den Staat New York, heizte seine gut eingefahrene Wahlkampfmaschine mit fetten Zuschüssen an und schaffte in kurzer Zeit ein bemerkenswertes Comeback: In der vorletzten Wahlkampfwoche lag Rockefeller bei Meinungsumfragen nur noch um zwei Prozent hinter seinem demokratischen Gegner, dem finanzschwachen New Yorker Stadtrat-Präsidenten Frank D. O'Connor.
Nur noch auf einen politischen Achtungserfolg spekuliert Präsidenten-Sohn Franklin Roosevelt. Vor zwei Monaten, als dies Demokraten statt seiner den Rockefeller-Kontrahenten O'Connor als Gouverneurs-Kandidat nominierten, wechselte er zur liberalen Partei über - zur Freude der Republikaner.
Denn Roosevelt wird, so vermuteten Nelson Rockefellers Parteigänger, in die potentiellen Wählerkreise der Demokraten einbrechen und etwa 500 000 bis 600 000 (rund 15 Prozent) aller Stimmen auf sich vereinigen. O'Connor über den abtrünnigen Parteigenossen: »Er war ein Versager in jedem Job, den er hatte.«
Robert Taft hat viel zu verlieren. Er ist Sproß einer Familie, deren Sippenbewußtsein und Machtinstinkt laut »New York Herald Tribune« nur noch »vom Kennedy-Clan übertroffen wird«. Sein Urgroßvater war Justizminister des Präsidenten Grant (1876:77), sein Großvater Präsident, sein Vater Senator und »Mister Republican«.
Taft will mit Hilfe von Elektronengehirnen und einem routinierten Wahlkampf-Team den Sprung nach Washington schaffen. Finanzprobleme kennt er nicht: Er ist Mitinhaber des größten Anwaltsbüros des US-Bundesstaats Ohio, »Taft, Stettinius & Hollister«. Taft-Klienten: Coca-Cola, Ford und der Elektro-Konzern General Electric.
Aus reichem Landadel strebt der Demokrat Harry Byrd in die Politik. Seine Familie, bereits 1670 aus England nach Virginia eingewandert und durch Sklavenhandel reich geworden, besitzt heute die größte Apfelplantage der Welt. Als Byrd-Vater Harry im vergangenen Monat nach 33 Senator-Jahren starb, legte er sein politisches Erbe in die Hand seines Sohnes. Verliert der Byrd-Mann das Senator-Amt, wird die politische Bedeutung der Apfel-Züchter verblassen und der politische Einfluß einer der ältesten Familien Amerikas zu Ende sein.
Von allen großen Familien haben sich lediglich die Rockefellers gegen einen Totalverlust abgesichert: Im negerfeindlichen Bundesstaat Arkansas kandidiert ein zweiter Rockefeller, der Rancher und Nelson-Bruder Winthrop, 54, der sich 1964 bereits erfolglos um das Gouverneursamt bemüht hatte.
Nach seiner ersten Niederlage setzte er den Wahlkampf unablässig fort. Er pumpte dabei »mehr Geld und Zeit in den Staat Arkansas... als je ein Mann zuvor« ("New York Herald Tribune"). Seine Gegner behaupten, er fliege im Privatflugzeug von Arkansas zum Friseur nach New York.
Die prominenteste aller politisierenden US-Familien hat am Dienstag nichts zu verlieren. Robert Kennedy, Senator von New York, und Bruder Edward, Senator von Massachusetts, sind erst 1968 mit Neuwahlen an der Reihe.
Ihr Clan unterstützt dafür einige demokratische Parteifreunde gegen demokratische Johnson-Günstlinge. Denn jeder Rückschlag für Johnson bringt Robert Kennedy seinem geheimen Ziel, dem Präsidentenstuhl, einen Schritt näher.
* Bei den Wahlen werden 35 (von insgesamt 100) Senatoren, 35 Gouverneure sowie alle 435 Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses neu gewählt.
Wahlkampfer Rockefeller
Millionäre haben es schwer