Internethetze gegen Karl Lauterbach »Der Hass stellt alles in den Schatten, was ich bisher erlebt habe«

Beleidigungen, Drohungen, Mordaufrufe: Im Netz entlädt sich die Wut der Corona-Müden gegen den SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach. Wie hält der Mann das aus?
Ein Interview von Katja Iken
SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach bekommt den Corona-Frust der Deutschen ab

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Foto: HANNIBAL HANSCHKE / REUTERS

SPIEGEL: »Erneut rollt eine Hasswelle über mich im Internet, mit Morddrohungen und Beleidigungen, die schwer zu ertragen sind.« Das haben Sie am Sonntag auf Twitter gepostet. Was gab den Ausschlag dafür?

Karl Lauterbach: Am vergangenen Freitag bin ich nachmittags noch mal im Büro durch die Räume meines Teams gegangen. Überall auf den Schreibtischen lagen Briefwechsel mit Staatsanwälten und Ermittlern, die mit Drohungen gegen meine Person zusammenhängen. Das hat mich schon sehr nachdenklich gemacht. Am Samstag dann hat mich die Recherchegruppe »Die Insider« darauf hingewiesen, was in einschlägigen Foren los ist. Daraufhin habe ich gestern meinen Tweet abgesetzt.

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SPIEGEL: »Der muss in eine geschlossene Anstalt« war noch der freundlichste Beitrag. Andere rufen unverhohlen zur Gewalt auf. Wie halten Sie das aus?

Lauterbach: Ich versuche, das weitestgehend auszublenden. Zudem bin ich schon länger im Politikgeschäft  und halte so einiges aus. Aber ich muss sagen: Der Hass, der derzeit auf mich einprasselt, stellt alles in den Schatten, was ich bisher erlebt habe. Das ist eine neue Dimension der verbalen Brutalität, eine neue Sprache, die mich wirklich verstört.

SPIEGEL: Wie erklären Sie sich die Eskalation der Hassbotschaften im Netz?

Lauterbach: Die verstärkten Angriffe gegen meine Person hängen ganz eindeutig mit der ausgebliebenen Lockerung in der Coronakrise zusammen. Die Leute sind wütend, weil die Bundesregierung trotz sinkender Fallzahlen keine Lockerungen in Aussicht gestellt hat, sondern vorsichtig bleibt. Was im Angesicht der drohenden dritten Welle nur konsequent und richtig ist. Jetzt kommen die härtesten Monate der Pandemie.

SPIEGEL: Schon im Mai 2020 haben Sie die persönlichen Angriffe in einem Twitter-Post thematisiert, einer Ihrer Gegner hatte Ihnen ein Röhrchen mit einem positiven Corona-Test  geschickt. Was hat sich geändert?

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Lauterbach: Zwischendurch war es deutlich ruhiger geworden, die Beleidigungen hatten abgenommen. Nun ist der Hass wieder da. Er ist deutlich eskaliert – und scheint immer radikaler zu werden.

SPIEGEL: Lesen Sie alles, was man Ihnen so androht?

Lauterbach: Nein, die beschämenden und niederträchtigen Einlassungen dieser Trolle in den Foren, das tue ich mir gewiss nicht an. Dennoch komme ich nicht ganz darum herum: Die Schmähungen erreichen mich auch per Direktnachricht, per Mail, per Brief. Auch muss ich die notwendigen Anzeigen veranlassen. Diese Menschen möchten andere und mich zum Schweigen bringen, mit allen Mitteln. Ich kenne einige Wissenschaftler, die sich nach Drohungen im Netz jetzt deutlich vorsichtiger äußern, was ich gut verstehen kann.

SPIEGEL: Welche Nachrichten bereiten Ihnen besondere Bauchschmerzen?

Lauterbach: Man muss unterscheiden zwischen drei Dingen: Erstens Beleidigungen und Unterstellungen, zweitens Drohungen wie etwa »Du solltest auf deine Familie aufpassen!« und drittens Aufrufen zu Gewalt à la: »Gibt es denn niemanden hier, der bereit wäre, dem mit einem Baseballschläger die Zähne zu richten?« Die Drohungen finde ich am schlimmsten. Man kann nie ganz ausschließen, dass nicht irgendein Gewaltbereiter oder sogar ein psychisch Kranker mir oder meiner Familie dann tatsächlich Gewalt antut.

SPIEGEL: Sie haben fünf Kinder. Wie gehen Sie mit Ihrer Angst um?

Lauterbach: Zu diesen privaten Dingen möchte ich mich nicht äußern. Aber ja, natürlich bin ich besorgt. Ich habe mein Leben umgestellt, lasse mich von Sicherheitsexperten beraten.

SPIEGEL: Sind Sie abseits der virtuellen Welt auch schon im realen Leben angegriffen worden?

Lauterbach: Ja, aber auch darüber möchte ich nicht sprechen. Es gab allerdings schon eine Situation, bei der ich auch Hilfe rufen musste.

SPIEGEL: Welche Botschaft würden Sie den Internethetzern gern zukommen lassen?

Lauterbach: Dass ich gar nicht daran denke, einzuknicken und meine Meinung der Stimmung dieser Leute anzupassen. Es geht hier um die Gesundheit des Landes. Und ich werde weitermachen, wie viele andere meinen Beitrag dazu zu leisten, damit wir mit möglichst wenigen Sterbefällen und dauerhaft Erkrankten durch diese Pandemie kommen.

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