PERSONALIEN Karl Schiller, Knut Freiherr von Kuhlmann-Stumm, Hermann Schmitt-Vockenhausen, Werner Dollinger, Leo Wagner, Jewgenij Jewtuschenko, Semjon Zarapkin
Karl Schiller, 56, Bundeswirtschaftsminister (SPD), wurde am vergangenen Montag von der nordrhein-westfälischen SPD-Landtagsfraktion nach Düsseldorf zitiert, um zu bekanntgewordenen Erwägungen der Bundesregierung, die Kohlekrise durch radikale und schnelle Zechen-Stillegungen zu beheben, Stellung zu nehmen. Als die Sozialdemokraten dem Minister eindringlich vorhielten, eine solche Radikalkur werde eine »Sozialkatastrophe« auslösen, unterbrach Schiller die Kritiker und betonte: »Völlig richtig, auch der Karl Schiller ist ja nicht doof.«
Knut Freiherr von Kuhlmann-Stumm, 50, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, am letzten Mittwoch in der Haushaltsdebatte des Bundestags: »Der Herr Bundeswirtschaftsminister wird anhand seiner Vorstellungen zur Energiepolitik jenen Satz aus der Regierungserklärung zu erläutern haben, nach dem die neue Politik der Globalsteuerung vor der Flucht in den Einzeldirigismus schützt.« Nach diesem Satz applaudierten einige Freidemokraten und ein Angehöriger der Regierungsparteien. Der Außenseiter: Professor Ludwig Erhard, der einsam in der ersten Reihe saß.
Hermann Schmitt-Vockenhausen, 44, SPD-MdB und Vorsitzender des Bundestagsinnenausschusses, in der vorletzten Woche bei einer Debatte mit Parteifreunden über das Verhalten der Polizei bei Studenten-Demonstrationen in Anspielung auf das Hans-Magnus-Enzensberger-Wort, das die Bundesrepublik mit »einer Bananen-Republik« vergleicht: »Die Leute, die zuerst geschrien haben, die Bundesrepublik sei eine Bananen-Republik, schreien nun auch, wenn eben diese Republik ihnen und ihren Jüngern eins auf die Banane haut.«
Werner Dollinger, 48, Bundespostminister (CSU), geriet am letzten Dienstag auf der Fahrt vom Bonner Bundeshaus zu seinem Ministerium bei drückender Hitze in eine Verkehrsstockung und mußte mit seinem Minister-Mercedes neben einer Baustelle halten. Die Arbeiter erkannten Dollinger, grüßten freundlich und riefen in den Wagen: »Ist verdammt heiß hier, Herr Minister.« Dollinger verstand die Anspielung und spendierte den durstigen Bauarbeitern fünf Mark für Bier: »Das läßt die Liquiditätslage der Deutschen Bundespost noch zu.«
Leo Wagner, 48, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, entdeckte am vorletzten Mittwoch hei einem Empfang nach der Eröffnung des Hauses der Landwirtschaft im bayrischen Neu-Ulm, daß SPD-MdB Ludwig Fellermaier nichts mehr zu trinken hatte. Wagner: »Die Weinversorgung war etwas ins Stocken geraten, und der Kollege Fellermaier saß vor einem leeren Glas.« Der Christsoziale organisierte von einem Nebentisch zwei Flaschen »guten Rheinwein« und versicherte dem Sozialdemokraten: »Für Sie klau« ich gern.« Darauf Fellermaler: »Ich werde mir das für die künftige Arbeit in der Koalition merken.« Gemeinsam tranken die Abgeordneten dann die beiden Flaschen aus.
Jewgenij Jewtuschenko, 33, Sowjet-Poet ("Der Hühnergott"), der im Vormonat durch Portugal gereist war, machte auf dem Rückweg in Paris Zwischenstation und erstand in der Musikalien-Handlung »Lido-Musique« an den Champs-Elysées eine Schallplatten-Kollektion von Chansons französischer Sänger, sechs Exemplare einer in der Sowjet-Union indizierten Platte, die er während eines früheren Paris-Besuchs für die Firma »Chant du monde« mit eigenen Gedichten auf russisch besprochen hatte, sowie eine Langspiel-Live-Aufnahme aus dem Pariser Striptease-Lokal »Crazy horse saloon«. Gesamtpreis: 700 Franc (560 Mark). Der Dichter beglich seine Rechnung mit einem Scheck über 5000 Franc, den er sich zuvor bei seinem Pariser Verleger Bernard Grasset abgeholt hatte, und ließ sich das Wechselgeld (4300 Franc) in französischer Währung auszahlen. Randolph Churchill, 56, einziger Sohn Sir Winston Churchilis und britischer Publizist, der sechsmal bei Unterhauswahlen durchfiel, in einem Fernseh-Interview über die Praktiken bei der Auswahl von Wahlkreis-Kandidaten für die Konservative Partei: »Die Funktionäre sehen sich die Ehefrau an. Wenn man eine hat und wenn man keine hat, verliert man Stimmen. Hat man eine Frau, begutachten sie ihren Hut, ihre Beine, ihre Aufmachung. So als ob sie fettes Vieh oder dergleichen abschätzen. Es ist alles sehr deprimierend.«
Semjon Zarapkin, 60 (2. v. l.), Sowjetbotschafter in Bonn, der Mitte Mai auf Einladung des Offenburger Verlegers Franz Burda, 64 (4. v. l.), an einer »Badischen Weinprobe« im Bad Godesberger Hotel »Arera« teilnahm, hakte sich, als die Gäste gemeinsam das Lied »So ein Tag, so wunderschön wie heute« sangen, bei seinen Tischnachbarn, Bundesvertriebenenminister Kai-Uwe von Hassel, 54 (l.), und Schwedens Botschafter Ole Jödahl, 56 (3. v. l.), ein und schunkelte gutgelaunt. »Um Stimmung zu machen«, ließ Gastgeber Burda Angestellte seines Verlages Volkslieder vortragen und animierte seine Gäste zu Solo-Gesangsvorträgen. Zarapkin intonierte gemeinsam mit Burda und dessen ältestem Sohn Franz das russische Lied »Schwarze Augen«. Der Verleger belehrte danach den sowjetischen Gast, das Land Baden habe schon immer gute Beziehungen zu Rußland unterhalten und bis 1908 hätten die Eisenbahnen in beiden Ländern sogar dieselbe Spurweite gehabt. Schließlich hätten während des Ersten Weltkriegs badische Truppen auf der Fahrt zur Ostfront das Soldatenlied gesungen: »Rußland muß noch badisch werden«. Darauf Zarapkin: »Ich bin der Meinung, Baden muß noch russisch werden.«