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SUDAN Karneval des Todes

Daß Präsident el-Numeiri nach dem letzten Putsch noch lebt und regiert, verdankt er günstigen Winden.
aus DER SPIEGEL 30/1976

Ein kräftiger heißer Nordwest trieb die Boeing des Präsidenten nach einem Besuch in Paris mit Extraschub heimwärts nach Khartum. Als die Maschine fast eine Stunde früher als erwartet über dem Zusammenfluß des Weißen und des Blauen Nil zum Landeanflug einkurvte, waren die zwei Empfangskomitees am Flughafen noch mit Vorbereitungen beschäftigt.

Das offizielle Komitee hatte den roten Teppich noch nicht ausgerollt, das nichtoffizielle die schweren Waffen noch nicht abgeprotzt, so daß den Präsidenten statt eines Feuersturms nur nervöses MP-Geknatter empfing.

Numeiri hechtete in einen zufällig auf der Rollbahn geparkten Land Rover und flüchtete. An der Spitze loyaler Truppen stürmte er kurz darauf die eigene Hauptstadt, die von meuternden Soldaten besetzt worden war.

Regierungssoldaten trieben echte und vermeintliche Oppositionelle mit MG-Garben durch die Straßen Khartums, Kampfhubschrauber der Luftwaffe mähten flüchtende Rebellen aus der Luft nieder, 600 wurden erschossen, Coup-Chef Mohammed Nur Saad gefangengenommen. Der bullige Troupier Numeiri, der selbst durch eine Militärrevolte im Mai 1969 an die Macht gekommen war, ist aus über zehn Umsturzversuchen stets nur gestärkt hervorgegangen. Seine Feuertaufe erlebte der Machiavellist im Juli 1971: Nachdem Numeiri sich der Kommunisten entledigt hatte, die ihm an die Macht verholfen hatten, riß Armeemajor el-Atta -- acht Monate vorher wegen Linksabweichlerei geschaßt -- 1971 in einem Handstreich die Macht in Khartum an sich und sperrte den Präsidenten in eine Abstellkammer seines Palastes.

Numeiri-treue Einheiten holten ihn zwei Tage später wieder heraus. Nach einem Gegenputsch hetzte Numeiri die sudanesischen Massen zum Pogrom gegen die führerlose Linke. Der »Karneval des Todes« (so die »Zambia Daily Mail") forderte Hunderte von Toten. Hingerichtet wurden Major el-Atta, KP-Chef Mahdschub und der Präsidentschafts-Aspirant el-Nur, den Libyens Staatschef Gaddafi rechtzeitig zu Beginn eines Schauprozesses anlieferte. Numeiri-Kollege Gaddafi hatte eine BOAC-Linienmaschine aus London in Bengasi zur Landung gezwungen und Passagier el-Nur verhaften lassen.

Doch zum Unbehagen Gaddafis driftete das Regime in Khartum vom panarabischen Kurs immer mehr in Richtung auf Ägyptens Realpolitik zu. Und im September 1972 zerbrach die Freundschaft zwischen Gaddafi und Numeiri. Damals sollten fünf libysche Truppentransporter Ugandas Idi Amin gegen eine Invasion aus Tansania beistehen. Numeiri zwang die Flugzeuge über dem Sudan zur Umkehr.

Amin und Gaddafi beschlossen auf einer Geheimkonferenz in Kampala, das Regime in Khartum zu stürzen. Aber auch im eigenen Lande organisierten sich Numeiri-Feinde.

Enttäuschten Patrioten aus dem arabischen Norden mißfiel die Versahnungspolitik Numeiris gegenüber dem christlichen Süden: Er hatte den Südstaatlern weitreichende Autonomie zugestanden und so den 17jährigen Bürgerkrieg gegen die Separatistenbewegung »Anya Nya« 1972 beendet. Friedensstifter Numeiri galt den Anhängern einer arabischen Hegemonie als Verzichtpolitiker.

Der Putsch der vereinigten Opposition sollte die galoppierende Aufweichung stoppen. Zum neuen Staatschef hatten die Putschisten Sadik el-Mahdi ausersehen, einen Nachkommen des legendären Volkshelden und Religionserneuerers el-Mahdi.

Das Unternehmen scheiterte, weil Mäzen Gaddafi nicht spurte: Das von Gaddafi mobilisierte internationale Söldnerkorps mit Moslems aus sechs Ländern, so Rebellenführer Nur Saad nach seiner Gefangennahme im sudanesischen Rundfunk, habe gekniffen.

Tatsächlich orteten sudanesische Aufklärer im Nordwesten des Landes. unweit der libyschen Grenze, einen bewaffneten Konvoi. Numeiri jagte die libyschen Diplomaten aus dem Land und klagte Gaddafi vor dem Weltsicherheitsrat als Aggressor an.

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