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MANAGER / HOESCH Karussell der Posten

aus DER SPIEGEL 16/1968

Drei Monate redete Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Hans Janberg auf fünf Manager seines Stahlkonzerns Hoesch AG in Dortmund ein, ihre gutdotierten Posten aufzugeben. Dann hatte er unerwarteten Erfolg: Sechs Herren demissionierten -- der sechste war Janberg selbst.

Generaldirektor Dr-Ing. Willy Ochel, 65, hatte Ende letzten Jahres zu verstehen gegeben, er wolle sieh im Mai 1968 auf das Altenteil zurückziehen. Aufsichtsrat-Chef Janberg nutzte das zu dem radikalsten Manager-Revirement in der fast 100jährigen Geschichte der -- nach Thyssen -- zweitgrößten deutschen Stahlschmelze.

Werkmeistersohn Ochel war nach 33 Jahren Vorstandsarbeit müde geworden. Für Adolf Hitler hatte er Panzermotoren gebaut. Für Walter Ulbricht brachte er den Lok-Bau wieder In Fahrt und flüchtete, als er Zonen-Vizeminister werden sollte, in den Westen.

In Dortmund wurde der weißhaarige Techniker einer der erfolgreichsten deutschen Konzernarchitekten: Die Hoesch-Gruppe kocht jährlich 5,5 Millionen Tonnen Stahl, 62 000 Mitarbeiter erzeugen Produkte im Wert von 3,3 Milliarden Mark.

Hoesch-Aufsichtsrat Janberg, 58, im Hauptberuf Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, plante seit Ochels Altenteil-Offerte, den nach seiner Meinung aufgeblähten Zehnmann-Vorstand entscheidend zu verkleinern. Sechs Männer an der Konzernspitze, so argumentierte der Bankier, seien genug. Er nahm sich seine Opfer einzeln vor.

Der Hütten-Experte Dr.-Ing. Albrecht Harr, 64, machte keine großen Schwierigkeiten. Harr war bereit, nach 35jährigem Dienst bei Hoesch im Herbst 1968 in Pension zu gehen.

Der Verarbeitungsfachmann im Vorstand, Dr.-Ing. Otto Jungbluth, 49, hatte sich selbst durch Minusleistungen zur Demission empfohlen. Jungbluth, zuständig für das neue Bauteilewerk in Hamm/Westfalen, erwirtschaftete einen Verlust, den Kenner auf 40 Millionen Mark schätzen. Nach Montan-Komment wurde er nicht gefeuert, sondern ging, Ultimo 1967, mit einem kulanten Beratungsvertrag aus dem Haus.

Arbeitsdirektor Dr. Harald Koch, 61, dagegen war mit Geld nicht aus seinem Vorstandssessel zu heben. Den SPD-Mann, der im Herbst 1966 abgelehnt hatte, nordrhein-westfälischer Wirtschaftsminister zu werden, weil er bis zur Pensionsreife Hoesch-Vorstand bleiben wollte, schützte der starke Arm der IG Metall.

Die Frankfurter Gewerkschaftszentrale wollte einem vorzeitigen Austritt Kochs aus dem Management nur zustimmen, wenn Ihrem Mitglied ein repräsentativer Aufsichtsratssitz übertragen werde. Indes: Im 21 Mann starken Spitzengremium von Hoesch war kein Platz vakant.

Janberg mußte mithin Platz schaffen, um Koch von der Vorstands-Krippe an den grünen Samt des Aufsichtsrats schieben zu können. Wieder zog er aus, altgediente Männer zum Amtsverzicht zu bewegen.

Bierbrauer Dr. Felix Eckhardt, 71, zierte sich nicht lang. Eckhardt: »Bevor sie mich bitten zu gehen, lege ich selbst lieber mein Mandat nieder.«

Professor Leo Brandt, 59, Staatssekretär und Leiter des nordrheinwestfälischen Landesamts für Forschung, war zur großen Geste nicht bereit. Erst als Janberg für ihn einen Sitz im Beirat der Hoesch-Hüttenwerke freigeschlagen hatte, wich der Beamte. Sein Posten als stellvertretender Auf sichtsratsvorsitzender der Hoesch AG war den Gewerkschaften für Harald Koch repräsentativ genug.

Damit war Aufsichtsrat-Chef Janberg noch nicht am Ziel seiner Wünsche. Denn obwohl Willy Ochel, praktizierender Protestant, Hoesch-müde war ("Ich habe soviel Aufgaben in der Kirche"), fühlte er sich munter genug für einen Posten im Aufsichtsrat. Und auf die Frage, ob er als einfaches Mitglied in das Aufsichtsgremium eintreten wolle, antwortete er bündig mit »nein«.

Da dämmerte es dem Organisator Janberg' dessen Deutsche Bank seit Jahren dem Hoesch-Aufsichtsrat vorsitzt, daß nun er selbst ein Opfer bringen müsse. Um das Posten-Karussell in Gang setzen zu können, bot der Bankier seinen eigenen Platz an, und Ochel akzeptierte.

Hoeschs Aktionäre sind deshalb aufgerufen, auf ihrer Hauptversammlung am 15. Mai ihren alten Generaldirektor Ochel zum Aufsichtsratsvorsitzenden und ihren alten Aufsichtsratsvorsitzenden Janberg zu einem der Stellvertreter zu wählen.

Auf Ochels Platz als Konzernboß In Dortmund rückt Dr.-Ing. Dr. phil. Fritz Harders, 59. Der Lehrersohn aus Mannheim war Anfang der fünfziger Jahre als Cheftechniker in die Dortmund-Hörder Hüttenunion (DHHU) eingetreten. 1966 hatte Willy Ochel die Firma dem Hoesch-Konzern einverleibt.

Harders geht der Ruf voraus, knochenhart zu sein. Seit seinem Eintritt bei Hoesch hat er jeden achten Hoesch-Beschäftigten vor das Werkstor rationalisiert. Überdies gilt der gern lateinisch parlierende Harders an der Ruhr als »amicus caesaris": Er ist ein Freund des Deutsche-Bank-Cäsar Hermann Josef Abs.

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