Katalysator: Europa-Diktat für Zimmermann
Im Karneval ließ sich der Umweltminister feiern. Narren aus Waldfischbach in der Pfalz schmückten den Bayern Friedrich Zimmermann in seinem Ministerium mit einem Orden. Aufschrift: »Das Blei muß raus, spricht Zimmermann, Europa hindert ihn daran«.
»Jawohl«, bekannte der Minister markig, »das Motto stimmt.« So nämlich sieht sich der Fritz Zimmermann: als Retter des deutschen Waldes; als Umweltkämpfer, dessen Kreise von Franzosen und Italienern gestört werden und der am Ende doch obsiegen wird.
Auf dem Weg zu diesem Endsieg mußte der Streiter für saubere Autos bisher eine Schlappe nach der anderen wegstecken. Erst verkündete Zimmermann fest, von Januar 1986 an würden in der Bundesrepublik nur noch entgiftete Neuwagen zugelassen. Wenn nötig, würde dies auch ohne die Zustimmung der übrigen Europäer geschehen. So beschloß es auch das Kabinett. Doch der kühne Plan ist längst vergessen.
Heute gibt es einen Kabinettsbeschluß, der die obligatorische Einführung des umweltfreundlicheren Autos von 1988/89 an vorsieht. Aber auch diese Termine sind längst hinfällig. Von einem Alleingang in Europa redet Zimmermann längst nicht mehr. Er hat sich ganz der Aufgabe gewidmet, die Autokäufer erst mal durch finanzielle Anreize freiwillig zum Wechsel auf Katalysator-Modelle zu bewegen.
Entschieden focht der Umweltminister im vergangenen Jahr dafür, die Autokäufer mit einer Barprämie in Höhe der Katalysator-Mehrkosten zum Erwerb von Umweltautos zu ködern. Einen Sommer lang stritt die Koalition über diese Idee, dann hatte Finanzminister Gerhard Stoltenberg gesiegt. Zimmermann mußte ein kostenneutrales, kompliziertes System von Steuervergünstigungen für abgasarme und Steuerbelastungen für giftstreuende Autos hinnehmen. Diesen Plan genehmigte das Kabinett vor wenigen Wochen.
Nun steht der Umweltminister vor neuen Niederlagen, und er weiß es auch. Die Europäer, allen voran Franzosen und Italiener, werden ihn zwingen, Kleinwagen bis 1400 Kubikzentimeter Hubraum von der strengen Abgasreduzierung auszunehmen und seinen Zeitplan bis ins nächste Jahrzehnt zu strecken. Am peinlichsten für die Regierung Kohl und den Umweltminister: Auch die gerade beschlossenen Steuerbegünstigungen müssen den Wünschen der Europäer angepaßt werden. »Wir sind«, untertreibt Kanzleramtsminister Wolfgang Schäuble, »in einer nicht leichten Verhandlungssituation.«
Das ist die Lage: Auf dem heimischen Automobilmarkt registriert BMW-Chef
Eberhard von Kuenheim nach dem anhaltenden Gezerre um den Katalysator eine »sehr massive und anhaltende Verunsicherung der Käufer«. Kuenheim und die anderen Automobilchefs sind schwer vergrätzt über das Mißmanagement der Wenderegierung. Der BMW-Chef: »Seit zwei Jahren wird geredet, geredet, aber nicht entschieden.«
Gänzlich unterschätzt hat der flinke Zimmermann offenkundig den Widerstand der Europäer.
Am 7. Dezember vorigen Jahres hatte der deutsche Innenminister in Brüssel den Umweltministerrat platzen lassen, weil die Kollegen aus Rom und Paris weder dem deutschen Zeitplan zur Einführung des abgasarmen Autos noch den Grenzwerten zustimmen mochten. Die Minister beauftragten eine »Kommission hoher Beamter« damit, einen Ausweg aus dem Dilemma zu suchen.
Diese Kommission legte am 4. Februar einen »Report« vor, gespickt mit Fußnoten, abweichenden Meinungen und eckigen Klammern für noch offene Punkte.
Aus diesem Dokument läßt sich immerhin eine kompromißfähige Linie herauslesen. Die hohen Beamten schlagen vor: *___Vom 1. 10. 1988 oder 1989 an gelten in der EG für neue ____Autotypen mit einem Hubraum von über 2000 ____Kubikzentimetern die scharfen US-Abgasgrenzwerte. Damit ____wird eine Verminderung der Schadstoffe um 90 Prozent ____erreicht. Ein Jahr später gilt die Vorschrift für alle ____fabrikneuen Fahrzeuge dieser Größenordnung, also auch ____für seit langem produzierte Typen. *___Irgendwann zwischen dem 1. 1. 1989 und dem 1. 10. 1992 ____sollen zusätzlich alle neuen Wagen mit einem Hubraum ____von 1400 bis 2000 Kubikzentimetern den strengen ____US-Normen unterworfen werden, die zur Zeit nur durch ____den Einbau eines Katalysators erreicht werden können ____(Seite 209). *___Autos unter 1400 Kubikzentimetern fallen aus diesem ____System heraus. Sie müssen lediglich Normen erfüllen, ____die ohne Katalysator erreichbar sind und etwa 50 bis 60 ____Prozent Abgasreduktion bringen. Bis Ende 1987 soll der ____EG-Ministerrat prüfen, ob eine Verschärfung dieser ____Werte aufgrund des erreichten technischen Fortschritts ____möglich ist.
Der Bonner Umweltminister hat inzwischen erkannt, daß er einen Kompromiß auf dieser Linie hinnehmen muß. Doch noch gestehen Zimmermann und sein Kanzler nicht ein, daß mit einer solchen Vereinbarung das steuerliche Anreizsystem teilweise fallen muß - ein peinlicher Gesichtsverlust für die Bonner Umweltschützer.
Wenn für Wagen unter 1400 Kubikzentimeter Hubraum die harten US-Werte nie EG-Recht werden, dann können Italiener und Franzosen nicht hinnehmen, daß es für Kleinwagen mit Katalysator in der Bundesrepublik massive Steuervorteile gibt. Das nämlich würde die ausländischen Autobauer zwingen, ausschließlich für den deutschen Markt solche Autos anzubieten - ein teures Unterfangen.
Dennoch reden die Bonner noch so, als könnten sie frei entscheiden. Wirtschaftsminister Martin Bangemann meinte, notfalls werde Bonn wenigstens bei den Steuerpräferenzen den Alleingang wagen. Und Zimmermann glaubt, die Zeit arbeite für ihn.
Doch der Minister irrt. Um ein zusätzliches Druckmittel in die Hand zu bekommen, haben die Franzosen am 30. Januar durch eine »ausführliche Stellungnahme« in Brüssel die Bonner Steuerbegünstigungen für Umweltautos erst mal für mindestens drei Monate blockiert. Begründung: ihre Autos würden diskriminiert, der Gemeinsame Markt sei »bedroht«.
Sollte der Bundesrat dennoch wie geplant am 22. März die neue Fassung der Straßenverkehrszulassungsordnung mit den Steuervorteilen verabschieden, wäre dies ein Affront gegen Paris, den Helmut Kohl sich nicht leisten kann. Er erwartet von Frankreich schließlich Entgegenkommen in der EG-Agrarpolitik. Außenminister Hans-Dietrich Genscher: »Wir haben zu viele Konflikte mit Frankreich.«
Läßt der Kanzler die Neuregelung aber einfach im Aktenschrank liegen, nährt er den Verdacht, seine Regierung bringe im Umweltschutz nichts zustande. Bei der Begegnung mit Staatspräsident Francois Mitterrand wird Helmut Kohl daher seinen französischen Freund drängen, den Einspruch zurückzunehmen.
Dafür aber muß Kohl etwas bieten. Das kann nur der Verzicht auf die steuerliche Begünstigung kleiner Katalysatorautos sein. Paris und Rom würden an Stelle dieser Steuervorteile höchstens einen Bonus für solche Kleinwagen hinnehmen, die deutlich geringere Abgaswerte vorweisen können als bisher üblich; doch dieser Bonus müßte geringer ausfallen als die bis jetzt geplante Steuervergünstigung.
Die nächsten Wochen jedenfalls werden dem Autopublikum immer neue Nachrichten von der Katalysator-Szene liefern. Die Verwirrung bei der Kundschaft der Autofirmen dürfte eher zu- als abnehmen.
So spricht auch alles dafür, daß die Bundesbürger ihre Wartestrategie fortsetzen und daß die Autofirmen im Inland weiterhin rückläufige Auftragseingänge, in der Branche als »Zimmermann-Knick« bekannt, registrieren. In manchen Autofabriken werden bereits Pläne für Kurzarbeit erstellt.
Daß ihnen dies alles eine konservative Regierung bescherte, können die Automanager immer noch nicht fassen. _(Mit »Bleifrei-Orden«. )
Mit »Bleifrei-Orden«.