HITLER Kein Ariernachweis
Adolf Hitler hat als Knabe weder Frösche auf ein Brett genagelt noch Vögeln die Federn ausgerissen. Er ist auch nicht dabei ertappt worden, daß er während einer Kommunion die Hostie ausspuckte.
Hitlers Mutter Klara, geborene Pölzl, war keine Klatschbase, Vater Alois kein Säufer.
Der 1889 geborene Adolf Hitler war ein schlechter Mittelschüler, auch in seinem Lieblingsfach, der Geschichte, erzielte er im günstigsten Fall die Note »genügend«. Er war auch niemals armer Hilfsarbeiter in Wien, wie er in seinem Buch »Mein Kampf« behauptete. Vielmehr verzehrte er eine Waisenrente und mehrere kleine Erbschaften.
Feststellungen von solcher und ähnlicher Bedeutsamkeit finden sich in einem Buch über »Hitlers Jugend« *, das der pensionierte Landesarchivar von Oberösterreich, Dr. Franz Jetzinger, kürzlich veröffentlicht hat. Jetzinger - »Ich habe ... nur die lautere Wahrheit geschrieben« - erhebt in diesem Buch den Anspruch, mit der Unvoreingenommenheit des Historikers gearbeitet zu haben, der sowohl die entlastenden wie die belastenden Ergebnisse seiner Nachforschungen mitteilt. Er habe, wie er kundtut, »gegen hundert einwandfrei echte, bisher unbekannte Dokumente und Belege, betreffend die Jugend Hitlers, gesammelt«.
Zu seinen Plänen, ein BUch »betreffend die Jugend Hitlers' zu schreiben, 'ist der damalige Landesarchivar Jetzinger auf eine fast zufällige Weise gekommen. Der in Braunau geborene Jetzinger war von 1919 bis 1934 sozialdemokratischer Abgeordneter im Wahlkreis Innviertel und anschließend Mitglied der Landesregierung von Oberösterreich. Bereits um diese Zeit interessierte er sich für das Vorleben seines prominenten Landsmannes.
Ein alter Braunauer hatte Jetzinger gegenüber verlauten lassen, nach seiner Ansicht sei Hitler so etwas wie ein Deserteur gewesen. Jetzinger ließ sich daher die Militärakte Hitlers vorlegen, die einiges Belastende über den angehenden Führer des Großdeutschen Reiches enthielt. Als Hitler nach dem sogenannten »Anschluß' Österreichs 1938 zum erstenmal nach Linz kam, verlangte er - laut Jetzinger - sofort von dem Linzer Gauleiter Eigruber: »Sie, hier in Linz muß ein mich betreffender Militärakt liegen; dieser Akt ist mir auszufolgen, mir persönlich.«
Eigruber konnte dem Befehl seines Führers nicht nachkommen: Die Akte war verschwunden. Im Zuge angestrengter und jahrelanger Ermittlungen wurde 1943 sogar Jetzinger beauftragt, nach ihr zu suchen. »Die Situation war jetzt zum Lachen«, berichtet Jetzinger. »Ich hätte binnen einer Stunde den Akt vorlegen können.' Er lag auf dem Grunde einer Kiste auf Jetzingers Dachboden.
Jetzinger hütete sich durchaus, seinen Schatz zu verraten: Nach Kriegsende wurde der Militärakt erster Grundstock für seine Forschungen über Hitlers Vergangenheit.
Nun kann allerdings nicht alles, was Jetzinger über Hitlers Jugend ausgeforscht hat, als wesentlicher Beitrag zur Charakteristik des jungen Hitler dienen. Der österreichische Archivar rechnet dem späteren Diktator manches auf, was ohne Zweifel im Sündenregister fast aller Knaben zu finden wäre.
So hat sich Jetzinger zum Beispiel mit dem Ehepaar Lugert unterhalten, das im Jahre 1904 die Patenschaft bei der Firmung des 14jährigen, bereits vaterlosen Adolf übernommen hatte. Heute scheint dem ehemaligen Zollbeamten Emanuel Lugert vieles verdächtig, was er 1904 an dem Firmling Adolf beobachten mußte.
Pate Lugert hatte seinem Firmling zum Beispiel eine kostspielige Fahrt in einem Zweispänner spendiert. »Da wird der Junge wohl eine große Freude gehabt haben?« fragte Jetzinger. Dem Firmpaten Lugert aber scheint noch heute, daß der für die Benutzung des Zweispänners erlegte Betrag weggeworfenes Geld gewesen sei: »Das ist jetzt das Merkwürdige, unter allen meinen Firmlingen hatte ich keinen derart mürrischen und verstockten wie diesen, um jedes Wort mußte man ihm hineinsteigen.« Lugert erinnert sich: »Als wir schließlich . . . ankamen, erwartete ihn (Hitler) schon ein Rudel Buben. Adolf verduftete schnell, er hatte anscheinend schon Sehnsucht nach seinen Spielkameraden.«
Die Militärakte
Noch Jahrzehnte nach dem Ereignis beklagt sich Frau Lugert über den Indianerlärm, den Adolf mit seinen Freunden vor dem Haus vollführt habe. »Den Buben hätte man unmöglich gern haben können, er hat alleweil so finster dreingeschaut und hat nicht ja und nicht nein gesagt«, erläutert Frau Lugert.
Aufschlußreicher als Jetzingers Ermittlungen darüber, ob Hitler Frösche aufgeblasen oder allzu laut auf der Straße Indianer gespielt habe, sind dagegen die Fakten, die sich aus dem sorgsam versteckten Militärakt ablesen lassen. Sie machen klar, warum Hitler diese Akte unter allen Umständen in seinen Besitz bekommen wollte.
Die Akten besagen, daß sich Hitler zu der Zeit, in der er militärpflichtig wurde, nicht in die Stammrolle eintragen ließ: Er erschien im Spätherbst 1909 weder in Wien, wo er lebte noch in seiner Heimatgemeinde Linz zur »Verzeichnung im militärischen Stellungsregister«. Auch in den folgenden Jahren meldete er sich nicht, und die Behörde konnte seinen Aufenthalt nicht ermitteln. 1913 ging er ins Ausland, nach München.
Durch diesen Grenzübertritt als »Stellungsflüchtiger« verstieß Hitler ein zweitesmal gegen geltendes österreichisches Recht. Jetzinger: »Er machte sich also dadurch, daß er ins Ausland ging, eines Doppeldeliktes schuldig, das sowohl im Wehrgesetz von 1889 als auch in dem von 1912 mit strengem Arrest bis zu einem Jahr und außerdem mit einer Geldstrafe bis zu 2000 Kronen bedroht war.«
In München meldete sich der Österreicher Hitler als staatenlos, aber die Bürokratie seines Vaterlandes kam ihm dennoch auf die Spur. Hitlers Vormund, seine Schwestern und seine ehemaligen Quartiergeber wurden in Wien »einvernommen": Im Januar 1914 erschien bei Hitler in München ein Polizist, drückte ihm eine Stellungsvorladung in die Hand und arretierte ihn. Zwangsweise wurde er dem Konsulat vorgeführt. Von dort aus bat Hitler telegraphisch in Linz um Aufschub. Die Antwort lautete: »Hat am 20. Jänner zu erscheinen!« Dieses Telegramm kam allerdings bei Hitler erst einen Tag nach dem Termin an, zu dem er sich in Linz melden sollte.
In seiner Bedrängnis verfaßte Hitler auf dreieinhalb Großbogenseiten einen Rechtfertigungsbrief an den Linzer Magistrat. Er schrieb, daß er zwar im Herbst 1909 die fällige Meldung versäumt, sie aber im Februar 1910 nachgeholt habe. Er habe ein Protokoll oder Gesuch unterschrieben, eine Krone bezahlt und nie wieder etwas von der Sache gehört. Er beteuerte: »Es konnte mir jedoch nie einfallen, mich der Stellung zu entziehen, so wenig als ich mich etwa zu diesem Zwecke in München befinde.«
Über weite Strecken liest sich der Rechtfertigungsbrief bereits wie eine Vorübung zu »Mein Kampf": In höchst mangelhafter Orthographie erläutert der »stellungsflüchtige« Hitler dem Linzer Magistrat, warum er nicht pünktlich bei der Militärbehörde erscheinen konnte, und nutzt die kaum sehr angemessene Gelegenheit, in aller Breite seine Lebensumstände darzustellen: »Da Sonntags alles geschlossen, am Montag aber, wie überhaupt an allen den Feiertagen nachfolgenden Wochentagen in ganz Deutschland Geschäfte erst 9 h Büros jedoch (auch solche der Staatsämter) erst 10 h geöffnet werden, ich jedoch schon längstens Nachmittags hätte abfahren müssen, so wäre mir kaum die Zeit zur einfachsten körperlichen Reinigung, etwa einem Bade, geblieben.
»Der Hauptgrund jedoch der mir die Befolgung der Vorladung unmöglich machte war der, daß es mir nicht gelingen konnte, innerhalb dieser kurzen, kaum 6 Stunden betragenden Frist, die dazu benötigten zumindest für mich immerhin beträchtlichen Geldmittel aufzubringen.
»Ich werde in der Vorladung als Kunstmaler bezeichnet. Führe ich auch diesen Titel zu Recht, so ist er aber dennoch nur bedingt richtig. Wohl verdiene ich mir meinen Unterhalt als selbständiger Kunstmaler jedoch nur, um mir, da ich ja gänzlich vermögenslos bin, (mein Vater war Staatsbeamter) meine weitere Fortbildung zu ermöglichen. Nur einen Bruchteil meiner Zeit kann ich zum Broterwerb verwenden, da ich mich als Architektur Maler noch immer erst ausbilde. So ist den auch mein Einkommen nur ein sehr bescheidenes, gerade so groß daß ich eben mein Auskommen finde . . . »
So wie er später die meisten seiner Reden mit der Schilderung seiner Vergangenheit begann, ließ sich Hitler in seinem Gesuch aus dem Jahre 1914 bereits auf eine breite Darlegung seiner verflossenen Lebensumstände ein. Sie gehörten hier so wenig zur Sache wie später am Rednerpult:
»Und was meine Unterlassungssünde im Herbst 1909 anlangt, so war dies eine für mich unendlich bittere Zeit«, erläutert der damals bereits 24jährige Hitler dem Linzer Magistrat in einem Ton, als hätte er sich wegen Mundraubs zu verantworten. »Ich war ein junger unerfahrener Mensch, ohne jede Geldhilfe und auch zu stolz eine solche auch nur von irgend jemand anzunehmen geschweige den zu erbitten. Ohne jede Unterstützung nur auf mich selbst gestellt, langten die wenigen Kronen oft auch nur Heller aus dem Erlös meiner Arbeiten kaum für meine Schlafstelle. Zwei Jahre lang hatte ich keine andere Freundin als Sorge und Not, keinen anderen Begleiter als ewigen unstillbaren Hunger. Ich habe das schöne Wort Jugend nie kennen gelernt. Heute noch nach 5 Jahren sind die Andenken in Form von Frostbeulen an Fingern. Händen und Füßen.
»Und doch kann ich nicht ohne gewisse Freude mich dieser Zeit erinnern, jetzt da ich doch über das Ärgste empor bin. Trotz größter Not, inmitten einer oft mehr als zweifelhaften Umgebung, habe ich meinen Namen stets anständig erhalten, bin ganz unbescholten vor dem Gesetz und rein vor meinem Gewissen bis auf jene unterlassene Militärmeldung, die ich damals nicht einmal kannte. Es ist das Einzige wofür ich mich verantwortlich fühle. Und dafür dürfte wohl auch eine bescheidene Geldstrafe Sühne genügend bieten, und ich werde mich nicht weigern eine solche willig zu leisten.«
Ein Freund des Gesanges
Jetzinger zensiert das Schreiben: »In seiner äußeren Form entspricht dieser Brief des damals schon bald 25jährigen Hitlers ganz der Note, die er als Mittelschüler in seinem letzten Schulzeugnis erhalten hatte, nämlich: Äußere Form der schriftlichen Arbeiten mindergefällig«... Er hat noch immer keine Ahnung, wohin ein Beistrich gehört, verwechselt noch immer das mit daß, denn mit den, ließ mit lies und so weiter . . . Besonders kennzeichnend für seine beschränkte geistige Verfassung ist der vollständige Mangel des Gefühls für das, was wichtig und was nebensächlich ist . . . »
Hitler brauchte nach diesem Brief nicht mehr nach Linz zu fahren, er durfte sich im leichter erreichbaren Salzburg stellen und wurde dort als »zu schwach« ausgemustert. Sechs Monate später, bei Ausbruch des ersten Weltkriegs, meldete sich Hitler sofort freiwillig beim deutschen Heer.
Dennoch ist der Archivrat Jetzinger nicht so schnell bereit, dem in Österreich »stellungsflüchtigen«, beim deutschen Heer kriegsfreiwilligen Hitler seine orthographischen Fehler nachzusehen: Jetzingers Buch hat zuweilen den besorgten Tonfall eines Lehrers, der bei einem Schüler sichere Anzeichen dafür entdeckt, daß der es nie zu etwas bringen werde.
Als leuchtendes Beispiel für den mißratenen Sohn zitiert Jetzinger ausführlich den lobenden Nachruf, den eine österreichische Zeitung zum Tode von Hitlers Vater im Jahre 1903 veröffentlichte: Vater Alois, der als Schuhmacherlehrling begann, hatte es bis zum k. u. k. Zollamtsoberoffizial und, nach seiner Pensionierung, sogar zum Besitzer eines bescheidenen Gutes gebracht.
Die Nachricht, daß Vater Alois beim Frühschoppen von einer Lungenblutung dahingerafft worden war, wurde damals in der freisinnigen Linzer Zeitung »Tagespost« kommentiert: »Wir haben einen guten Mann begraben - dies können wir mit Recht sagen.« Das Blatt schilderte den Verblichenen: »Fiel auch ab und zu ein schroffes Wort aus seinem Munde, unter einer rauhen Hülle barg sich ein gutes Herz
Ein Freund des Gesanges, fühlte er sich glücklich inmitten sangesfroher Brüder. Auf dem Gebiete der Bienenzucht war er eine Autorität.«
An Hand von zwei aufgefundenen Eingaben der Bienenzuchter-Koryphäe Alois Hitler tadelte Jetzinger: »Orthographie und Stilisierung dieser beiden Schriftstücke... sind einwandfrei, sogar die Beistriche richtig gesetzt . . . Der Vergleich mit den Schriftstücken seines Vaters ist geradezu vernichtend für den Sohn.«
Dennoch möchte Jetzinger an diesem Mann, am Vater Alois Hitler, die Möglichkeit erhärten, daß der spätere Führer des Großdeutschen Reiches wahrscheinlich Vierteljude gewesen sei. Jetzinger behauptet zwar nicht, ein solches jüdisches Erbteil definitiv nachgewiesen zu haben. Aber er hat sorgsam zusammengetragen, was nach seiner Ansicht die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß Hitlers Großvater Jude gewesen ist. Den endgültigen Beweis möchte der vorsichtige Jetzinger aber den österreichischen Heimatforschern überlassen.
Fest steht, daß Adolf Hitler den Ariernachweis, den er den meisten Deutschen abverlangte, für seine Person kaum hätte erbringen können. Sein Großvater väterlicherseits ist unbekannt.
Adolf Hitler wurde am 20. April 1889 in Braunau am Inn geboren. Sein Vater war der damalige k. u. k. Zollamtsoffizial Alois Hitler (1837 bis 1903). Hitlers Mutter Klara, geborene Pölzl (1860 bis 1907), war die dritte und letzte Frau des Alois.
Mutter Hitler war eheliches Kind einer Bauernfamilie. Die Abkunft von Vater Hitler dagegen ist ungeklärt.
Hitlers Großmutter väterlicherseits, Maria Anna Schicklgruber, brachte 1837, 41jährig, in ihrem Heimatdorf Strones im Pfarrbezirk Döllersheim (Niederösterreich) einen unehelichen Sohn zur Welt der Alois getauft wurde. Die Maria Anna war schwanger in ihr Heimatdorf zurückgekehrt; sie kam wahrscheinlich aus Graz, wo sie bei einer Familie als Köchin gedient haben soll.
Jetzinger hält sich hier an die Aufzeichnungen, die der ehemalige Reichsminister und Generalgouverneur für Polen, Hans Frank, in der Nürnberger Haft gemacht hat. Frank berichtete, der neunzehnjährige Sohn einer jüdischen Familie Frankenberger, bei der Anna Maria Schicklgruber als Köchin arbeitete, habe von der Geburt des Alois Schicklgruber an bis zu dessen 14. Lebensjahr an die Mutter des Kindes und ehemalige Hausangestellte Alimente gezahlt. Die Zahlung von Alimenten, so behauptete Frank - und Jetzinger glaubt es ihm -, habe der Enkel Adolf Hitler nicht geleugnet. Trotzdem habe er bestritten, von dem Grazer Juden abzustammen. Die Maria Anna und ihr späterer Mann, Johann Georg Hiedler, hätten vielmehr den zahlungsfähigen Juden wider besseres Wissen als Vater angegeben.
Maria Anna Schicklgruber und Johann Georg Hiedler heirateten 1842. Damals war Alois, das Kind der Braut, beinahe fünf Jahre alt. Sohn Alois behielt auch nach dieser Heirat den Namen Schicklgruber, er wurde nicht legitimiert.
Erst im Jahre 1877, als er bereits 40 Jahre alt und Zollbeamter war, überraschte Alois (oder Aloys, wie er seinen Namen zuweilen schrieb) seine Kollegen mit der Eröffnung, das er sich fortan Hiedler nennen werde.
In diesem Jahr war etwas offenbar nicht ganz Legitimes geschehen. Johann Georg Hiedler - die Schreibweise des Familiennamens wechselte ständig zwischen Hitler, Hittler und Hiedler -hatte gewissermaßen 20 Jahre nach seinem Tode, 30 Jahre nach dem Tode seiner Frau, 35 Jahre nach seiner Hochzeit, 40 Jahre nach der Geburt des Alois diesen Alois als legitimes Kind anerkannt.
Es waren nämlich 1877 im Pfarramt Döllersheim drei Zeugen aufgetreten, die bekundeten, Johann Georg Hitler hätte den vorehelichen Sohn seiner Frau schon immer als seinen Sohn anerkennen wollen, sei aber an einer Bekundung dieses Willens durch widrige Umstände stets gehindert gewesen. Die Zeugen überredeten den Pastor, nachträglich eine entsprechende Eintragung in die Taufmatrik des Alois zu machen.
Kommentiert Jetzinger: »Die drei Zeugen sind unglaubwürdig, sie konnten die Wahrheit gar nicht wissen . . . Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß die Maria Anna fern von ihrer Heimat, als sie noch im Dienst stand, in die Hoffnung kam, vielleicht in Wien oder, wie Frank berichtet, in Graz; dann konnte der Johann Georg (Hitler), der sich damals irgendwo im Waldviertel herumtrieb, unmöglich der Kindesvater sein.«
»Der Zollbeamte Schicklgruber«, folgert der Autor, »stammte daher auch faktisch nicht von den Hitlerischen, war kein Hitler und somit (war es) auch sein Sohn Adolf nicht! Der Pfarrer wurde offensichtlich getäuscht.«
Als Motiv für die angebliche Fälschung der Taufmatrik erzählt Jetzinger eine etwas umständliche Geschichte: Er macht für die nach seiner Ansicht falsche Bekundung einen Mann namens Johann Nepomuk Hiedler verantwortlich. Johann Nepomuk Hiedler war ein jüngerer Bruder des Johann Georg und spielte für dessen Sohn oder Nicht-Sohn Alois die Rolle des Ziehvaters: Sogleich nach ihrer Hochzeit gab die Schicklgruber ihr uneheliches Kind Alois bei Johann Nepomuk Hiedler, ihrem Schwager, in Pflege.
Jetzinger: »Es kränkte ihn (Johann Nepomuk Hiedler), daß sein Ziehsohn Alois, auf den er mächtig stolz war, weil er es zu etwas gebracht hatte, den Namen einer Familie (Schicklgruber) trug, zu der er, Nepomuk, in keiner Beziehung stand, die keinerlei Ansehen mehr genoß und die auch für den Buben nichts geleistet hatte, während er es doch war, der ihn auf seine Kosten großgezogen hatte. Sein sehnlichster Wunsch war daher, daß sein Ziehsohn auch seinen Namen trage. Das konnte er nur erreichen, wenn er ihn als den Sohn seines Bruders ausgab . . . »
Jetzinger gesteht zu, daß ihm für seine Theorie, Alois Hitler sei Halbjude, zwei Beweise fehlen:
- Alimentenzahlungen eines jungen Frankenberger oder eines anderen an die Schicklgruber sind nicht nachzuweisen;
- ob die Dienstgeber der Maria Anna Juden waren, ist Jetzinger unbekannt.
Der Name Frankenberger, schreibt Jetzinger, klinge nicht einmal jüdisch. Als Variante erwähnt Jetzinger, daß William Patrick Hitler, Sohn eines Halbbruders von Adolf Hitler*, 1939 im »Paris-Soir« geschrieben habe, der Grazer Dienstgeber der Großmutter Schicklgruber habe nicht Frankenberger, sondern Leopold Frankenreiter geheißen. Dieser Name, setzt Jetzinger hinzu, klinge ebenfalls nicht jüdisch.
Dennoch schließt Jetzinger, daß »einige Wahrscheinlichkeit« für einen jüdischen Großvater Hitlers spreche, und ermuntert die Grazer Heimatforscher, diese Wahrscheinlichkeit in Sicherheit umzuwandeln.
Bayrische Ahnen?
Bis dahin rechnet Jetzinger getrost damit, der Führer der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei sei Vierteljude gewesen, und erklärt aus solcher Abstammung dessen politischen Erfolg: »Und die Juden beherrschen die Gabe überzeugender Rede, sie können reden, nicht etwa bloß die Handelsjuden! Schon die ganz alten Führer und Wegweiser der Juden, die wir wenig zutreffend Propheten' nennen, verfügten über eine Sprachgewalt, über die man, wenn man sie in ihrer Ursprache liest, staunen muß und noch weit mehr, die einen sogar heute noch packt und wärmt, während Demosthenes und Cicero uns heute ziemlich kalt lassen.«
In den letzten Wochen hat sich nun der Dozent für Neue Geschichte an der Universität Graz, Dr. Nikolaus Preradovic, daran gemacht, die von Jetzinger übernommenen Angaben des ehemaligen Generalgouverneurs Frank zu überprüfen. Preradovic - er ist Neffe der Paula von Preradovic, Dichterin der österreichischen Bundeshymne - stellte fest, daß in den Büchern der jüdischen Kultusgemeinde von Graz weder ein Frankenberger noch ein Frankenreiter verzeichnet ist. Man forschte, der Sicherheit wegen, sogar nach dem Namen Frankfurter, aber auch dieser Name kam nicht vor.
Die Bücher der jüdischen Gemeinde in Graz reichen allerdings nur bis auf das Jahr 1856 zurück. Adolf Hitlers Vater Alois wurde bereits 1837 geboren. Um diese Zeit aber, so konnte Preradovic nachweisen, lebte nicht nur in Graz, sondern In der gesamten Steiermark kein einziger Jude: Die Juden waren 1496 aus der Steiermark vertrieben worden und durften sich dort erst seit 1856 wieder ansiedeln. Nur in den Jahren von 1781 bis 1790 war es ihnen erlaubt gewesen, sich jeweils zum Jahrmarkt 24 Stunden in der Steiermark aufzuhalten.
Ein Frankenberger kommt auch in den Grazer Einwohnerlisten jener Zeit nicht vor. Wohl aber entdeckten die Forscher jenen Leopold Frankenreiter, der von Hitlers Neffen William Patrick als Dienstherr von Hitlers Großmutter namhaft gemacht worden war. Dienstherr Frankenreiter, Sohn eines katholischen Schusters aus Bayern, war 1795 ebenfalls in Bayern geboren worden und nach Graz übergesiedelt, wo er den Beruf eines Fleischhauers und Flecksieders ausübte.
Sein Sohn - nach Jetzinger der mutmaßliche Großvater Hitlers - war im Jahre 1837, als die damals 41jährige Köchin Schicklgruber in die Wochen kam, zehn Jahre alt. Kommentiert Preradovic: »Ein bemerkenswert frühreifer Knabe.«
* Franz Jetzinger: »Hitlers Jugend«; Europa-Verlag, Wien und Stuttgart; 308 Seiten; 12,60 Mark.
* Hitlers Vater war dreimal verheiratet und hatte Kinder aus seiner zweiten und dritten Ehe.
Ehefrau Klara Hitler Der Ziehsohn trug ...
Zollamtsoberoffizial Alois Hitler ... den Namen Schicklgruber
Knabe Adolf Hitler
»Alleweil finster dreingeschaut«
Historiker von Preradovic Wer war Hitlers Großvater?