Kein Klima für Wechsel oder Wende
Widersprüchliche Prozente über die Stärke der Parteien und nahezu wertlose Kurzmeldungen über die Volksmeinung zu all und jedem sind das einzige, was der Durchschnittsdeutsche von der Meinungsforschung wahrnimmt.
Dabei zeigen gerade in diesem Jahr etliche, bis heute nicht veröffentlichte politische Umfragen, daß die Institute mehr vorzuweisen haben als flüchtige Momentaufnahmen, die noch dazu oft verwackeln.
Die Umfragen runden sich zu einem Porträt des Bundesbürgers im Jahre 1978 (siehe Graphiken). Es ist aufschlußreich im ganzen wie in vielen Details.
Lange vor der Wahl in Hessen zeigten Infratest-Umfragen zum Beispiel, daß die neuen Umwelt-Parteien dort keine Chance haben würden. Und sie zeigten auch, daß der Radikalenerlaß die Deutschen intensiver und in einem ganz anderen Sinn beschäftigt, als es die CDU-Wahlkämpfer vermuteten.
Im Juni, als Grüne und Bunte bei den Wahlen in Hamburg und Niedersachsen überraschend gut abschnitten. wiederholte das Infratest-Institut einige Fragen, die es acht Monate zuvor schon einmal gestellt hatte. Es zeigte sich, daß entgegen nahezu einhelliger öffentlicher Meinung der Trend der Grünen nicht mehr aufwärts, sondern schon abwärts ging:
Nicht mehr 17, sondern nur noch 9 Prozent wollten sie »vielleicht wählen«, und »auf jeden Fall« waren dazu nicht mehr 9, sondern nur noch 2 Prozent bereit.
Die Umfragen zeigten außerdem, daß die Grünen ein Potential, das sie hei Wahlen in die Nähe eines Fünf-Prozent-Anteils bringen konnte, auch in ihren besten Zeiten nur im Norden und nie im Süden hatten. Erfolge wie in Niedersachsen und in Hamburg waren südlich des Mains zu keiner Zeit zu erwarten.
Die Demoskopen rechneten auch nicht damit, daß in der letzten Woche vor der Hessenwahl das plötzlich aufgekommene Thema »Radikalenerlaß« noch viele Leute bewegen konnte, die Partei ihrer Wahl zu wechseln.
Nach ziemlich einhelliger Ansicht der Wahlforscher muß ein Thema schon überaus brisant sein, um dies so kurz vor der Wahl zu erreichen.
Aber es gibt noch einen anderen, gewichtigeren Grund dafür, daß die Versuche der CDU, den Hessen Furcht vor Radikalen einzujagen, an den Wählern »abgelaufen sind wie Wasser an der Ente« -- so Bundeskanzler Helmut Schmidt am Wahlabend.
Nur der Anlaß (die Äußerungen des Hamburger Bürgermeisters Hans-Ulrich Klose), nicht das Thema war für die Hessen neu. Schon im Juni/Juli 1978 hatten 73 Prozent der Bundesbürger »von den Diskussionen über den Radikalenerlaß gehört« (so ein Infratest-Ergebnis). Eine so große Mehrheit ist bei politischen Themen selten.
Es ist ein erregendes Thema für die Deutschen, aber weniger, weil sie die Radikalen schrecken, als vielmehr, weil sie um die Freiheit fürchten, von der ein Stück verlorengehen könnte bei der allzu rigorosen Abwehr von Feinden des Staates.
Vor allem unter der Jugend, aber bis in das Wählerpotential der CDU/CSU hinein gibt es Sympathie für den in der SPD seit langem lebendigen Gedanken, die Überprüfungspraxis zu ändern und zu beschränken.
Das zeigten die Antworten auf die Infratest- Frage:
»Nach Meinung der SPD geht das derzeitige Überprüfungsverfahren bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst oft zu weit. Die SPD möchte daher, daß die Überprüfungsmaßnahmen auf Bereiche beschränkt werden, wo die Sicherheit unseres Staates betroffen ist. Halten Sie solch eine Änderung für richtig, oder sind Sie dagegen?«
Ergebnis: 48 Prozent der Befragten bejahten eine Änderung, 22 Prozent waren dagegen, 28 Prozent hatten kein Urteil.
Und obwohl in der Frage die SPD ausdrücklich genannt worden war, erklärten sich nicht nur 60 Prozent der SPD- und 61 Prozent der FDP-Wähler, sondern auch 37 Prozent der CDU! CSU-Wähler mit einer Beschränkung auf den Sicherheitssektor einverstanden.
Zwischen den Männern und den Frauen gibt es größere Meinungsdifferenzen als bei anderen politischen Fragen. 54 Prozent der Männer sind für, 26 Prozent gegen eine Änderung. Frauen sprechen sich nicht so häufig dafür oder dagegen aus (43 und 18 Prozent). Sie sind zum erheblichen Teil unschlüssig (37 Prozent).
Noch ausgeprägter sind die Unterschiede je nach Alter und Schulbildung. Die höchsten Zahlen: 55 bis 65 Prozent der Deutschen in den Altersgruppen unter 30 Jahren und zwei von drei Deutschen mit Abitur sind für eine Revision des Radikalenerlasses.
Die Ansichten der Bundesbürger gehen, wie eine andere Umfrage zu diesem Thema zeigte, noch weiter auseinander als die Pläne der Parteien in Bonn. Minderheiten wollen entweder eine totale Freiheit, die auch die SPD verneint, oder Berufsverbote sogar außerhalb des öffentlichen Dienstes, die auch CDU und CSU nicht verlangen. Es entschieden sich
* 22 Prozent für die Antwortvorgabe: »Niemand sollte aufgrund seiner politischen Überzeugung von einem Berufszweig. auch nicht vom öffentlichen Dienst. ausgeschlossen werden":
* 41 Prozent für: »Nur in dem sicherheitsempfindlichen Bereich des öffentlichen Dienstes, zum Beispiel bei der Polizei oder der Bundeswehr. sollte die politische Überzeugung von Bewerbern überprüft werden«;
* 20 Prozent für: »In den öffentlichen Dienst sollten überhaupt keine politisch extrem Orientierten aufgenommen werden, auch nicht zum Beispiel als Briefträger oder Lokomotivführer«;
* 13 Prozent für: »Leute, die politisch extreme Ansichten vertreten, sind für die meisten Berufe ungeeignet, nicht nur für den öffentlichen Dienst.«
»Wird bei uns in der Bundesrepublik der Freiheitsspielraum eingeengt?«
Einer der beiden liberalen Ansichten pflichteten 75 Prozent der SPD-Anhänger, 64 Prozent der FDP-Anhänger und sogar 52 Prozent der CDU/CSU-Anhänger bei. Umgekehrt entschieden sich für eine der beiden strengen Ansichten nur 21 von 100 SPD-Anhängern und 34 von 100 FDP-, aber 46 von 100 CDU/CSU-Anhängern.
Infratest schürfte noch tiefer. Mit drei Fragen erforschte das Institut im März/April, wie es um die Freiheit in der Bundesrepublik nach Ansicht ihrer Bürger bestellt ist.
Erst wurde allgemein gefragt. ob »bei uns in der Bundesrepublik der Freiheitsspielraum des einzelnen Bürgers eingeengt wird«, dann wurden anhand einer Liste denkbare Gründe genannt, darunter der Radikalenerlaß. Und schließlich wurde geklärt, ob sieh die Befragten »persönlich in Ihrem eigenen Freiheitsspielraum eingeengt fühlen«.
Nicht weniger als 28 Prozent der Bundesbürger haben den Eindruck, »daß bei uns in der Bundesrepublik der Freiheitsspielraum des einzelnen Bürgers eingeengt wird«.
Die Minderheit, die sich um die Freiheit sorgt, ist unter Anhängern der CDU/CSU fast so groß wie unter Anhängern der SPD und der FDP (27 gegenüber 28 und 31 Prozent).
Das erklärt sich daraus, daß häufiger noch als der Radikalenerlaß andere Gründe für die Bedrohung der Freiheit genannt werden. Sie beeindrucken die Deutschen offenbar unabhängig von ihrer politischen Einstellung:
* 60 Prozent der Befragten nannten »die Bedrohung durch den Terrorismus«,
* 43 Prozent: »Folgen wirtschaftlicher Schwierigkeiten, wie zum Beispiel Arbeitslosigkeit oder Lehrstellenmangel«,
* 40 Prozent: »Maßnahmen des Staates zur Bekämpfung des Terrorismus«,
* 35 Prozent: »Radikalenerlaß«,
* 33 Prozent: »Die Zunahme von Verdächtigungen, wer zum Sympathisanten-Kreis der Terroristen gehört.«
Der Radikalenerlaß speziell beschäftigt die jüngeren Deutschen weit mehr, als gemeinhin angenommen wird. Jeder zweite Befragte unter 30 Jahren sieht in ihm eine Einengung der Freiheit.
Die Sorge, die sich in solchen Zahlen ausdrückt, ist bei den meisten Bundesbürgern nicht aus eigener Erfahrung gewachsen. Das zeigten die Antworten auf die Frage, ob »Sie persönlich Ihren eigenen Freiheitsspielraum durch Maßnahmen oder Probleme dieser Art eingeengt fühlen«.
Die Frage galt dem Thema insgesamt, also dem Terrorismus und seiner Bekämpfung wie den Folgen der Arbeitslosigkeit und dem Radikalenerlaß.
Immerhin: 10 von 100 Befragten bejahten die Frage, ob sie sich persönlich eingeengt fühlen. Umgerechnet in absolute Zahlen sind dies 4,6 Millionen Bürger -- mehr, als am vorletzten Sonntag in Hessen zur Wahl gingen.
»Am Ende der Urlaubszeit immer etwas optimistischer.«
Noch alarmierender ist es, daß der Anteil um so größer ist, je jünger die Deutschen sind. Etwa jeder sechste Bundesbürger unter 30 Jahren (15 bis 18 Prozent) hält sich selbst für betroffen.
Sogar 35 Prozent sind es unter den Studenten und deren Altersgenossen, die in Schulen, Werkstätten und Büros ebenfalls noch ausgebildet werden.
In diesen Zahlen schlägt sich eine ganz andere Stimmung nieder, als die »FAZ« und die Demoskopin Elisabeth Noelle-Neumann aus einer 1978er Allensbacher Studentenumfrage herauslesen zu können glaubten (siehe Kommentar von Sylvia und Martin Greiffenhagen »Wie demokratisch ist Frau Noelle-Neumann?« im vorigen Heft).
Davon, daß eine beträchtliche Minderheit der deutschen Studenten mit der Idee des Kommunismus sympathisiert und deshalb ein für die deutsche Demokratie gefährliches Potential ist, kann auch nach den Allensbach-Zahlen nicht die Rede sein. Sie belegen nicht, was die Allensbach-Chefin und ihre »FAZ«-Auftraggeber behaupten.
Wohl aber kann die Stimmung explosiv werden, die in den Infratest-Zahlen über die bedrohte Freiheit angezeigt wird. Hier offenbaren sich existentielle Sorge und Unsicherheit, die vorerst noch nicht die Einstellung zur Gesellschaft prägen, aber weit eher als das Verständnis für einen idealen Kommunismus zur Negation des politischen Systems der Bundesrepublik führen können. Was viele junge Bürger heute bedrückt, kann sie morgen empören.
Die 1978er Umfragen schützen den, der aus ihnen nicht herausliest, was er in sie bineindenkt, vor Fehlurteilen über die Jugend.
So ausgeprägt die Sorge um die Freiheit in der jüngeren Generation ist, so skeptisch sie auch in vielen Einzelfragen urteilt -- nirgends klafft ein Bruch zwischen den Ansichten der jüngeren und der älteren Deutschen. In allen wichtigen Fragen stimmen Mehrheiten in allen Altersgruppen überein, mögen sie auch nicht selten verschieden groß sein.
Gemeinsam ist den meisten Bundesbürgern jedweden Alters eine Grundstimmung der Zufriedenheit. die 1978 noch stärker ausgeprägt ist als in früheren Jahren.
Aus diesem Grund kann das Wahlergebnis in Hessen für all diejenigen keine Überraschung gewesen sein, die in Staatskanzleien und Parteizentralen regelmäßig Daten der Demoskopen erhalten.
Es gibt in diesem Jahr kein Klima, das eine Mehrheit in der Bundesrepublik insgesamt oder irgendwo in einem Bundesland eine Wende oder einen Wechsel herbeisehnen läßt.
Die Hessenwahl fiel zudem in eine Zeit, in der die allgemeine Wirtschaftslage von den meisten Bundesbürgern überaus positiv eingeschätzt wird. »Eine so optimistische Stimmung«, meldete Infratest in einer der jüngsten Umfragen, »gab es in den letzten Jahren nur in den Wochen kurz vor und nach der Bundestagswahl 1976.« Die Ursachen sieht das Institut im Bonner Wirtschafts-Gipfeltreffen vor drei Monaten und in den Beschlüssen der Regierung zur Belebung der Konjunktur, aber auch darin, daß die Deutschen am Ende der Urlaubszeit »in Wirtschaftsdingen immer etwas optimistischer sind«.
Weniger denn je gibt es Belege für jene Staatsverdrossenheit, von der so oft in Leitartikeln und Festansprachen die Rede ist.
Das Bonner Infas-Institut fragt seit langem allmonatlich nach Ansichten zu einer Reihe von Statements, die eine Verdrossenheit ausdrücken. Wäre sie allgemein, müßte sich etwa für folgende Meinung eine Mehrheit finden:
* »Die ganze Politik ist heute so kompliziert, daß ich mich kaum noch dafür interessiere, was alles passiert:« Tatsächlich ist aber nur eine Minderheit dieser Ansicht (27 Prozent im August 1978).
Immerhin, es wäre eine Belastung, wenn auch nur jeder vierte Bürger staatsverdrossen wäre. Doch es wäre ein Fehlschluß, dies den Antworten auf solche Fragen zu entnehmen. Solche Antworten einer Minderheit haben auch noch andere Wurzeln. Dazu gehören die alte deutsche Tradition der Distanz zur Politik und die von dem eigenen politischen Standpunkt oft unabhängige Sorge um die Zukunft.
An der Distanz hat sich auch 1978 nichts geändert. Nur jeder fünfte Deutsche interessiert sich für Politik, fast jedem dritten ist sie mehr oder minder gleichgültig.
Zu den Parteien sind etliche Bundesbürger skeptischer eingestellt als zur Politik überhaupt. 46 Prozent der Befragten verneinten, aber eine ansehnliche Minderheit von 40 Prozent der Befragten bejahte bei einer Infas-Untersuchung die Behauptung: »Den Parteien geht es eigentlich nur um die Stimmen, aber nicht darum, was die Leute denken.«
Diese Minderheit war zwar in den Jahren 1977 und 1976 meist höher; gleichwohl läßt sich nicht leugnen, daß diese Zahlen nicht nur Skepsis und Distanz, sondern auch Mißtrauen und Enttäuschung ausdrücken.
Von den Befragten mehr erfahren, als ihnen selbst bewußt ist.
Aber wenn es überhaupt eine Stimmung gibt, die mit Verdrossenheit auch nur halbwegs richtig beschrieben wird, dann ist sie 1978 rückläufig. Das zeigte eine bewußt diffus formulierte Infas-Frage, die eine Stimmung sondieren, nicht eine dezidierte Meinung zutage fördern soll.
Die Frage, ob »die Verhältnisse in der Bundesrepublik heute zur Beunruhigung Anlaß bieten«, wurde in zehn von zwölf Monaten des Jahres 1977 häufiger bejaht als verneint. Seit Mai 1978 ist die Zahl der Befragten, die keinen Anlaß sehen, auf mehr als die Hälfte gestiegen. umgekehrt ist die Zahl der Beunruhigten auf etwa ein Drittel gesunken.
Diese Grundstimmung der Zufriedenheit wirkt sich vielfältig aus -- auch darin, daß die sogenannten Kanzlerwerte so hoch sind wie noch nie seit Schmidts Amtsantritt.
Schmidt ist unter den Bundesbürgern insgesamt (also unabhängig davon, welche Partei sie wählen) so populär wie Kohl bei CDU/CSU-Wählern. Und unter den SPD-Wählern ist Schmidt populärer als sein Vorgänger Brandt im Hoch des Wahljahres 1972.
Aber die hohen Kanzlerwerte wirken sich nicht auf Schmidts Partei aus. CDU und CSU liegen, wenn nach der Partei der Wahl gefragt wird, seit Monaten bei den meisten Umfragen knapp vor SPD und FDP.
Nur in einem Punkte steht die SPD besser da als in früheren Monaten. Die Partei, die den Kanzler und die Jusos in ihren Reihen vereint, wirkte im August 1978 auf gleich viele Bundesbürger »geschlossener« und »zerstrittener« (33 und 32 Prozent). Bislang war der Eindruck überwiegend negativ, in manchen Monaten entsetzte sich eine Zwei-Drittel-Mehrheit über den Zustand der Regierungspartei.
Je weiter sich Umfragen auf die Zukunft erstrecken und je komplizierter die Themen sind, desto häufiger stoßen die Meinungsforscher an die Grenzen, die ihrem Gewerbe gesetzt sind. Das zeigt eine solide gearbeitete, gleichwohl aussageschwache Infratest-Studie über Ursachen und Folgen des Geburtenrückgangs, eines der gewichtigen deutschen Probleme.
Wenn Durchschnittsdeutsche schwierige Sachverhalte »quasi in einer Expertenrolle beurteilen sollen«, dann ist -- wie das Institut selbst anmerkt -- oft schwer auszumachen, »wo die Befragten bei ihrem Urteil auf eigene Erfahrungen und Wahrnehmungen zurückgreifen und wo sie lediglich Stichworte aufgreifen, die sie in der öffentlichen Diskussion wahrgenommen haben«.
Allzu leicht wird dann von den Demoskopen eine flüchtig angeeignete Meinung so ernst genommen wie eine feste Überzeugung. Oft aber sind Fragen und Antworten auch allzu trivial.
Kaum von Belang sind etwa Mutmaßungen der Befragten darüber, welche Folgen sinkende Kinderzahlen haben können. Daß 76 Prozent Schwierigkeiten mit der Altersversorgung befürchten, sagt so wenig aus wie die Sorge von 42 Prozent, daß »die Ausländer überhandnehmen«, oder von 28 Prozent, daß »die Deutschen im Laufe der Zeit aussterben könnten.
Keiner Umfrage bedarf es, um zu erfahren, daß die meisten Deutschen in der Antibabypille den wichtigsten Grund für den Rückgang der Geburten sehen. Daß danach am häufigsten der »Egoismus der jungen Leute« und die zu teuren Wohnungen genannt werden, macht auch nicht klüger.
Und schließlich liefern die in Prozentsätze gegossenen Ansichten darüber, wie der Staat höhere Kinderzahlen fördern könnte, allenfalls Anhaltspunkte für die Entscheidungen der deutschen Familienminister.
Die größte Mehrheit (79 Prozent) sprach sich für ein Babyjahr aus, »bei dem bei der Geburt eines Kindes der Mutter zusätzlich ein Jahr auf ihre Rentenversicherung angerechnet wird«.
Mehrheiten bejahten auch den Bau von größeren und billigeren Sozialwohnungen. ein Erziehungsgeld von 200 bis 300 Mark monatlich in den ersten drei Jahren nach der Geburt eines Kindes, »mehr Hilfe für Kinderreiche«, mehr Spielplätze, Staatszuschüsse für Kinderkrippen und Kindergärten in Betrieben. »mehr Kindergeld für alle« sowie mehr Halbtagsstellen für Männer und Frauen.
Der Katalog hätte noch länger sein können, Mehrheiten hätten sich noch dutzendfach finden lassen. Ein einziger Vorschlag fand den Beifall nur einer Minderheit: die Belohnung jeder Geburt »durch eine staatliche Prämie«.
Viele Probleme lassen sich nicht auf die bei Umfragen herkömmlicher Art notwendige Alternative von Ja und Nein, von Entweder-Oder reduzieren. Bedeutet dies, daß die Meinungsforschung sich solchen Problemen versagen muß? Oder kann sie Methoden entwickeln, auch bei schwierigen Fragen die Volksmeinung zu erkunden?
Demoskopen der renommierten Institute verneinen die erste und bejahen die zweite Frage.
Mehr noch: Sie glauben, schon einige solcher Methoden entwickelt zu haben. Allensbach zum Beispiel ist überzeugt, von den Befragten oft mehr zu erfahren, als ihnen bewußt wird.
Im nächsten Heft
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