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PARTEISPENDEN Keine Ahnung

Drei Reemtsma-Manager sitzen in Hamburg auf der Anklagebank - Auftakt einer Prozeß-Serie gegen Parteispender aus der Wirtschaft. *
aus DER SPIEGEL 5/1986

Die Strafkammer, versicherte Richter Axel Bartels, 50, gleich zu Beginn der Hauptverhandlung, werde »ganz cool und emotionslos den Sachverhalt klären«. Dieses Parteispendenverfahren sei »kein moderner Hexenprozeß«, sondern ein »ganz stinknormaler Vorgang«. Das war sicher leicht untertrieben. Erstmals in einem Parteispenden-Prozeß sitzt die Führungselite eines Unternehmens fast geschlossen auf der Anklagebank - drei Top-Manager des Hamburger Zigarettenkonzerns Reemtsma: Ex-Vorstandsvorsitzender Horst Wiethüchter, 57, Vorstandsmitglied Ernst Zander, 58, und Chefbüroleiter Klaus Teubner, 56. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, bei Spendenzahlungen an CDU, SPD und FDP 2,7 Millionen Mark Steuern hinterzogen zu haben.

Zwischen 1965 und 1981 hat der »traditionell sehr sozial engagierte Konzern« (Wiethüchter), was legal ist, sechs Millionen Mark an Parteien gespendet. Doch die Firmenspenden wurden zunächst an gemeinnützige Organisationen geleitet und dann »in unzulässiger Weise steuerlich abgesetzt« (Staatsanwaltschaft) - als Betriebsausgaben.

Zwei Millionen Mark gingen an die CDU-orientierte Staatsbürgerliche Vereinigung (SV), die größte aller Geldwaschanlagen, die von 1969 bis 1980 allein 214 Millionen Mark an Union und FDP schleuste. 722000 Mark erhielt die SPD-kontrollierte Friedrich-Ebert-Stiftung, 720000 Mark die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung. Reemtsma-Richtsatz: 100000 bis 150000 Mark »pro Jahr und politische Richtung« (Wiethüchter).

Die Zigarettenproduzenten zweifelten nicht an der Rechtmäßigkeit ihrer Transaktionen. Das Finanzamt habe die Quittungen »nie beanstandet«, so Zander-Anwalt Klaus Landry, »auch keine Steuernachzahlungen gefordert«. Das »gerechte, das richtige Urteil«, so Landry könne in diesem Fall nur ein Finanzgericht sprechen. Er beantragte deshalb die Aussetzung des Verfahrens.

Hinter dieser Argumentation steckt eine Verteidigungslinie, mit der die Anwälte, beispielhaft auch für die vielen noch ausstehenden Parteispendenprozesse, der Strafjustiz die Kompetenz in Steuersachen absprechen wollen.

Parteispenden seien schon immer steuerbegünstigt gewesen, deshalb könne von Steuerhinterziehung auch nicht die Rede sein, wenn die Spenden verdeckt gewährt worden seien. Das 1984 neu gefaßte Parteiengesetz, das die Parteien weitgehend gemeinnützigen Organisationen gleichstellt und die Abzugsfähigkeit von Spenden erleichtert, soll außerdem strafbefreiend auch für lange zurückliegende Vergehen wirken.

Das Gericht verwarf den Antrag auf Aussetzung. Der Sachverhalt, konterte Richter Bartels, sei »einfacher zu klären als eine Wirtshausschlägerei«.

Den Angeklagten war nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sehr wohl bekannt, daß die parteigebundenen Verbände die Spenden »nicht zur Erfüllung ihrer satzungsgemäßen Aufgaben« verwendeten, sondern an CDU, SPD und FDP weiterleiteten. Das belegen Notizen des früheren Reemtsma-Chefs Rudolf Schlenker, der vermerkte, daß »nicht unerhebliche« Summen an die SV »letztlich der CDU« zugute kamen. Auch eine Wahlkampfspende zwischen 50000 und 100000 Mark an die SPD

wurde laut Schlenker gegen »eine entsprechende Spendenbescheinigung« gegeben und das Geld auf das »Konto einer gemeinnützigen Organisation« überwiesen.

Der Landesverband der schleswig-holsteinischen FDP stellte mit artigem Dank steuerlich absetzbare Rechnungen über 3600 und 6000 Mark aus: »Sie haben uns damit sehr geholfen.«

Die Angeklagten bestreiten, von der Umwegfinanzierung gewußt zu haben. Zander hatte angeblich »keine Ahnung«, daß von den 100000 Mark, die er auf Anraten des Hamburger CDU-Schatzmeisters Ove Franz 1980 an die Spendensammelstelle »Seminar« in Nordrhein-Westfalen überwies, umgehend 90000 Mark in die Kasse des Hamburger CDU-Landesverbands zurückgeflossen waren.

Auch der inzwischen ausgeschiedene Vorstandschef Wiethüchter will sich über »die konkrete Verwendung der Spenden« keine Gedanken gemacht haben. Er habe »der Honorigkeit der Spendenwerber« vertraut.

Ob sie denn nicht spätestens 1977 nach SPIEGEL-Veröffentlichungen über illegale Parteispenden, einmal bei den Empfängern nachgefragt hätten, wo das Geld eigentlich lande, wollte Richter Bartels wissen. Nein, bedauerte der Angeklagte Teubner, den SPIEGEL lese er nicht.

Antwort auf »unglaublich viele Fragen« (Bartels) erhofft sich das Gericht von den 32 Zeugen der Anklage, die bis Ende Februar geladen sind. Einige von ihnen, wie CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep, dessen Generalbevollmächtigter Uwe Lüthje oder auch Walter Hesselbach, der Präsident des Kuratoriums Friedrich-Ebert-Stiftung, werden wenig zur Aufklärung beitragen wollen. Gegen alle drei bereitet die Staatsanwaltschaft derzeit eine Anklage wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung vor.

Auch Hans L. Merkle, 73, Aufsichtsratsvorsitzender des Elektrokonzerns Bosch, muß demnächst mit einer Anklage wegen Steuerhinterziehung rechnen. Die Frist der Staatsanwaltschaft Stuttgart, sich bis zum 15. Januar zu den Vorwürfen zu äußern, ließ er verstreichen. Merkle, der vehement für eine Amnestie gestritten hatte, saß jahrelang im Kuratorium der »Gesellschaft zur Förderung der Wirtschaft Baden-Württembergs«, der umsatzstärksten Geldwaschanlage im Ländle. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt ihn, rund zehn Millionen Mark am Fiskus vorbeigeschleust zu haben.

Der nächste Prozeß, bei dem - wie im Reemtsma-Verfahren - wieder Firmenchefs vor Gericht müssen, ist ebenfalls terminiert. Am 8. April beginnt in Essen die Hauptverhandlung gegen die Karstadt-Vorstandsmitglieder Theodor Althoff und Walter Deuss. Sie hatten gegen ihre Strafbefehle über 720000 und 400000 Mark Einspruch eingelegt.

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