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ABGEORDNETE Keinen Mann, keine Mark

Drei Bonner Hinterbänkler streiten seit Jahren mit dem Deutschen Fußball-Bund um Steuergelder.
aus DER SPIEGEL 26/1980

Der CSU-Abgeordnete Erich Riedl, Präsident von 1860 München, hält Fußballklubs für Gewerbebetriebe der Unterhaltungsbranche.

Sein SPD-Kollege Rudi Walther sitzt im Verwaltungsrat der Kreissparkasse in Wolfhagen, Nordhessen, und wacht über die Parteigelder seines Bezirks.

Der Freidemokrat Klaus Gärtner ist gelernter Politologe und schwimmt die hundert Meter Freistil in 1:14 Minuten. Zusammen mit den beiden anderen Hinterbänklern hat er den mächtigen Deutschen Fußball-Bund (DFB; über vier Millionen Mitglieder) schon mehrfach ausgespielt und den Steuerzahlern knapp 200 000 Mark erspart.

Ihren bisher letzten Sieg feierten die Bonner Etat-Kontrolleure vor der Abreise der deutschen Nationalelf zur Europameisterschaft: Die Starkicker und ihre Funktionäre mußten ohne vom Staat besoldete Leibwächter ins gefährliche Italien fahren.

Der Kleinkrieg der drei gegen den größten deutschen Sportfachverband hatte begonnen, als zur Fußballweltmeisterschaft 1978 in Argentinien das Innenministerium den Finanzminister per »Schnellbrief Z 15 -- 007 310 -78/13« um Genehmigung einer »überplanmäßigen Ausgabe« bat.

Für 166 500 Mark bewachten 14 handverlesene Beamte die deutsche Elf, S.66 rund um die Uhr und in scharfer Manndeckung. Der DFB, so das Innenministerium in dem Schreiben (Stempel: »VS -- Nur für den Dienstgebrauch"), werde »die Kosten für die Einkleidung mit dem Mannschaftsdreß« übernehmen.

Doch da wurden Gärtner und Kollegen aktiv. Im Haushaltsausschuß drohten sie den Fußballmanagern, sie würden öffentlich auf Erstattung aller Kosten dringen. Der DFB gab klein bei und überwies immerhin 55 000 Mark an die Staatskasse.

Seither läuft der »Flügelangriff« (Gärtner) der Kicker-Lobby. Als es wieder mal um teure DFB-Reisen ging, entsann sich DFB-Präsident Hermann Neuberger alter Sportsfreunde im Parlament. Um die knickerigen Abgeordneten auszutricksen, wandte er sich nicht nur ans Auswärtige Amt, sondern schaltete auch die Fußballfans Richard Stücklen, einen Parteifreund Riedls, und Gärtners Fraktionschef Wolfgang Mischnick ein. Denn Gärtner wollte sich gegen die Absicht des AA sperren, aus dem Fonds zur Pflege kultureller Auslandsbeziehungen eine Reise der B-Nationalmannschaft nach China zu alimentieren.

Schon im Jahr vorher hatte es der Haushaltsausschuß rundweg abgelehnt, die Reise einer chinesischen Kickerauswahl nach West-Berlin mit Steuergeldern zu unterstützen. Allzu durchsichtig schien den Abgeordneten der DFB-Hinweis, es sei für Bonn außenpolitisch wichtig, wenn eine Chinesen-Elf an der Mauer aufmarschiere.

Vom Gegenbesuch in China erfuhr Gärtner durch seinen Spar-Partner Riedl. »Nachdem ich kürzlich stellvertretendes Mitglied im Sportausschuß geworden bin«, teilte der Fußballkenner seinem »lieben Klaus« Gärtner mit, »kommt mir dieser Tage die Drucksache Nr. 51 auf den Tisch, die Dich sicherlich interessieren wird.«

Die Drucksache enthielt die Kopie eines Briefes des DFB an den Sportausschuß. Dort beklagt der DFB-Generalsekretär Hans Paßlack, daß sich das Auswärtige Amt lediglich bereit erklärt habe, die Flugkosten der deutschen Fußballer nach Peking zu bezahlen, anstatt das ganze Programm zu finanzieren. Im übrigen habe sich DFB-Präsident Neuberger darüber auch schon beim AA beschwert. Weiterhin erlaube er sich, Durchschläge an die Herren Stücklen und Mischnick zu senden.

Bei der Staatsministerin Hildegard Hamm-Brücher fanden die Fußballfunktionäre Gehör. In Gesprächen mit Abgeordneten des Haushaltsausschusses habe sich die AA-Dame, so Gärtner, arglos die DFB-Version zu eigen gemacht, bei den Reisenden -- letzte Woche in China -- handle es sich um eine Juniorenmannschaft, um Nachwuchsspieler, halbe Amateure eigentlich. Damit lief sie aber beim Vereins-Präsidenten Riedl auf. Bundesliga-Spieler wie Thomas Allofs, Ralf Dusend, Rolf Blau und Pierre Littbarski seien hochkarätige Profis. Für Dieter Schatzschneider habe Zweitligaverein Hannover 96 von ihm, Riedl, sogar eine Ablösesumme von zwei Millionen Mark gefordert.

Riedl, Gärtner und Walther strichen aus dem AA-Titel 686 17, »Internationale Aktivität gesellschaftlicher Gruppen«, 135 000 Mark, grob geschätzt der Betrag der China-Tournee.

Nicht mehr Glück hatte der DFB mit seinem Plan, Staatsschützer zur Europameisterschaft zu Lasten der Bundeskasse mitzunehmen.

Wieder schlug Gärtner, der von dem DFB-Vorstoß im Bonner Innenministerium »nur beiläufig« erfahren hatte, bei seinen Kollegen Riedl und Walther Alarm. Bündig beschieden sie die Ministerialen, das Parlament werde »keinen Mann und keine Mark« bewilligen.

S.64Bei der Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien; links inTrainingsanzügen drei Grenzschutzbeamte, vorn Torhüter Rudi Kargus.*

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