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»Kill sie alle, Gott sortiert die Schurken aus«

SPIEGEL-Reporter Erich Wiedemann beim Treffen der »Soldiers of Fortune« in Las Vegas *
Von Erich Wiedemann
aus DER SPIEGEL 52/1983

Eh, Fremder«, knurrt der Mann mit dem weißen Hut und nimmt den Daumen aus dem Hosenbund, »ich habe dir gesagt, daß in dieser Stadt nur Platz für einen von uns ist.«

»Well«, knurrt der Mann mit dem schwarzen Hut, »kalkuliere, das bin ich.«

Der mit dem weißen Hut ist ein Tatmensch. Er reißt seinen Peacemaker aus dem Holster und läßt ihn zweimal aufbellen. Der mit dem schwarzen Hut hebt ab, knickt noch im Flug zusammen und fällt in die Regentonne vor dem Saloon.

Beifall auf den Rängen. Das Gute hat gesiegt. Während Tomatensaft aus den Tonnenritzen sickert, skandiert das Publikum begeistert: »You got him, you got him!« - du hast ihn erwischt, du hast ihn erwischt.

Nur der dicke kleine Mann in der zweiten Reihe bleibt ganz ruhig. Er hat den Kopf in den Specknacken gezogen und blickt schmerzverzerrt in den Himmel über der Sierra Nevada, während ihm dicke Tränen über die käsigen Wangen rollen. »Es ist so wunderbar«, stammelt er ergriffen und wischt sich mit dem Ärmel seiner Kampfjacke über die Augen, »es ist so verdammt scheißgerecht und so verdammt gut; aber es ist nicht die Welt, in der wir leben.«

Es ist die schöne alte Welt des Museumsdorfes Old Las Vegas, wo dreimal täglich vor zahlendem Publikum Gerechtigkeit nach High-noon-Art geübt wird. Es ist die Welt, in der die ehrbaren Rancher weiße Hüte und die Viehdiebe schwarze Hüte aufhaben, in der das Recht immer auf seiten des Stärkeren und die Starken immer auf seiten des Rechts sind, eine Welt, die nur daran krankt, daß man sie zwar für fünf Dollar besichtigen, nicht aber in ihr leben kann.

Doch der Geist jener Fünf-Dollar-Scheinwelt zwischen Dornenbüschen und Klapperschlangen ist nicht tot. Nur, daß im neuen Las Vegas nicht mehr aufgrund des Faustrechts, sondern eher nach Maßgabe der wirtschaftlichen Rentabilität entschieden wird, wer in die Stadt darf und wer nicht. Nevada gilt als der liberalste unter den Bundesstaaten der USA. Sonst hätte Robert Brown wohl auch seinen Kongreß der »Soldiers of Fortune« nicht nach Las Vegas einberufen dürfen. Für eine private Tagung, auf der vorwiegend die Vernichtung von Menschenleben gelehrt, geübt und beraten wird, braucht man schon einen liberalen Rechtsrahmen wie den von Nevada.

Das Gewerbe der »Soldiers of Fortune« - wörtlich: »Glückssoldaten«, dem Sinne nach eher »Söldner« - gilt auch in Amerika nicht gerade als Zierde der Zivilisation - ganz abgesehen davon, daß es illegal ist. Doch tausend Kongreßteilnehmer sind tausend potentielle Glücksspieler. Und Umsatz ist der kategorische Imperativ von Las Vegas.

Deshalb hat der Stadtrat seine Besorgnis um den ohnehin nicht glänzenden Ruf der Stadt hinter wirtschaftlichen Erwägungen zurückgestellt. Im »Sahara Space Center« - wo sonst harmlose einarmige Banditen das Bild beherrschen, dominieren vier Tage lang grimmige Männer in Schnürstiefeln und Camouflage-Zeug.

Aus Sicherheitsgründen haben die Stadtväter dem Kongreß strenge Auflagen erteilt. Die Hobbykrieger dürfen in der Öffentlichkeit keine Waffen tragen. Das »kampfmäßige« Fallschirmspringen ist wegen der damit verbundenen Gefährdung der Flugsicherheit aus dem Programm gestrichen worden.

Auch die Artilleristen kommen nicht zum Schuß. Obwohl in Amerika das Schießen mit schweren Kalibern als ganz normales Schützenvergnügen gilt, sind für den sportlichen Wettkampf draußen im »Desert Sportsman Rifle Club« nur Pistolen, Gewehre und Maschinengewehre zugelassen.

Wettbewerbsleiter Dr. Peter Kokalis, genannt »Doc the cock«, von der Redaktion der Zeitschrift »Soldier of Fortune« hat die Kampfregeln den beruflichen Erfordernissen seiner Klientel angepaßt: bewegtes Gefechtsschießen, Pistolenschießen aus der Hüfte, MP-Feuer im Laufschritt auf seitlich versetzte Pappkameraden.

»Auf den Unterleib halten, auf den Unterleib«, schreit der Schießoffizier. Und etwas gemessener zu den Umstehenden: »Der erste Schuß muß immer im Unterleib sitzen; die nächsten Treffer liegen sowieso höher, weil der Rückstoß den Lauf hochreißt.«

An Munition wird nicht gespart. Die Athleten dürfen sich nach Herzenslust

den Frust vom Leib ballern. »Es kommt nicht allein auf Treffer an, es kommt auch auf den Kampfgeist an und wie schnell einer zieht«, sagt der Schießoffizier.

Die Pausen zwischen den Wettbewerben hat Doc Kokalis an die Selbstverteidigungsindustrie vermietet. Zwei schwarzgekleidete Herren von der Firma »Blade Smith« demonstrieren die Vielseitigkeit ihres 250-Dollar-Kampfmessers. Einer schneidet die aktuelle Sondernummer von »Soldier of Fortune« in Streifen. Der andere spaltet Ahornscheite in Serie. »Nehmen wir mal an, das wäre jetzt kein Holz, sondern ein Vietcong-Kopf«, ruft er, »dann würde die Klinge etwa in Kinnhöhe steckenbleiben.«

Der Dicke, der am Vormittag in Old Las Vegas die verlorene Gerechtigkeit beweint hat, möchte auch mal. Er schlägt mit aller Kraft zu. Aber die Klinge bleibt im Holz stecken. »Höchtens bis zur Nasenwurzel«, höhnt der Herr von »Blade Smith«. Und das Publikum lacht.

Man kann die Blade-Smith-Wunderklinge im Nahkampf auch so gebrauchen: mit der Sägeseite nach oben eine Handbreit unterm Nabel zustechen und dann kräftig in Richtung Brustkorb durchziehen.

Die Wettkampfpreise sind von Mäzenen aus der Waffenindustrie gestiftet worden. Da fehlt fast keiner von den guten alten Namen: Beretta, Sterling, Springfield Armory. Auch Heckler und Koch aus Oberndorf am Neckar hat einen Pokal gestiftet, dazu 2000 Dollar in bar als Sonderpreis.

Die Dollars sind gut angelegt. Denn das Söldnergeschäft ist eine Wachstumsbranche erster Ordnung. Bob Brown kann das bestätigen. Unter seiner Regie ist »Soldier of Fortune« - kurz: »SOF« - in fünf Jahren von einer bedeutungslosen Krawallpostille zum Zentralorgan für Freizeitmarodeure jeder Art, gleichsam zum führenden Revolverblatt der Nation aufgestiegen.

Wer in der Killer-Branche mitreden will, wer ein neues Tötungsgerät in den Markt einführen oder sich selbst Killer andienen will - »Stelle keine Fragen. Hohes Risiko Bedingung. Postlagernd Cincinnati« -, der kommt an »Soldier of Fortune« nicht vorbei.

Dabei gehören die meisten der 250 000 Abonnenten und regelmäßigen Käufer eher zur Kategorie der Feierabend-Herostraten, die gern zündeln, sich aber nicht trauen. Stellvertretend für die Leser ist »Soldier of Fortune« überall dabei, wo es fetzt: SOF »mit unseren Jungs auf Spähtrupp gegen die Commies (Kommunisten) in Mittelamerika«; SOF bei den Freiheitskämpfern in Afghanistan, in Laos, in Angola. SOF an allen Fronten, wo der Westen im Clinch mit den Roten liegt. Das Motto kann man als T-Shirt-Slogan auf dem Leib tragen: »Geh in fremde Länder, begegne interessanten Menschen und bring' sie um!«

»Soldier of Fortune« lastet schwer auf dem Gewissen und der Reputation der Nation. Robert Brown ist im Kongreß und im Senat mehrfach unter schweres Feuer geraten. Aber es half nichts. In Amerika darf alles gedruckt werden, was der Verfassung nicht schadet. Und das tut »Soldier of Fortune« nicht. Im Land der Freien ist zwar Töten verboten, aber nicht Anleitung und geistige Vorbereitung zum Töten.

Ist Robert Brown ein Zyniker? »Nein«, sagt Rechtsanwalt Robert Miller aus Boulder, Colorado, der Brown seit 20 Jahren kennt, »abgesehen von seiner stinkenden Politik ist er absolut ehrlich, ein Mann, der niemals seine Prinzipien verrät.«

Vor Jahren hat er eine Kopfprämie von 10 000 Dollar für die Ermordung des ugandischen Revolverpotentaten Idi Amin ausgesetzt. Aber er ist - soweit erkennbar -

kein Rassist. Zu seinem engeren Freundeskreis gehören auch Schwarze. Er predigt Gewalt. Aber er ist angeblich kein Faschist. Inserate des Ku-Klux-Klan und der amerikanischen Nazi-Partei lehnt er ab.

Die Amateure sind auch im Kongreßzentrum des Sahara-Hotels in der Mehrheit. Man erkennt sie gleich an ihren gebügelten, chemisch gebleichten Tarnanzügen. Und bei einigen würde es nicht mal auffallen, wenn sie Ärmelschoner zum Battle-Dress trügen.

Weil der Andrang zu den Schießwettbewerben so stark war, daß nicht alle Interessenten zugelassen werden konnten, sind die Kinderspielautomaten im Foyer ständig umlagert. Die Außenvorgebliebenen feuern mangels geeigneterer Ziele 50-Cent-Salven auf intergalaktische Raumschiffe. Spaß macht alles, was knallt.

Diese Leitmaxime gilt auch für die Waffenschau im Obergeschoß. In den Vereinigten Staaten ist Waffenbesitz ein Grundrecht wie Freizügigkeit oder Meinungsfreiheit. Jeder kann so viele Ballermänner haben, wie er für nötig hält, um sich und seine Familie zu verteidigen - vorausgesetzt, er ist nicht Ausländer, vorbestraft oder schwachsinnig.

In den zehn Jahren des Vietnam-Krieges kamen in den USA gut doppelt so viele Menschen durch Einwirkung von Waffengewalt um wie in Vietnam. Trotzdem trat letztes Jahr in Kennesaw im Bundesstaat Georgia eine Verordnung in Kraft, die es jedem Haushaltsvorstand bei Androhung einer Strafe von 20 Dollar zur Pflicht macht, eine Waffe zu besitzen.

Nicht Waffen seien gewalttätig, sondern die Menschen, die damit umgehen, lehrt der Präsident Ronald Reagan. Schon Karl Marx habe gesagt, nur ein Volk in Waffen sei ein wirklich freies Volk. Eine These, die von Ronald Reagan und Karl Marx - wenngleich unter gleichen Umständen - zugleich vertreten werde, sagt Bob Brown, könne nicht so verkehrt sein.

Der Macho-Messe ist auch eine kleine Fachbuchausstellung angegliedert. Marktbeherrschend ist der Paladin-Verlag, der seine Hauptverwaltung in Boulder, Colorado, hat, wo auch »Soldier of Fortune« zu Hause ist. Paladin Press legt gleich mehrere bedeutende Neuerscheinungen zur Lösung zwischenmenschlicher Probleme vor: »Unter der Gürtellinie«, »Handbuch für Todeshändler« und das »Buch der schmutzigen Tricks«. Der Schlager der Saison ist ganz ohne Zweifel »Ich hasse dich«, ein Vademecum für phantasielose Sadisten, die gern in Eigenregie Gerechtigkeit schaffen, wo höhere Gewalten versagen.

In der Einführungswerbung heißt es zum Inhalt: »Das Buch enthält über 160 teuflisch schöne Anleitungen, mit deren Hilfe Sie Ihren Gegner zerstören oder auch in glibbernde Gelatine verwandeln können.« Der unbefangene Betrachter, der dazu neigt, das Werk für eine mißlungene Persiflage auf amerikanische Wehrhaftigkeit zu halten, kennt Paladin Press nicht. Es ist wirklich alles ernst gemeint.

Immer noch im Sortiment, weil in der Vielseitigkeit unübertroffen, ist »How to kill«, das klassische Nachschlagewerk für Totmacher in fünf Bänden. Allein über Bombenbauen ist ein ganzes Kapitel drin: Briefbomben, Autobomben, Kofferbomben; aus fast allem, was Hohlräume hat, kann man auch Bomben bauen. Und die Füllung ist gar nicht mal teuer. Preiswerter Sprengstoff läßt sich ganz leicht aus gewöhnlichem Kunstdünger herstellen.

Für Fortgeschrittene präsentiert »How to kill« die Plutonium-Bombe zum Selbstbauen: ein Viertelpfund Plutonium 239, etwas Paraffin, Alufolie und eine dicke Schicht Styropor. »Damit können Sie Leute zum Verdampfen bringen«, sagt der Paladin-Verkäufer. »Natürlich ist die Wirkung sehr begrenzt: totale Zerstörung in einem Umkreis von nur 500 Metern, sonst wäre sie auch viel zu gefährlich.«

Ein weiteres Kapitel gilt der Produktgruppe der »stummen Killer«. Elektrisiergeräte für Badewannen, eine Garotte, der gute alte Regenschirm mit vergifteter Spitze, den einst der bulgarische Geheimdienst in den Markt einführte. Neu aufgenommen wurden eine Übersicht über die handelsüblichen Schalldämpfer sowie preiswertes alternatives Tötungsgerät für die kleine Brieftasche: Munchako zum Beispiel, ein Würge- und Schlagwerkzeug aus zwei durch eine Kette verbundenen Eichenstöcken, diverse Drahtschlingen, scharfgeschliffene Bierdosen.

Letztere zählen zu den »Überlebenswaffen«. Und überleben ist in dieser Optik vor allem eine Sache des Tötens. So lautet auch die trivialdarwinistische Botschaft des Fachperiodikums »Survival«,

das gleichfalls in Boulder, Colorado, erscheint.

Am Nachbarstand werden Schriften von Che Guevara angeboten. Darüber gab es zunächst heftige Auseinandersetzungen. Doch der Aussteller setzte sich mit dem Argument durch, der alte Che sei unbestritten eine Fachkraft gewesen, von dem die Klientel von »Soldier of Fortune« noch eine Menge lernen könne.

Der Veranstalter hat auch gegenüber Anbietern ein Auge zugedrückt, deren Produkte nur schwer mit der Wehr- und Ernsthaftigkeit der Veranstaltung in Einklang zu bringen sind. Die Teddybären im olivgrünen Kampfanzug stoßen allseits auf Geringschätzung, ebenso der Stand für Doomsday-Moden: pinkfarbene Gasmasken und strahlengeschützte Unterwäsche mit Cowboy-Motiven für wehrbewußte Damen und Herren, die auch in Notstandszeiten nicht auf modischen Chic verzichten wollen.

T-Shirts als Meinungsträger werden dagegen allseits akzeptiert. Die Slogans der Saison: »Kill sie alle, Gott sortiert die Schurken aus« oder ganz schlicht: »Friß Blei!«. Zu den Evergreens aus der Zeit der Ölkrise zählt inzwischen der Totenkopf mit Araberkluft, darunter die Parole: »Nuke their ass and take their gaz« - schiebt ihnen eine Atombombe unter den Hintern und nehmt euch den Sprit. Dazu trägt die modebewußte eiserne Lady Pumps und schußfesten BH.

In den Hörsälen des Kongreßzentrums wird geistig und moralisch aufgerüstet. Vor Stars and Stripes und der »Solidarnosc«-Flagge referieren Kampfchronisten aus allen Teilen der Welt über ihre Erfahrungen im Krieg gegen Vietcong, Sandinisten und Kommunisten und anderes rotes Gesocks. Ein rundlicher Berufshaudegen mit dem Pseudonym Phil Gonzales plaudert über die Ausbildung antisandinistischer Contras in Honduras. Der emeritierte Hauptfeldwebel Ernie Husted junior erzählt, wie er mit einem Haufen verwegener Männer beinahe die Schlacht um Khe Sanh für die Vereinigten Staaten entschieden hätte.

In Hörsaal B spricht Andy Langley, »freischaffender Sicherheitsexperte«, über das Führerprinzip im Alltag. In einer verschworenen Gemeinschaft, die etwas leisten wolle, so führt der Referent aus, könne immer nur einer das Sagen haben. Wenn alle immer nur dazwischenquatschen, könne nichts Ewiges gedeihen.

Wo soviel Heroisches im Schwange ist, da sind natürlich auch die Kräfte der Negation nicht weit. Doch dagegen weiß Mister Langley ein bewährtes Hausmittel: »Ein Gewehrkolben in die Fresse und das Knie in die Weichteile. Was meinen Sie wohl, wie das die allgemeine Moral und Ihren Führungsanspruch hebt.«

Im Hörsaal nebenan ist Signierstunde mit Hans Scharff, dem Autor des Standardwerkes zur Verhörtechnik, »The Interrogator«. Scharff war im Zweiten Weltkrieg laut Klappentext »Chef-Verhörer« der deutschen Luftwaffe. Er sagt, er habe mehr rausgekriegt als die ganze deutsche Abwehr, und behauptet, beste Referenzen zu haben. Noch heute korrespondiere er mit ehemaligen alliierten Fliegern, die er damals ausgequetscht habe.

Im Foyer stehen die Herren vom Vorstand zu Fachgesprächen zur Verfügung: Redaktionsideologe Doc Kokalis, Südostasien-Experte Alexander McColl, Ex-Hauptfeldwebel Paul Fenshaw, der eben seine zwölf Jahre bei der französischen Fremdenlegion abgerissen hat, John Donovan, ein barhäuptiger Tarzan, dessen animalische Muskelfülle augenfällig mit seinem wirklich feinen Benehmen kontrastiert und der im SOF-Impressum als »Redakteur für Sprengstoff und Zerstörung« geführt wird.

Die echten alten Krieger unterscheiden sich vom Amateurpublikum vorwiegend dadurch, daß sie weniger kriegerisch aussehen. Für die Profis ist der Kongreß eine Art Arbeitsplatzbörse, zum Beispiel für Brian Goresby, der sich zwar als Ire vorstellt, aber seine frankophone Heimat im Akzent nicht verleugnen kann.

Brian war als junger Kerl schon in Biafra mit dabei. Später diente er bei den »Selous Scouts« in Weiß-Rhodesien. Jetzt ist er Taxi-Fahrer in Los Angeles. Beruflich gesehen ist Brian mit seinen 35 Jahren ein alter Mann, No-Future-Generation sozusagen. Denn Söldner altern ebenso schnell wie Fußballer und Striptease-Tänzerinnen.

Warum er sich keinen ordentlichen Job sucht?

»Ich habe nichts gelernt als anderen Leuten ihr Hirn aus dem verdammten Schädel zu blasen«, sagt er melancholisch. »Das ist doch kein Verbrechen, das ist ein Job wie jeder andere.«

Hatte er jemals Hemmungen, für Geld Menschen umzubringen, die er nicht kannte und die ihm in der Regel nichts getan hatten?

Über soviel Naivität kann Brian nur laut lachen: Als wenn reguläre Soldaten ständig mit der Haager Landkriegsordnung unterm Arm herumliefen, sagt er. »Fremde Menschen töten ist doch die Regel im Krieg. Normale Soldaten werden bloß schlechter bezahlt.«

Im Hotel wurden Einkäufer aus Bahrain geortet, die Ausbilder für die Streitkräfte der Golfstaaten suchen. In Oman, Dubai und Abu Dhabi läßt sich leben. Das weiß Brian von einem Kollegen, der zwei Jahre am Golf gedient hat. Es gibt ein anständiges Gehalt, außerdem alle sechs Monate drei Wochen voll bezahlten Urlaub, wahlweise in Bangkok oder Europa. Und was auch nicht unwichtig ist: Die Bosse sind Briten. »Du hast keine Makaks als Vorgesetzte, außer denen ganz oben«, sagt Brian. »Makak« steht im Söldnerjargon für eingeborener Affe.

Die Werber rekrutieren ihre Leute in aller Stille an der Bar oder am Pool. Soldatenanwerbung für fremde Armeen wird in den Vereinigten Staaten streng bestraft. Daher die Diskretion. Brian hat nicht einmal einen von ihnen zu fassen gekriegt.

Die Sicherheitsagenten der großen Konzerne brauchen nicht so vorsichtig zu sein: Gorillas für Millionäre anwerben ist nicht verboten. Doch die Herren aus der Industrie sind wählerisch. Sie wollen keine stupiden Totmacher, sondern Mitarbeiter, die erst denken und dann schießen, sofern die Situation nichts Gegenteiliges erfordert. Brian Goresby hat es andersrum gelernt. Vielleicht ist er deshalb noch nicht angesprochen worden.

Er hat es überall versucht, bei Ginger Best in London, der angeblich die bestsortierte Söldnerkartei der Welt besitzt, in der »Renaissance Bar« des Charles Masy in Brüssel, eines Kongo-Veteranen, der gut Bescheid weiß in der Branche, weil die alten Kämpfer auf der Durchreise gern bei ihm einkehren. SOF-Redakteur Alex McColl kennt ein paar vermögende Patrioten in El Salvador, die ständig gute Leute suchen. Aber Mittelamerika ist ein heißes Pflaster, wo das Verhältnis von Verdienst und Risiko nicht im Lot ist. Das gleiche gilt für den Libanon. Nein, für Brian ist das nichts.

Brian Goresby träumt noch heute von der guten alten Zeit in Afrika, als ein paar Dutzend »weiße Riesen« den Kongo aufrollten, als die »Wildgänse« oder »Hunde des Krieges« Regierungen stürzten und schwarze Armeen zu Paaren trieben. »Diese Zeiten kommen nicht wieder«, sagt er.

Die Wende für die Supermänner kam 1976 mit dem Söldner-Prozeß in Angola, als vier Krieger zum Tode und neun weitere zu langen Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Die meisten von ihnen sitzen noch heute in jämmerlichen Gefängnissen. Sie waren fast alle über Inserate in »Soldier of Fortune« angeworben worden. Seitdem gilt auch Afrika als gefährlich.

Und die anderen, die Ehemaligen von Biafra, Rhodesien und Katanga?

»Perdu«, sagt SOF-Redakteur Paul Fenshaw. Die »Hunde des Krieges« sind zahnlos geworden. Rolf Steiner, der Blitzstratege von Biafra, pflegt heute bei Muttern im Münsterland sein Nierenleiden, das er sich in sudanesischer Haft zugezogen hat. Mad Mike Hoare, der irre Ire, sitzt seit jenem unsäglichen, stümperhaft eingefädelten Putschversuch auf den Seychellen in Südafrika im Gefängnis. Und Ex-Hauptmann Siegfried Müller, der berühmte »Kongo-Müller«, ist vor ein paar Jahren in Johannesburg im Bett gestorben - ein schrecklicher Tod für einen Mann, der sich vorgenommen hatte, als »Schrecken der Simbas« in die Geschichte einzugehen.

Auch von Bob Denard hat man lange nichts gehört. Denard gilt unter Kennern noch immer als der »Rommel unter den Söldnern«. Er hat nichts ausgelassen, was Männern seines Schlages Freude macht: Im Jemen kämpfte er für die Royalisten, im Kongo und in Biafra für die Separatisten, in Angola für die Kapitalisten. Im Mai 1978 eroberte er mit 40 Mann und einem deutschen Schäferhund die Vanillerepublik Komoren, ließ den Präsidenten auf der Flucht erschießen und machte sich selbst zum Mit-Regenten.

Heute hat Bob Denard angeblich eine Kneipe im Pariser Quartier Latin. Wenn es stimmt, wäre es das überdurchschnittlich erfolgreiche Ende einer Söldnerkarriere.

Denn die Glückssoldaten haben selten Glück gebracht, anderen nicht und auch sich selbst nicht.

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