STEUERN FREIBETRÄGE Kinder auf Papier
In Bonn kämpft die katholische Kriegerwitwe Elisabeth Pitz-Savelsberg darum, »das Unrecht abzuschaffen. In Karlsruhe streiten drei Familienväter dafür, an ihm teilzuhaben.
Die CDU-Bundestagsabgeordnete, Mutter von vier Söhnen, will durch Gesetzesänderung erreichen, daß »beim Kinderfreibetrag von der Normalehe ausgegangen wird«. Die Familienväter dagegen wollen mit ihren Verfassungsbeschwerden durchsetzen, daß aus ihren normalen Ehen -- steuerrechtlich -- anomale werden.
Beiden Parteien fiel auf, daß nach den geltenden Steuergesetzen getrennt lebende und geschiedene Ehepaare ein anomales Recht besitzen: Sie dürfen für ihre Kinder doppelte Steuerfreibeträge beanspruchen und mithin zusätzlich Summen von 1200 bis 8280 und mehr Mark pro Jahr von ihrem Einkommen absetzen.
Nach Paragraph 32 des Einkommensteuergesetzes steht allen vereint lebenden Ehegatten für ihr »Kindschaftsverhältnis«, so der Fachausdruck, nur einmal Steuerersparnis zu. Ihnen werden Kinderfreibeträge lediglich für soviel Kinder unter 18 Jahren bewilligt, wie sie gezeugt oder adoptiert haben.
Trennen sich die Gatten jedoch von Bett und Tisch, so verdoppelt sich für das Finanzamt die Kinderschar: Die Kinderfreibeträge werden nicht halbiert, sondern jedem Ehegatten in voller Höhe zugestanden. Aus zwei ehelichen oder adoptierten Kindern werden somit vier, im Fachjargon heißen sie Karteikinder.
Dabei ist es gleichgültig, bei welchem der geschiedenen Ehepartner die Kinder leben und wer für ihren Unterhalt aufkommt.
Karteikinder, deren Väter oder Mütter im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, tragen obendrein noch Bargeld ein, pro Stück 50 Mark im Monat. Denn der staatliche Kinderzuschlag ist in jedem Fall zu zahlen, wenn Kinder vorhanden sind, einerlei, ob sie dem Haushalt des Steuerpflichtigen angehören oder nicht.
Christdemokratin Pitz-Savelsberg will die Karteikinder aus der Welt schaffen und wieder, wie bis 1948, »die tatsächliche wirtschaftliche SituatiOn« (Einkommensteuer-Kommentator Littmann) berücksichtigt wissen. Steuerermäßigung wurde damals nur für jene Kinder gewährt, die erwiesenermaßen »zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehört haben oder überwiegend auf Kosten des Steuerpflichtigen unterhalten und erzogen wurden«.
Schon lange jedoch hatten die Finanzbeamten über die Mühsal geklagt, den tatsächlichen Verbleib der Kinder zu kontrollieren und nachzuprüfen, wer ihren Unterhalt hauptsächlich bezahlt. Die Militärregierung befreite sie im Juni 1948 von der Spürarbeit. Sie strich die Vorbehalte wirtschaftlicher Vernunft und ließ die doppelten Steuerfreibeträge zu. Die erste Bundesregierung behielt die großzügige Regelung bei, und auch keine ihrer Nachfolgerinnen traute sich, die Bestimmungen abzuändern.
Kriegerwitwe Pitz-Savelsberg möchte die alte Ordnung wiederherstellen. Ihr Antrag ("Kinderfreibeträge stehen für dasselbe Kind nur einmal zu") wird im Mai vom Finanzausschuß des Bundestages beraten.
Die getrennt lebenden und geschiedenen Ehepaare -- 1966 wurden in der Bundesrepublik 35 933 Ehen aufgelöst, aus denen Kinder hervorgegangen waren -- sollen ihre Papierkinder verlieren.