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Königshäuser Kinder der Sorge

Wirbel bei den Windsors, Undank für Thronfolger im Exil - für Royalisten war 1993 ein schreckliches Jahr.
aus DER SPIEGEL 52/1993

Eine Falte des Grams schnitt zwischen das fein geschwungene Brauenpaar, die Wimpern gingen auf Halbmast, das Haupt fiel in den Nacken, in ein unsichtbares Kissen des Schmerzes - Diana so zu sehen, war zuviel, war mehr, als die Monarchisten dieser Welt ertragen konnten.

Denn schon vor jenem tragödischen Auftritt, mit dem die Princess of Wales Anfang Dezember ihren Rückzug aus dem britischen Königshaus bekanntgab, waren die Anhänger der konstitutionellen Monarchie voll bedient.

König Baudouin von Belgien tot, der Dackel der dänischen Königin vermißt, Stephanie von Monaco möglicherweise schon wieder von einem Bürgerlichen geschwängert, der Griechenkönig Konstantin weiterhin heimatvertrieben und die japanische Kaiserin abermals psychogen verstummt - kein Zweifel, 1993 war ein schlimmes, ein schreckliches Jahr für die royalen Häuser und ihre Unterstützer.

Dabei gab es, zwar nur vereinzelt, auch gute Nachrichten aus der Welt derer, die im Leben von Silber speisen und im Tode unter Marmor ruhen. So hat zum Beispiel im vergangenen Jahr *___Kronprinz Willem-Alexander aus dem Koninkrijk der ____Nederlanden keinen Verkehrsunfall verursacht, sein ____Studium der Geschichte abgeschlossen und sich bereit ____erklärt, »vielleicht doch« die Nachfolge seiner Mutter ____Beatrix anzutreten - bislang galt das Interesse des ____26jährigen eher der geschlechtlichen Vagabondage; *___der König von Tonga, der vor Jahren die Deutschen so ____nett in sein Inselreich lud, seine Diät erfolgreich ____durchgehalten und gut einen Zentner abgenommen - ____anzusehen ist ihm davon wenig, denn Tupou IV. opferte ____aus der Fülle reichlichen Besitzes; *___der spanische Kronprinz Felipe, 25, seiner ersten ____Freundin den Laufpaß gegeben, und die schwedische ____Kronprinzessin Victoria, 16, ihre erste Liebe erfahren ____- die aber nur, versichert sie jedenfalls, »en oskyldig ____romans« gewesen sei; *___der gute Bhumibol von Thailand, der neben dem Saxophon ____noch einige andere Strahlgebläse von durchdringendem ____Klang beherrscht, sich nun auch noch dem Klavier ____verschrieben - wenn er in die Tasten greift, zieht sich ____der Hofstaat weit zurück, denn des Königs Spiel kann ____durch Entfernung nur gewinnen.

Doch unüberhörbar, lauter als jemals zuvor in den vergangenen 50 Jahren, ertönte 1993 das Blöken republikanischer Schafsköpfe - am vernehmlichsten im Commonwealth-Staat Australien, wo die Queen Staatsoberhaupt ist und Paul Keating seit Ende 1991 Premierminister.

Der Sozialist hält die Idee des im Erbgang weitergegebenen Amtes für überholt, deshalb will er Elizabeth vom Throne stürzen und sich am liebsten selbst zum Präsidenten einer Republic of Australia erheben lassen.

Den bittersten Kummer aber bereiteten den Monarchisten ihre größten Sorgenkinder: Charles und Diana, die ihren Streit das ganze Jahr über öffentlich austrugen - eine wirklichkeitsgetreue Teilreproduktion aus dem Kolossalgemälde des ehelichen Grauens.

Die Invektiven flogen nur so hin und her, bisweilen sogar bis unter die Gürtellinie, wo bei Charles, wie Diana zischelte, nicht viel los sei: Anspruch auf subtile Verführungskunst dürfe man bei ihm jedenfalls nicht stellen; das wundert keinen, seit bekannt wurde, daß Charles mit 16 von einer elterlich beauftragten Londoner Madame ins Sexuelle eingewiesen und derart geschult ins Triebleben entlassen wurde.

Mit einem nie dagewesenen Schwall von Aktivitäten konkurrierten die beiden um die Sympathie des Volkes, jeder auf seine Weise.

Diana ging in die Krankenhäuser zu den Bresthaften und Beladenen, wo sie das vollbrachte, was Charles »ihren Mutter-Teresa-Akt« nennt.

Charles wiederum hielt zahllose Reden über Dinge, von denen er besonders viel versteht - etwa über den adelnden Segen der Arbeit oder die Tugend der Sparsamkeit. Die versuchte er Anfang September ausgerechnet den Nordiren nahezubringen: Sie sollten doch, mahnte er in einer Rede vor Belfaster Arbeitern, »Zukunftsvorsorge betreiben und soviel Geld anlegen, wie es Ihnen möglich ist« - aus irischer Sicht völliger Blödsinn, denn Whiskey hat 43 Prozent, und die Bank gibt maximal 8.

Mit ihrem Abgang aus dem Königshaus gelang Diana, was Schachspieler als Positionsgewinn durch Figurenverlust bezeichnen. Der Rachezug ist genial und bringt Charles gleich zweierlei Unbill: Zum einen wird ihn fortan stets die Spekulation begleiten, ob er als Geschiedener König werden kann; zum anderen hat er nun seine Geliebte Camilla Parker Bowles dauerhaft am Hals - eine Frau wie gehacktes Bauernschrot, die Charles unter dem Deckmantel größter Fürsorge schikanieren und damit zu einem segelohrigen Objekt des Gespötts machen wird.

Gleichfalls wenig tröstlich für die Anhänger des monarchischen Gedankens, daß es die exilierten Träger alter Kronen auch 1993 nicht geschafft haben, die ihnen angestammten Herrschersessel zu besteigen. Dabei würden sie nur zu gern wieder ihren Völkern dienen, wenn man sie nur ließe.

Michael zum Beispiel möchte mit solcher Unbedingtheit zurück nach Rumänien, daß er mit einem Charter-Jet unangemeldet in Bukarest einflog. Doch die undankbaren Rumänen schickten ihn wieder zurück nach Genf, wo der 71jährige seinen Geschäften als Börsenmakler nachgeht.

Ein wenig besser erging es Wladimir, dem Prätendenten auf den Zarenthron, der dauerhaft in Rußland Wohnung nehmen durfte - allerdings nur in einer Nebenkammer der Familiengruft in St. Petersburg.

Allein Simeon von Bulgarien will keinesfalls auf den Thron zurück, von dem er als Sechsjähriger vertrieben wurde. »Ich sehe nicht«, sagt der 56jährige, »daß dies dem Land oder mir irgend etwas nützen könnte.«

Mit solch einer defätistischen Einstellung wäre Ronald Vertreter in London geblieben und nicht vor fünf Monaten als Mutebi II. zum König der Baganda gekrönt worden - jener mächtigen Stammesnation in Uganda, auf deren Gebiet die Hauptstadt Kampala liegt.

Ronalds Vater Edward war 1966 vor dem Diktator Milton Obote nach London geflohen, wo sich die Queen Mother rührend um »King Freddy« kümmerte. Unter anderem machte sie ihn mit dem wunderbaren Trick vertraut, bestimmte Flaschen im Alkohol-Kabinett mit Abführmitteln zu versetzen: Am Gerenne könne man nächsten Tags genau erkennen, welche der Domestiken heimlich ein Däpschen genommen haben.

Wie Schaum im Bierglas, so tröstet die Queen Mother alle Anhänger des monarchischen Gedankens, werde der Wirbel um die Windsors verpuffen: »Das vorige Jahr war ein annus horribilis, dieses ein annus terribilis«, sagte die Sweet Old Lady des britischen Königshauses. »Aber 1994 wird, da bin ich ganz sicher, ein annus mirabilis.«

Hoffentlich, Majestät, hoffentlich. Y

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