"VERTRAUEN IST CHRISTLICHER ALS KONTROLLIEREN" »KIRCHENSTEUER FÜR GUERILLAS«
lautet der Vorwurf vieler Geistlicher und Laien gegen die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (2,3 Millionen Mitglieder). Sie hatte Ende Oktober 100 000 Mark für den Anti-Rassismus-Fonds des Ökumenischen Rates der Kirchen (ORK) gespendet, aus dem 19 zumeist farbige Freiheitsbewegungen unterstützt wurden-darunter auch militante Organisationen wie etwa Frelimo in Moçambique (SPIEGEL 43/1970).
Obgleich alle Empfänger versprochen haben, die Spenden nur für humanitäre Zwecke zu verwenden, distanzierten sich die meisten bundesdeutschen Landeskirchen von diesem ORK-Projekt. Der Ratsvorsitzende der. Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), Landesbischof Dietzfelbinger (München), schloß sich der nahezu einstimmigen Ansicht der lutherischen Generalsynode an, die Kirche dürfe auch indirekt keinerlei Gewalt unterstützen, Einen gemeinsamen Beschluß über das ORK-Programm schob der EKD-Rat jedoch auf, um im Dezember noch den ÖRK-Generalsekretär Eugene C. Blake zu hören.
Viele Protestanten kritisierten diese abwartende Haltung. Der innerkirchliche Streit erreichte seinen Höhepunkt, als die hessen-nassauische Kirche mit ihrer Spende vorprellte. Kirchenpräsident Helmut Hild, 49, der vor dem EKD-Rat den Spendenbeschluß seiner Synode begründen muß, bekleidet in Darmstadt das Amt, das Martin Niemöller von 1947 bis 1964 innehatte. Wie U-Boot-Kommandant Niemöller war auch Fallschirmjäger Hild erst Offizier, bevor er Theologie studierte. 1951 wurde er Seelsorger einer Westerwald-Gemeinde, neun Jahre später Pfarrer für Öffentlichkeitsarbeit in Frankfurt und bald darauf Synodaler der hessisch-nassauischen Kirche. Als Niemöller-Nachfolger Professor Wolfgang Sucker schon nach kurzer Amtszeit starb, rückte Hild im März vergangenen Jahres an die Spitze der Kirchenleitung auf.