Zur Ausgabe
Artikel 31 / 87

FILBINGER Kleben am Rest

Baden-Württembergs gestürzter Regierungschef Filbinger gibt sich weiter als Landesherr. Nun will er partout nach Ägypten reisen -- auf Staatskosten.
aus DER SPIEGEL 15/1979

Hans Karl Filbinger, letztes Jahr von seiner NS-Vergangenheit eingeholt und darauf selbst von der CDU verstoßen, blickt ungebrochen nach vorn, Er denkt für Deutschland über »ethische Erneuerung«, hält prominente Auslandskontakte und verweist gern auf Politiker, die auch »ihre größten Leistungen erst nach Mißerfolgen« erzielten. Der Ex-Ministerpräsident hat noch viel vor.

Wie einst als Herr auf Reitzenstein mag er Macht und Moneten nicht missen. Aufwendig ließ er in der Stuttgarter CDU-Zentrale seine Diensträume herrichten, was mit dazu beitrug, daß jetzt von jedem der 80 000 CDU-Mitglieder ein »Solidaritätsbeitrag« von zehn Mark für die ohnehin defizitäre Parteikasse erhoben werden soll.

Filbingers »Gefühl, eine politische Aufgabe zu haben«, kommt auch den Steuerzahler teuer. Denn der alte Herr (monatliche Ruhestandsbezüge: rund 10 000 Mark) besteht darauf, in seiner Dienstvilla aus Landesvatertagen zu wohnen, weiterhin zum Spottpreis von 2250 Mark monatlich. Der schon beantragte Putzkostenzuschuß »zwischen drei- und fünftausend Mark« konnte ihm erst nach öffentlichem Aufsehen ausgeredet werden,

Dem Altpolitiker mit dem notorisch schlechten Gedächtnis ist auch die andere Spezialität, das akribische Erinnerungsvermögen für nützliche Einzelheiten, treu geblieben. Das Benzingeld für Privatfahrten wird pingelig abgerechnet, das Täßchen Tee mit 1,23 Mark auf den Spesenpunkt gebracht.

Mit einem großen Posten ist der Ex-Landeschef kürzlich allerdings aufgefallen -- Filbinger wollte 10 000 Mark Zuschuß für eine Ägyptenreise mit Damen, eine elftägige Exkursion an den Nil sollte die von Filbinger angesponnenen schwäbisch-ägyptischen Beziehungen weiterpflegen. Ein Stück bester Filbinger-Regie -- Pomp und Peinlichkeiten hielten sich wieder die Waage.

Ganz der Alte, baute Filbinger zunächst einmal dem Araber einen Türken. »Wie Sie vermutlich erfahren haben«, schrieb er im August vergangenen Jahres an den Gouverneur von Kairo, Saad Maamun, »werde ich das Amt des Ministerpräsidenten abgeben.«

Er war schon zwei Wochen zuvor zurückgetreten. Als wäre nichts geschehen und unter dem Briefkopf »Der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg« teilte Filbinger dem Kairoer Lokalpolitiker mit, die »Pflege der Beziehungen« zu Ägypten sei auch weiterhin seine Aufgabe.

Als Gouverneur Maamun höflich abwinkte und bat, Filbinger möge seine Pläne überdenken, gab der Reiselustige sich harthörig. Am 1. November werde er in Kairo eintreffen. Als der bedrängte Araber das Ansinnen erneut ablehnte -- dieser Termin sei für ihn ausgeschlossen -, übersetzte die bundesdeutsche Botschaft in Kairo dies als diplomatisch geschönte Bitte, Filbinger möge zu Hause bleiben.

Filbinger ließ nicht locker. Das Stuttgarter Innenministerium teilte den Bonner Diplomaten in Kairo mit, daß er »auf Einladung der ägyptischen Regierung« vom 2. bis 12. April am Nil weilen werde. Diesmal blockte Gouverneur Maamun aus »sehr wichtigen Gründen« ab.

Die Hartnäckigkeit, mit der Filbinger seine Ägyptenreise erzwingen will, steht für jenes verbissene Ringen um Posten und Vorteile, das der ungeliebte Unionspolitiker seit seinem erzwungenen Abdanken vor acht Monaten betreibt. So qualvoll sein Rücktritt in Raten für die Christenunion verlief, so beharrlich klammert sich der geschaßte Landesfürst nun an alles, was vom Glanz der Vergangenheit übrig ist.

Mal erklärt er (Filbinger über Filbinger: »Einer, der ein gutes Gewissen hat"), er wolle »keine Posten«, mal macht er klar, daß er im Herbst auf den CDU-Landesvorsitz verzichtet, mag es aber nicht versprechen. Mal will er ins Europaparlament, dann -- auf Drängen der Partei -- will er wieder nicht, streut aber aus, daß er in den Bundestag strebe, und muß zum Verzicht auf ein künftiges Landtagsmandat überredet werden.

Filbingers Kleben am letzten Rest seiner Macht trägt der Union neben Peinlichkeiten auch noch Hohn und Spott ein. Daß nun die Landesregierung noch 10 000 Mark für Filbingers Ägypten-Urlaub lockermachte, nimmt selbst die Opposition von der heiteren Seite.

»Ist der wahre Grund«, fragte Sozialdemokrat Kurt Bantle letzten Donnerstag im Stuttgarter Landtag, »für die Finanzierung der Ägyptenreise nicht darin zu finden, daß es im Interesse der Landesregierung liegen muß, daß sich Herr Filbinger möglichst oft im Ausland aufhält?«

Mehr lesen über

Zur Ausgabe
Artikel 31 / 87
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren