BERLIN I Kleine Philharmonie
Wenn Walfried Peters, Vorstandsvorsitzender der Berliner Wohnungsbau-Kreditanstalt (WBK), für längere Zeit außer Haus weilt, frotzeln eingeweihte Mitarbeiter: »Der fährt wohl wieder Dampfer.«
Seit letzter Woche ist der Flur-Jux sogar aktenkundig. Die Kripo zeigt Interesse dafür, daß der WBK-Chef gern mit der »MS Europa« auf Kreuzfahrt geht und ein paarmal mit einem anderen Fahrensmann vom Bau schipperte: Heinz Ruths, 66, der in der Berliner Immobilien-Branche »Mister fünf Prozent« genannt wird, weil sein Ingenieurbüro für die Großen des Business die wichtigsten Bauvorhaben zwecks staatlicher Förderung bei Peters WBK einbringt. Die Sonderkommission Lietzenburger Straße der Kriminalpolizei ("SoKo Lietze"), die gegenwärtig die Schmiergeld-Verwicklungen des Ex-Baustadtrats Antes aufrollt, recherchiert nun auch im Ruths-Umfeld.
Nach Hinweisen von außen geht die SoKo der Frage nach, wie eng der Umgang des Bauexperten mit diversen Persönlichkeiten des in Berlin hochgradig bestechungsanfälligen Bauwesens ist. Vor allem suchen die Beamten eine »Sperrliste« von Ruths zu verifizieren, auf der unzugängliche Zielpersonen stehen sollen; verzeichnet ist dort angeblich unter anderen der Reinickendorfer Bezirksstadtrat Hans-Joachim Gardain, der eine Präsentsendung von Ruths mit dem kühlen Bemerken quittierte, er leite alles zu wohltätigen Zwecken weiter - und fortan nicht mehr bedacht wurde.
Ruths ist in der Berliner Bauszene, die vor findigen Unternehmern strotzt, ein gewichtiger Mann. Die senatsamtliche »Prioritätenliste« der zur staatlichen Förderung anstehenden Objekte führt ihn für nächstes Jahr schon wieder als Bau-Interessent an über 350 Einheiten auf. Und er kennt den Bausenator Klaus Franke gut.
Nach diesem Muster bildeten sich bislang noch alle Ausbuchtungen des Berliner Schmierfilz-Skandals heraus, gerieten windige Immobilien-Männer wie der Wuppertaler Antes-Konfident Otto Putsch in die Affäre oder auch ganz prominente wie letzte Woche der Frankfurter Ignatz Bubis.
Innensenator Heinrich Lummer (CDU) mußte nach und nach einräumen, daß er Putsch zweimal, »möglicherweise« noch ein drittes Mal gesprochen hat, während der - unter Berufung auf Lummer - seinen Deal mit dem CDU-Bauexperten Antes vorantrieb. Und Umweltsenator Horst Vetter (FDP) ist in Schwierigkeiten, seit seine Inkasso-Angaben nicht übereinstimmen mit der Spendenliste des vorübergehend arretierten Baulöwen Kurt Franke.
Die Strafverfolger gehen »ganz sicher« davon aus, daß der laut Frankes Schmiergeldliste fünfmal mit 10000 Mark bedachte Empfänger »Fett.« jedesmal Vetter war - und nicht nur einmal 1984, was der Senator eingeräumt hat.
Bausenator Franke war bislang trotz diverser Kripo-Ermittlungen in seiner Behörde vom Antes-Skandal verschont geblieben. Frohgemut verbreitete der Senator, er sei mit dem bestechungsverdächtigen Millionenspender Kurt Franke »nicht verwandt und nicht verschwägert«. Daß nun auch er ins Gerede kommt, verwundert nicht einmal in der CDU.
Manchen Christdemokraten war der Parteifreund nie geheuer, der nach Kriegsende für amerikanische, britische und deutsche Sicherheitsstellen amtiert hatte, gleichwohl später aufgrund alliierter Bedenken nicht in den Sicherheitsausschuß des Abgeordnetenhauses einziehen durfte. Die Union mochte Franke den angepeilten Posten des Parlamentspräsidenten nicht überlassen, und die Bedenken Richard von Weizsäckers, der sich lange geweigert hatte, Franke zum Bausenator zu machen, schienen sich letztes Jahr zu bestätigen.
Franke amtierte jahrelang als Vorstandsmitglied der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft DeGeWo. Deren
Rolle beim Ankauf der 68-Millionen-Immobilie Schlangenbader Straße durchleuchtete letztes Jahr ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß. Zwar wurden keine Schmiergeldzahlungen an Franke belegt, dafür jedoch fast dreieinhalb Millionen Mark »sogenannte 'Nebenkosten'« (Ausschußbericht) zugunsten diverser Nutznießer, unter denen auch ein Franke-Spezi war.
Argwohn in der Branche stiftete immer wieder, daß der Senator bei Großprojekten mit Vorliebe staatliche und gemeinnützige Gesellschaften außen vor ließ und dafür wenige private Großbauträger favorisierte. Letztes Jahr, als der Bau des Berliner Kammermusiksaales zu vergeben war, ließ Frankes Behörde die Projektsteuerung (Auftragswert: 800000 Mark) ohne Ausschreibung dem Ingenieurbüro Ruths zukommen.
Der baupolitische SPD-Sprecher Wolfgang Nagel kommentierte damals: »Freundschaftsdienste zahlen sich aus. Der Sozialdemokrat spielte damit darauf an, daß Ingenieur Ruths dem CDU-Mann Franke in einer Terrassenhaus-Anlage im schweizerischen Feusisberg eine Eigentumswohnung mit Blick auf den Zürichsee überlassen hatte.
Das Immobilien-Geschäft Ruths-Franke, das im August 1982 in Berlin notariell besiegelt wurde, trug sonderbare Züge. Ins Grundbuch kam es nicht. Und auch sonst trat Ruths nicht gänzlich als Hausherr ab. Sogar den Telephonanschluß ließ er unter den neuen Bewohnern auf seinen Namen weiterlaufen.
In einem späteren Schreiben räumte Franke juristische Probleme ein - offenkundig verstieß das Wohnungsgeschäft zumindest gegen schweizerisches Recht. Franke stellt es so dar: _____« Diese Wohnung habe ich nach einigen Monaten an einen » _____« Schweizer Bürger verkauft, weil es Schwierigkeiten mit » _____« der sogenannten Ausländerbewilligung gab, und erwarb eine » _____« Doppelhaushälfte, deren Erwerb für Ausländer genehmigt » _____« war. »
Was es mit Frankes »Schwierigkeiten« sonst noch auf sich hatte, ließ sich später rekonstruieren: Ruths beauftragte im März letzten Jahres seine Anwälte, dem SPD-Politiker Nagel die Behauptung untersagen zu lassen, es bestehe ein »Zusammenhang zwischen dem Eigentumswohnungsverkauf des Klägers mit den Eheleuten Franke« und der »Vergabe des Auftrages an die IBR Ingenieurbüro Ruths GmbH«.
Die Anwälte rieten, wie sich jetzt herausstellt, vom Rechtsstreit ab. Ruths-Anwalt Volker von Stocki hielt die Rechtsverletzung beim Feusisberger Geschäft für so gravierend, daß ein Bekanntwerden von Umständen dieser Transaktion »zwangsläufig die Nichtgenehmigung des Geschäfts zur Folge gehabt« hätte. Unnötige Publizität brächte überdies, so Stocki in einem Schreiben an Ruths, sogar »die Gefahr, daß Herr Franke, der ja anderswo Eigentum in der Schweiz erworben hat, dort gegebenenfalls Mißhelligkeiten erleidet«.
Unbill sah der Anwalt auch daheim voraus. Ruths' Klage gegen Nagel könnte eine Abschrift des notariellen Vertrages in falsche Hände gelangen lassen: »Dann erfährt die Gegenseite die Einzelheiten des Eigentumswohnungsverkaufs und erfährt weiterhin auch die Öffentlichkeit hiervon.« Was daran so störend sein könnte, mochte der Anwalt letzte Woche ohne ausdrückliches Plazet seines Mandanten nicht erläutern.
Seltsam zumindest mutet der zeitliche Ablauf an. Im Sommer 1984 stieß Franke die Ruths-Immobilie ab, um den Erlös in ein anderes Schweizer Objekt zu stecken - diesmal mit Grundbucheintragung. Zu der Zeit erteilte er auch dem Geschäftsfreund die Projektleitung für die »Kleine Philharmonie«.
Daß über das Kripo-Interesse an »Mr. fünf Prozent« nun die Ermittlungen auch auf die WBK, Berlins üppigste Subventionsquelle, vorstoßen könnten, halten Fahnder für »völlig folgerichtig«. WBK-Chef Peters zeigte sich davon vergangene Woche unberührt.
Informanten streuten zwar bei der »SoKo Lietze«, Ruths habe nach Berliner Baulöwen-Art den WBK-Oberen nebst Gattin aufs Traumschiff eingeladen. Das aber nimmt Kreuzfahrer Peters nicht sonderlich ernst: »Da muß ich fürchterlich lachen.«