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Briefe

KLEINES LATINUM
aus DER SPIEGEL 46/1969

KLEINES LATINUM

(Nr. 42/1969, Hochschul-Serie)

In den letzten Tagen habe ich mir die ganze Serie »Mit dem Latein am Ende« über Krise und Zukunft der deutschen Hochschulen noch einmal durchgelesen. Die umfangreiche, vielleicht sich in allzu viele Einzelheiten aufsplitternde Information hat die Komplexität und Schwierigkeit der Hochschulprobleme mindestens indirekt deutlich gemacht. Hochschulpolitisch erscheint sie mir einseitig: Im Grunde genommen wird die Schuld an dem Versagen vor den hochschulpolitischen Problemen allein der Universität, das heißt den Professoren, zugeschoben, wie ja der Titel es auch aussagt. Die Verantwortung der Hochschulbehörden und der Kulturpolitiker für diese

Misere wird kaum erwähnt, in der politischen Dimension einfach unterschlagen. Dort hat man doch mit dem Latein überhaupt noch nicht angefangen.

Münster PROFESSOR DR. HELMUT SCHELSKY

Diese Serie hat die zum Teil deprimierenden Verhältnisse in zahlreichen Disziplinen an deutschen Hochschulen zweifellos zutreffend dargestellt. Als Bilanz hat sie jedoch die Aktiva unterbewertet und die Passiva überbewertet und deshalb im Ergebnis ein schiefes Bild der deutschen Hochschulsituation geliefert. Ihrem ganzen Ductus nach hat Ihre Darstellung der deutschen Hochschulsituation der Hochschule selbst keine Chance gelassen. Damit haben Sie jedoch auch der Verwirklichung ihres eigenen Zukunftsmodells den Boden entzogen, denn auch dieses Modell läßt sich ohne aktive Mitwirkung der Universitäten, ohne eine funktionsfähige Selbstverwaltung und ohne Dozenten, die immer von neuem bereit sind, sich den Studenten zu stellen, nicht verwirklichen. Zu einer solchen Bereitschaft müssen die Dozenten ermutigt werden, denn alle anderen Anreize, die den begabten Nachwuchs bisher veranlaßt haben, Hochschullehrer zu werden, verlieren in zunehmendem Maße ihre Wirkung. Dies gilt nicht nur für die

* Ordinarius für Soziologie der Universität Münster und Autor von: Die skeptische Generation«, 1957.

Stellung des Hochschullehrers im Gehaltsgefüge, sondern vor allem auch für die gesellschaftliche Attraktivität dieses Berufes. Die Konsequenzen dieser Entwicklung machen sich bereits in der zunehmenden Schwierigkeit bemerkbar, gute Nachwuchskräfte für den Hochschullehrerberuf zu gewinnen. Die durch die Kartellpolitik der Kultusministerkonferenz, aber auch durch die rapide Expansion des Lehrkörpers an den Hochschulen bedingte Nivellierung und Verringerung echter Aufstiegschancen bewirkt ein übriges Von diesen Problemen war in Ihrer Serie allerdings nicht die Rede. Ich wollte vor allem deshalb noch einmal darauf hinweisen. Bochum

PROFESSOR DR. KURT H. BIEDENKOPF Rektor der Universität

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