Beim Klimaschutz müssen alle Parteien "Verbotsparteien" werden

Und die Grünen sollten sich endlich mit der Wirtschaft anfreunden – um die Welt zu retten.
Foto: Daniel Karmann/dpa; Montage: bento

Dieser Beitrag wurde am 17.06.2019 auf bento.de veröffentlicht.

Beim Klimaschutz gibt es – glaubt man der CSU – aktuell nur zwei Möglichkeiten: Alles verbieten! Oder: Jemanden eine innovative Lösung finden lassen und derweil weiter Spaß haben!

So suggeriert es zumindest ein Tweet, den die CSU im Bundestag am Wochenende geteilt hat. Darin wirft sie den Grünen vor, nur in Verboten und Bevormundungen zu denken. So wuppe man aber den Klimaschutz nicht, sondern durch "Anreize":

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Der Weg zum geretteten Planeten, so soll das klingen, kann auch angenehm sein und ohne all die Einschränkungen auskommen, die die Grünen uns aufbürden wollen, die alten Spielverderber. Das ist nicht neu.

Die Grünen wurden immer wieder zur "Verbotspartei" erklärt – während die anderen Parteien zeitgleich versuchten, sich wahlweise als "volksnah" oder "innovativ" zu inszenieren. 

  • Als die Ökos vergangenes Jahr höhere Steuern für Plastiktüten fordern, wiegelte die SPD ab, man bräuchte lieber eine "intelligente Steuerung" des Abfalls. (Zeit 
  • Als sie sich für ein Tempolimit auf Autobahnen aussprachen, konterte die CSU, Überlegungen für ein Tempolimit seien "gegen jeden Menschenverstand" (Zeit )
  • Und als die Grünen im Wahlkampf 2013 einen "Veggie-Day" forderten, damit wir unseren Fleischkonsum überdenken, warf die FDP ihnen direkt "Bevormundung" vor. Ein Abgeordneter bastelte die Grünen gar auf ein Nazi-Propagandaplakat. (Der Tagesspiegel )

Es ist natürlich normal, dass Parteien sich in einer Demokratie gegenseitig beharken. 

Für den Stimmenfang macht es Sinn, der politischen Konkurrenz tatsächliche oder angebliche Verbotsforderungen vorzuwerfen – um sich selbst dann als großer Kämpfer für die Freiheit zu inszenieren.

Das Problem ist: Das politische System steht so der Möglichkeit im Weg, die Klimakrise tatsächlich abzuwenden. Indem so getan wird, als gäbe es nur ein "entweder – oder" übersehen wir  den dritten Weg: einfach beides machen.

Beim Klimaschutz braucht es ein Miteinander von sinnvollen Verboten und klugen Innovationen.

Das gilt natürlich für beide die Seiten: 

Es hilft auch nicht weiter, wenn die Grünen jeden Versuch von Union oder FDP, sich mit Wirtschaftsvertretern an den Tisch zu setzen, als "Lobbyismus"  oder "Kumpanei"  geißeln, kann auch kein Fortschritt entstehen. Klar, Unternehmen blind vertrauen – oder gar Werbevideos mit ihnen drehen – sollte nicht Aufgabe von Politikerinnen und Politikern sein. Gar nicht mit ihnen an Lösungen zu arbeiten allerdings auch nicht.

Die Idee, auf "Anreize" zu setzen, ist schließlich nicht falsch. Ein Verbot allein mag zwar Wirkung haben, muss aber die Ursache nicht zwingend bekämpfen. Sprich: Auch wenn die Grünen ein Raserverbot durchsetzen könnten, würden trotzdem weiterhin Spritfresser unterwegs sein. Dann halt "nur" bei Tempo 130 statt 200. 

Wer also kümmert sich darum, dass Autos weniger CO2 in die Landschaft schnauben? Und was machen wir, bis es soweit ist? Die Lösung liegt eben nicht im Kompromiss, sondern darin, dass sich alle durchsetzen. 

Die Grünen, wie auch alle anderen Parteien, sollten sowohl "Verbotspartei" wie auch "Innovationspartei" werden. 

Es reicht längst nicht mehr, dass wir beim Klimaschutz auf freiwillige Selbstbestimmung setzen – weder beim Einzelnen noch bei der Industrie. Unsere Energie wird zum Beispiel überaus klimaschädlich produziert, unter den zehn größten C02-Verpestern Europas rangieren zum Beispiel gleich sieben deutsche Kraftwerke. 

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  • Da helfen also kurzfristig nur: Verbote.

Kohle wird abgeschaltet – aber was dann? Die Rückkehr zur Atomkraft wäre gut für das Klima, aber schlecht aus vielen anderen Gründen (Sicherheit, Atommüll und so weiter). Und die erneuerbaren Energien gelten anderen wiederum als zu instabil und leistungsschwach.

  • Da helfen langsfristig nur: Innovationen.

Was für den Umgang mit unseren Energieressourcen gilt, lässt sich auf beinahe jedes Feld übertragen, in dem um unser Klima geht. In der Autoindustrie, bei unseren Lebensmitteln, beim Verreisen und beim Konsum – notwendige Einschränkungen in Kombination mit der Suche nach neuen Technologien führen zum Erfolg. 

Der "Beyond Meat"-Burger macht gerade vor, wie Innovation Konsumenten zum umweltschonenden Verhalten anregen kann: Das Unternehmen bastelt im Labor synthetisches Fleisch, um die Umwelt zu schonen. Jetzt wollen das Teil alle futtern, die Aktie geht nach oben. Das ist sympathischer als ein erzwungener Veggie-Day – aber wahrscheinlich noch nicht ähnlich effizient wie ein vegetarischer Tag in allen Kantinen Deutschlands. Seien wir ehrlich: Noch gibt es "normales" Fleisch überall, es ist oft billig, macht satt und schmeckt vielen.

Die Innovation alleine rettet uns (noch) nicht, würde aber helfen, ein Verbot erträglicher (und damit wählbarer) zu machen. 

Die Grünen selbst wissen übrigens genau, wie ihre Vorstöße wahrgenommen werden: Als sie 2013 aufgrund des "Fleischverbots" im Wahlkampf radikal scheiterten, schrieb die parteinahe Heinrich-Böll-Stiftung nach dem "Veggie Day"-Wahlkampf in einer Analyse :

Den Zeigefinger und den konfrontativen Ton mögen viele Menschen in Deutschland nicht.

Wie wäre es also in Anbetracht der Lage mit ein bisschen Ehrlichkeit: Ja, unser Leben wird schwieriger werden, teurer, weniger komfortabel. Wir können nicht so weiter machen, wie bisher. Wir können aber auch nicht so tun, als sei dieser Wandel ohne die innovative Kraft der Wirtschaft überhaupt denkbar. 

Aber die platte dämonisierung des politischen Gegners und nebulöse Verweise auf wünschenswerte Innovationen – oder gar auf "Spaß" – werden die Sache nicht richten.

Beim Klimaschutz geht es nicht um Spaß. Es geht um eine nahende Katastrophe.

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