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CHINA Knappes Wasser

Ungewöhnliche Hitze und ungehemmter Verbrauch ließen das Wasser in Peking rar werden. *
aus DER SPIEGEL 30/1986

Verkehr, Wohnungsbau und Wasser": In dieser Reihenfolge zählte Pekings Bürgermeister Chen Xiton früher seine Sorgen auf, wenn er nach den Hauptproblemen der Zehn-Millionenstadt gefragt wurde. Dann aber änderten sich die Prioritäten. Schon im siebten Sommer hintereinander wird Chinas Hauptstadt von extremer Trockenheit geplagt.

Die Stauseen rund um Peking liefen fast leer. Hunderte von Brunnen wurden trocken, und viele Flüsse verkümmerten zu dünnen Rinnsalen. Pekings Gärtner wurden angewiesen, die Grünanlagen und Parks der Hauptstadt nur noch nachts zu gießen.

Nach dem traditionellen Bauernkalender beginnen die Hundstage der »großen Hitze« in diesem Jahr am 23. Juli aber schon seit April litten die Pekinger unter hochsommerlichen Temperaturen.

»Wenn die Zeit des Spitzenverbrauchs zu lange dauert«, warnte ein Vertreter der Pekinger Wasserwerke, »dann werden wir Wasser nur noch bis in die dritten Stockwerke der Gebäude pumpen können.«

Offizielle Stellen machen weniger die Hitze als schrumpfende natürliche Wasservorkommen, fehlende Erschließung und unkontrollierten Verbrauch für die Krise verantwortlich. Und selbst die Regierung der Volksrepublik verbreitet angesichts des Versorgungsnotstandes schon Panikmeldungen: Wenn die Wasserkrise nicht gelöst werde, orakelte Vizepremier Wan Li, müsse man sich überlegen, ob Peking noch der richtige Standort für Chinas Hauptstadt sei.

Dabei ist Pekings Wassernot uralt: Schon seit die Metropole vor über 700 Jahren als »nördliche Hauptstadt« zum erstenmal das Zentrum des Reichs der Mitte wurde, ist die Wasserversorgung schwierig. Mongolische Herrscher bauten einen 50 Meilen langen Kanal, die Kaiser der Ming- und Qing-Dynastie leiteten das nordwestlich sprudelnde Naß der Jadequelle um - vor allem für die Seen und Gartenanlagen ihres Sommerpalastes.

Als Wasserkraft für die Elektrizitätserzeugung eingesetzt wurde, verschärften sich die Probleme. Nach dem Sieg der Kommunisten wurden nördlich von

Peking zwei große Stauseen angelegt - auch für den Wasserbedarf der Landwirtschaft und Pekings Trinkwasserversorgung. Beim Bau des Reservoirs an den Ming-Gräbern packten Mao Tsetung und Premier Tschou En-lai sogar selbst mit an.

Heute werden über 80 Prozent von Chinas nutzbarer Wassermenge für die Landwirtschaft verwendet - doch nur ein Drittel des Wassers gelangt auch bis auf die Felder. Der größere Anteil versickert und verdunstet in den offenen Kanälen ehe er die Äcker erreicht hat.

»Neue Bewässerungsprojekte dürfen nicht gebaut werden«, mahnte daher Du Runsheng, der Chef des KP-Instituts für Landwirtschaftspolitik, »ehe nicht feststeht, ob sie nicht mehr Schaden anrichten, als sie Gutes tun.«

Vor allem aber der drastische Anstieg im industriellen Wasserverbrauch hat die Stauseen geleert und den Grundwasserspiegel abgesengt. 1949 betrug der Verbrauch in ganz China fünf Milliarden Kubikmeter, im vergangenen Jahr war er auf 60 Milliarden angestiegen. In Peking sank der Grundwasserspiegel durch das Bohren von immer neuen Tiefbrunnen seit 1970 jährlich um rund einen Meter. Im Juni war er auf einen Tiefstand von 40 Metern gefallen.

Der Wassermangel bedroht inzwischen nicht nur Peking mit seinem Tagesverbrauch von 1,6 Millionen Tonnen, er könnte sich auch auf die Landwirtschaft der gesamten nordchinesischen Ebenen verheerend auswirken. Über 100 Millionen Menschen, so schätzen westliche Agrarfachleute in Peking, wären betroffen.

Schon wurde das Wasser in 200 chinesischen Großstädten knapp, denn die Wasserressourcen der Volksrepublik entsprechen - mit 2,6 Kubikmeter pro Person - nur einem Viertel des Weltdurchschnitts. »Die Wasserknappheit«, warnte die Parteipresse daher, »ist nicht weniger bedrohlich als der Mangel an Energie oder Getreide.«

Während Sparaufrufe an das Umweltbewußtsein der Bürger appellieren, soll ein jetzt beratenes Wassergesetz den ungeplanten Raubbau eingrenzen. Fabriken, denen der Verbrauch rationiert wurde, drohen bei Überschreitung der Quoten Geldbußen in Höhe von 100000 Jüan (rund 130000 Mark).

Auch Pekings Stadtverwaltung hat reagiert: Betrieben, Hotels und Krankenhäusern wird bei Verschwendung die Wasserrechnung bis um das 50fache erhöht. Privaten und öffentlichen Verbrauchern werden selbst tropfende Wasserhähne mit Bußen zwischen 5 und 50 Jüan in Rechnung gestellt - fast einem Monatslohn.

Als vorige Woche der Taifun »Peggy« das südliche China verwüstete und 52 Menschenleben forderte, standen in der Region Lufeng fast 400000 Hektar Ackerland unter Wasser - dem Norden Chinas aber brachte das Unwetter nicht einmal den lang erwarteten Regen.

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