ASPHALT-MONOPOL Kniefall vor der Tochter
Nach mehrjährigem Freistilkampf
ist es dem hannoverschen Staatskonzern Niedersachsen GmbH gelungen, einen lästigen Konkurrenten der Privatindustrie zu schlucken, der sich mit einem bescheidenen Marktanteil den Unwillen der welfischen Staatsmanager zugezogen hatte.
Künftighin werden Asphalt-Bodenplatten, die vor allem als Fußboden-Belag in Werkhallen Verwendung finden, in Westdeutschland nur noch unter Aufsicht und zu Nutzen des Landes Niedersachsen erzeugt und vertrieben werden: Die Deutsche Naturasphalt AG (Dasag), deren Kapital (3,5 Millionen Mark) zu 96 Prozent der landeseigenen Niedersachsen GmbH gehört, hat ihrem letzten Wettbewerber, der Süddeutschen Asphalt-Werke GmbH in Amstetten (Württemberg), die Kapitaldecke entzogen.
Die staatliche Dasag im niedersächsischen Eschershausen sicherte sich ihr Plattenmonopol auf nahezu perfekte Weise. Sie erwarb nicht nur die Hälfte des Stammkapitals (1,0 Millionen Mark) der rivalisierenden Firma, das bisher der Kölner Asphalt-Fabrik Simonit-Werke GmbH allein gehört hatte; sie setzte auch die Umbenennung in Asphalt - und Betonstein-Industrie GmbH und die Sitzverlegung von Amstetten nach Eschershausen durch.
Zudem mußten sich die unterlegenen württembergischen Asphalt-Konkurrenten verpflichten, die Anfertigung von Platten in ihrem Kölner Stammwerk aufzustecken und sich mit der Produktion von sogenanntem Kaltasphalt und mit dem Straßenbau zu begnügen. Als Clou der Transaktion wurde vereinbart, daß Konkurrent Dr. Mersch, Inhaber der Kölner Simonit-Werke, von nun an auch noch die Generalvertretung der siegreichen Dasag zu übernehmen hat.
Der Kniefall des Asphalt-Mannes Mersch vor der Niedersachsentochter Dasag ist das Ergebnis unablässiger Bemühungen des niedersächsischen Finanzministers Hermann Ahrens, den Besitzstand seiner Staatsholding zu arrondieren und, vor allem, die ertragsschwachen Firmen des Konzerns - etwa die Fürstenberger Porzellanmanufaktur oder das Gestüt Bündheim - durch Expansion gewinnbringender Konzernteile über Wasser zu halten.
Aus diesem Grund war bereits im vergangenen Jahr der staatlichen niedersächsischen Triangel Holzwerkstoff GmbH eine neue Spanplattenfabrik in Lübeck angegliedert worden. Das brachte den Trianglern die Führung auf dem westdeutschen Spanholzmarkt und den Industrie-Beamten der Niedersachsen GmbH einen geharnischten Protest der betroffenen Privatindustrie ein, die »mit Beklemmung das offensive Vorgehen eines Werkes der öffentlichen Hand« registrierte (Spiegel 6/1962).
Die Proteste hinderten Ahrens und seine Staatsindustriellen weder an der Verwirklichung des Triangel-Projekts noch daran, auch der Dasag den Markt auf eine Weise zu erschließen, die Privatkonkurrent Mersch als »Behinderungswettbewerb« kennzeichnete.
So entschloß sich die Dasag, Preise und Händlerrabatte ausgerechnet jener Produkte zu senken, die auch Mersch herstellt; überdies stellte die Dasag ihren Kunden frei, die Frachtbasis selbst auszuwählen - entweder Eschershausen, den Sitz der Dasag, oder aber Köln beziehungsweise Amstetten, die Frachtbasen der Mersch-Werke. Einem Kunden in Leverkusen berechnete die Dasag beispielsweise dieselben Frachtkosten wie die Kölner Simonit-Werke, obwohl die Strecke Köln-Leverkusen nur etwa 15 Kilometer, die Strecke Eschershausen-Leverkusen aber rund 250 Kilometer beträgt.
Mersch reagierte prompt, appellierte an seine Kunden, ihn »im Kampf gegen einen im Staatsbesitz befindlichen Konkurrenzbetrieb zu unterstützen« und strengte gegen die Dasag zugleich eine Klage wegen unlauteren Wettbewerbs an. Ferner behauptete Mersch: Das Herabsetzen der Dasag-Preise sei mit kaufmännischer übung nicht vereinbar.
Jeder Zweifel an den unlauteren Absichten der Dasag, so argumentierte Mersch weiter, werde aber dadurch beseitigt, daß die staatlichen Plattenmacher die Frachtbasen ihres privaten Wettbewerbers okkupiert hätten, denn es sei
widersinnig, wenn ein Dasag-Kunde beispielsweise in Ulm seine Dasag-Platten billiger bekäme als vielleicht ein Dasag-Kunde in Hannover, obwohl der Ulmer vom Lieferwerk Eschershausen über 500 Kilometer, der Hannoveraner aber nur rund 100 Kilometer entfernt sei.
Das Landgericht Düsseldorf wies die Mersch-Klage kostenpflichtig ab. Begründung: Da sich die Hersteller von Asphaltplatten der harten Konkurrenz von Produzenten anderer Fußbodenbeläge erwehren müßten, könne man es der Dasag nicht verargen, wenn sie sich um ihrer Rentabilität willen wenigstens der Konkurrenz im eigenen Lager entledigen wolle. Mehr noch: Das Landgericht Hannover, vor dem die Dasag ihrerseits gegen Mersch geklagt hatte, untersagte Mersch jeden Hinweis an seine Kunden, er stehe im Kampf mit einem »Staatsbetrieb«.
Die Kapitulation des Privatindustriellen war nun nicht mehr aufzuhalten. Niedersachsens Finanzminister Ahrens suggerierte sich selbst, daß der Kapital-Erwerb zum Wohle der Dasag unumgänglich gewesen sei: »In zehn Jahren würde man glühende Kohlen auf unserem Haupt sammeln und uns verwünschen, weil wir das Staatsvermögen leichtsinnig vertan haben.«
Finanzminister Ahrens
Monopol für Niedersachsen