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ENGLAND / QUEEN ELIZABETH II Königin verkauft

aus DER SPIEGEL 40/1967

Ein Mann der Luftfahrt will Englands Passagierschiffe wieder flottmachen. Zunächst schickt er zwei bejahrte Damen in Pension.

Sie waren drei Jahrzehnte lang Albions Stolz gewesen. Doch Sir Basil Smallpeice, 61, einst Direktor der Fluggesellschaft BOAC, kümmerte sich nicht um Tradition. Der neue Aufsichtsratsvorsitzende der altberühmten Cunard-Reederei dachte ans Geschäft.

Er ließ Interessenten in aller Welt wissen, daß er die beiden Alten verkaufen wolle: die »Queen Mary«, 31, sowie die »Queen Elizabeth«, 27, mit 82 997 Tonnen größtes Passagierschiff der Welt.

999mal ist die »Queen Mary« über den Atlantik geschwommen. Im Zweiten Weltkrieg hatten die beiden größten Schiffe der britischen Seefahrt anderthalb Millionen US-Soldaten an Europas Fronten transportiert. Durchschnittlich nahmen sie 14 000 Mann auf einmal an Bord.

Doch nach dem Krieg dampften die Schiffe ins Defizit -- zuletzt kosteten sie 17 Millionen Mark pro Jahr. Noch 1960 kreuzten 872 000 Passagiere über den Nordatlantik, 1966 waren es 265 000 weniger.

Für lukrative Kreuzfahrten aber waren Mary und Elizabeth zu plump. Sie konnten weder den Panama- noch der Suezkanal passieren, nicht in flachen Gewässern kreuzen und nicht in kleineren Häfen anlegen.

»Es hat keinen Zweck«, befand Ex-Luftfahrer Smallpeice, »die Schiffe als Konkurrenz für Flugzeuge anzusehen.«

Sir Basils Idee wurde von der Cunard-Leitung und den 22 800 Aktionären gutgeheißen: Schiffspassagen müssen noch mehr zum erholsamen und amüsanten schwimmenden Urlaub werden. Dafür legte Cunard ein neues Schiff auf Kiel -- bei derselben Werft, die 1939 die »Queen Elizabeth« gebaut hatte.

Smallpeice räumte mit den Kabinen-Gettos auf. Auf dem neuen Schiff, so bestimmte er, darf es keine getrennten Klassen mehr geben. Die 2025 Passagiere sollen überall Zutritt haben, dürfen wahlweise in den vier Schwimmbädern planschen und sich auf allen 13 Decks vergnügen.

Auf 280 Millionen Mark war der Preis für den 58 000-Tonnen-Liner angesetzt, der mit Hilfe eines Computers navigieren und 28,5 Seemeilen machen soll. Mit nur zehn Meter Tiefgang kann er auch kleine Kreuzfahrt-Häfen erreichen. Als das Schiff letzte Woche im schottischen Glasgow von Stapel lief, waren die Kosten auf 320 Millionen geklettert -- von denen die Regierung 265 Millionen Mark als Kredit beisteuerte.

Bis Mittwoch letzter Woche war die Nachfolge-Dame Cunards für Briten nur unter dem Code-Namen »Q-4« bekannt. Glasgows Buchmacher, bei denen zahllose Wetten auf den Namen der künftigen Cunard-Königin eingingen, favorisierten »Sir Winston Churchill« und »Prince Charles«. Das Rennen machte schließlich ein 14:1-Außenseiter: Englands Königin gab dem Schiff auf Vorschlag Cunards ihren eigenen Namen -- »Queen Elizabeth II«.

Die ausrangierte Mary wird ihren Ruhestand in der Neuen Welt genießen -- als schwimmendes Museum und Bar-Schiff vor dem kalifornischen Long Beach, das 13,8 Millionen Mark für den Koloß bezahlte. Vergebens hatte zuvor New Yorks Oberbürgermeister Lindsay acht Millionen Mark geboten, um aus dem Luxusliner eine schwimmende Schule für die Kinder der Farbigengettos seiner Stadt zu machen.

Die alte »Queen Elizabeth« soll noch ein Jahr auf dem Atlantik schwimmen -- bis ihre jüngere Schwester den Liniendienst aufnimmt. Für die Pensionärin interessiert sich Honolulu. »Elizabeth« soll vor Waikiki Anker werfen.

* Mit Prinzessin Margaret beim Stapellauf in Glasgow.

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