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STAHL-DIVIDENDEN Kommandosache

aus DER SPIEGEL 43/1962

Seit Wochen stellen die kaufmännischen Direktoren der westdeutschen Stahlkonzerne ihrem Kollegen Hans-Jörg Sendler vom Vorstand der Klöckner-Werke AG in Duisburg nach, um von ihm zu erfahren, wie hoch in diesem Jahre die Klöckner-Dividende ausfallen wird.

Sendler vertröstet die Ruhrmanager auf den 30. Oktober. An diesem Tage wird der Klöckner-Aufsichtsrat entscheiden, ob das Unternehmen seinen Aktionären wie im Vorjahr einen zwölfprozentigen Gewinnanteil ausschüttet oder die Dividende wegen der abflauenden Stahlkonjunktur reduziert.

Die übrigen großen Stahlfirmen und ihr Aktionärsvolk erwarten das Ergebnis deshalb so gespannt, weil der Duisburger Konzern ungewollt zum Dividenden-Schrittmacher an der Ruhr geworden ist: Sein Geschäftsjahr endet bereits am 30. Juni, während die Konkurrenzfirmen erst zum 30. September oder zum Jahresende Bilanz machen. Der Dividendensatz, zu dem Klöckner sich entschließt, wird seit einigen Jahren anschließend auch von den anderen großen Stahlkonzernen verkündet.

Als Klöckner 1960 die Dividende auf zwölf Prozent erhöhte, zogen prompt die August Thyssen-Hütte AG, die Hoesch AG, die Phoenix-Rheinrohr AG, die Hüttenwerk Oberhausen AG und die Stahlwerke Bochum AG nach. Auch als Klöckner im Jahre 1961 die Dividende wider Erwarten nicht erhöhte, blieb die Konkurrenz an der Zwölf-Prozent-Marke kleben.

Höhere Dividenden wären 1961 durchaus möglich gewesen. Die Phoenix -Rheinrohr AG zum Beispiel hatte einen Gesamtgewinn von mehr als 53 Millionen Mark erwirtschaftet und wäre imstande gewesen, auf die 276 Millionen Mark Aktienkapital mindestens 19 Prozent Dividende zu zahlen. Der Vorstand führte jedoch statt dessen 20 Millionen Mark der Firmenrücklage zu und wies für die Dividende 33 120 000 Mark aus

- so viel wie nötig war, um den zwölfprozentigen Einheitsgewinn der Ruhr auszuwerfen.

Die wirkliche. Ertragslage spielte nur eine untergeordnete Rolle. An den Umsatzerlösen der Firmen gemessen betrug im Jahre 1961 die Dividende bei der

- Stahlwerke Bochum AG 0,85 Prozent,

- Phoenix-Rheinrohr AG 1,72 Prozent,

- Klöckner-Werke AG 1,96 Prozent, - August Thyssen-Hütte AG 2,16 Prozent,

- Hoesch AG 2,33 Prozent,

- Hüttenwerk Oberhausen AG 2,96 Prozent.

Während aber bisher die Jahresgewinne stets ungleich höher als die Dividendensummen waren und Klöckners Vorentscheid für die Manager lediglich klärte, wieviel vom Jahresgewinn in den Rücklagen versteckt werden mußte, ist das Warten auf die Duisburger Ausschüttung in diesem Jahre sehr viel spannender. Die Umsätze der Stahlkonzerne stagnieren oder gehen zurück, und Überschüsse zur Anreicherung der Rücklagen werden durchweg nicht mehr erzielt.

Westdeutschlands Rohstahlproduktion, die 1960 rund 34,1 Millionen Tonnen und 1961 noch 33,5 Millionen Tonnen erreichte, wird in diesem Jahr weiter, auf etwa 32 Millionen Tonnen, absinken. In der gleichen Zeit sind die Lohnkosten der Stahlkocher um fast zehn Prozent gestiegen und die Umsatzerlöse geschmolzen.

Einige Firmen mußten die Produktion drosseln. So gab das Hüttenwerk Oberhausen die Auskunft: In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres (vom 1. Oktober 1961 bis zum 30. Juni 1962) ging der Umsatz um 12,2 Prozent zurück.

Wie in Oberhausen, so brüten auch bei den anderen Firmen die Vorstände darüber, welcher Dividendensatz angesichts der verblassenden Bilanzen angemessen wäre. Sie schielen nach Klöckner-Duisburg und werden vermutlich ihre Ausschüttung wieder am Klöcknerschen Dividendensatz orientieren. Bleibt der Duisburger Schrittmacher bei seinen zwölf Prozent, werden sie vermutlich mithalten, selbst wenn sie dabei die Rücklagen aus fetteren Jahren angreifen müssen.

Das nicht zuletzt auf die Börse abzielende Prestige-Motto an der Ruhr lautet: Was Klöckner zahlt, können wir auch.

Klöckner-Direktor Sendler Prestige in Prozenten

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