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CDU-OSTPOLITIK Kontakt zu Mao

Gerhard Schröder wartet auf eine Einladung von Tschou En-lai. Die CDU empfiehlt auch der Regierung eitlen Flirt mit Maos China.
aus DER SPIEGEL 21/1971

Im Wahlkampf 1969 hatte der Kanzler und CDU-Chef Kurt Georg Kiesinger den Bürgern mit dem Schreckensruf »China, China, China« Angst einjagen wollen. Heute verlangen führende Christdemokraten eine Annäherung Bonns an Maos rotes Riesenreich.

Das Signal gab der Reserve-Staatsmann und Kanzler-Bewerber der Union Gerhard Schröder: Schon seit Wochen bereitet der ehemalige Außenminister eine spektakuläre Reise nach Peking vor.

Schröder möchte auf dem Saarbrücker CDU-Parteitag im Oktober, der mit der Wahl des neuen Parteivorsitzenden zugleich eine Vorentscheidung über den Kanzlerkandidaten der Union fällen wird, mit dem Prestige eines diplomatischen Pioniers erscheinen.

Noch steht die erwartete Einladung durch die rotchinesische Regierung. möglichst von Ministerpräsident Tschou En-[ai selber, aus: darunter möchte es der Christdemokrat nicht tun. Auch erhofft sich Schröder einen inoffiziellen Sondierungsauftrag des Auswärtigen Amts. Denn er will nur auf eigenen Gewinn, nicht aber auf eigene Gefahr reisen. Seine Position als Vorsitzender des Auswärtigen Bundestagsausschusses bietet ihm nicht genügend Deckung.

Anders als Schröder, der das China-Geschäft vornehmlich zur Mehrung des eigenen Ansehens betreiben möchte, sehen christdemokratische Parteifreunde in Kontakten zu Mao ein vorzügliches Mittel, die Sowjet-Union zu verärgern und damit zugleich Willy Brandts Ostpolitik zu stören. Dabei half ihnen der neue China-Kurs der USA: Seit Richard Nixon mit Mao diplomatisches Pingpong spielt, ist Rotchina auch für deutsche Konservative salonfähig.

Der Arbeitskreis Außenpolitik der CDU/CSU-Fraktion, der von dem Moskau-Feind Werner Marx geleitet wird, ließ sich von einem Journalisten die Parole für eine neue China-Politik liefern. Carl Gustaf Ströhm, Leiter des Programms Südosteuropa bei der Deutschen Welle. belehrte die Abgeordneten in einem Bericht über den KPdSU-Parteitag: »Für die Bundesrepublik schließt eine gute Ostpolitik eine gute China-Politik ein.« Und Arbeitskreis-Chef Marx verlangte die Einrichtung einer offiziellen westdeutschen Handelsmission in der chinesischen Hauptstadt.

Auch Ostexperte Richard von Weizsäcker empfiehlt der Regierung den Blick in den Fernen Osten: »Wir müssen davon ausgehen, daß sich innerhalb von zehn Jahren das Schwergewicht der Welt- und der Handelspolitik in den Pazifik verlagert. wo sich die vier Weltmächte USA, Japan, Sowjet-Union und China begegnen.« Sorgfältig werde die CDU »beobachten, ob die Regierung in mißverstandener Bemühung um Moskau hier ihre Interessen vernachlässigt«.

in Willy Brandts Kabinett nahm lediglich Verteidigungsminister Helmut Schmidt den Ball der Union auf. Die Bundesrepublik. so Schmidt, solle »in nicht allzu ferner Zukunft zu erkennen geben, daß sie die Bedeutung der Volksrepublik China in der Weltpolitik richtig einzuschätzen weiß«.

Die Ostpolitiker in Walter Scheels Auswärtigem Amt dagegen bewerten alle Tändeleien mit der Volksrepublik China zurückhaltend. Sie haben bislang kein Signal aus Peking empfangen und erwarten gegenwärtig sogar, daß die Mao-Regierung auf Bonner Vorstöße kühl reagieren würde. Denn trotz ideologischer Differenzen sei China nicht bereit, Bonn zuliebe der DDR die Solidarität zu kündigen.

Völlig abwegig erscheint den AA-Diplomaten der Versuch, eine China-Politik mit antisowjetischer Spitze zu betreiben. Ein Scheel-Berater: »Wir können keine Zangenbewegung Bonn -- Peking gegen Moskau führen wollen. Das wäre eine völlige Überschätzung unserer Möglichkeiten.«

Auch in der Union selber stößt die Aktion China auf Widerstand, vor allem bei altkonservativen Volksvertretern. die bisher auf Freundschaft zu Marschall Tschiang Kai-schek und seiner Inselrepublik Taiwan fixiert waren.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion und CSU-Abgeordnete Leo Wagner, auf dessen Schreibtisch ein silbergerahmtes Tschiang-Photo mit persönlicher Widmung steht: »Wenn man in neuen Gebieten sondiert, soll man alte Freunde nicht vergessen.«

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