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ZAHNÄRZTE Konto 021.141.9

Wieder einmal ist ein hoher Ärztefunktionär in den Verdacht zweifelhafter Finanzpraktiken geraten.
aus DER SPIEGEL 6/1979

Einem Streit ging Eduard Knellecken bislang selten aus dem Weg. Mal legte sich der Düsseldorfer Zahnärzte-Funktionär mit der Zuckerindustrie an, mal mit dem Sozialministerium; er inszenierte Jahr für Jahr handfesten Krach mit den Krankenkassen, und seine kompromißlose Honorarpolitik zog er auch gegen Widerstand in den eigenen Reihen durch.

Doch in der letzten Zeit scheint Knelleckens Kampfeslust merklich gedämpft. Verbandsquerelen bei der Kassen-Zahnärztlichen Vereinigung Nordrhein legte er vergangene Woche auf ungewohnte Weise bei: Der Vorsitzende Knellecken trat wegen »Meinungsverschiedenheiten« mit Vorstandskollegen zurück.

Ein neuer Widersacher erfordert vollen Einsatz. Dieses Mal ist es die Oberfinanzdirektion Düsseldorf, gegen die Knellecken antreten muß -- in einer heiklen Kontroverse, die den Multi-Funktionär womöglich auch zum Verzicht auf seine Ämter als Vorstandsmitglied des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte und als stellvertretender Vorsitzender der Kassen-Zahnärztlichen Bundesvereinigung bewegt.

Denn wenige Tage bevor er sich als langgedienter Anführer der nordrheinischen Zahnärzte verabschiedete, nahmen sich Düsseldorfer Steuerprüfer Knellecken vor und stießen auf diskrete Auslands-Geschäfte: Mietshäuser in Kanada und ein Nummernkonto in Liechtenstein.

Wieder einmal geriet, wegen eigenwilliger Vermögensbildung, ein prominenter Ärztefunktionär ins Zwielicht.

1973 war Ernst Fromm als Präsident der Bundesärztekammer abgetreten, weil er in eine Affäre mit einer dubiosen Abschreibungsfirma verwickelt war; sein Nachfolger Hans Joachim Sewering geriet unter Beschuß, weil er sechsstellige Honorare etwas außerhalb der Standessitten kassierte; im vergangenen Jahr gab Sewering unter dem Druck seiner Kollegen sein Amt ab. Mit Eduard Knellecken hat es nun einen von den bohrenden Kollegen erwischt.

Um sein Erspartes gut unterzubringen, ging Knellecken überaus professionell vor. Anweisungen gab er nicht über das Telephon seiner Praxis oder seiner Wohnung, Briefe tippte er eigenhändig, Post ließ er sich an Deckadressen schicken.

Mit konspirativen Methoden mußten auch seine Vermögensberater arbeiten. Knellecken-Anweisung: »Bitte verwenden Sie wechselnde Absender und unterschiedliche Briefumschläge, verschiedene Briefmarken, und -- wenn möglich -- lassen Sie Ihre Briefe schon einmal an anderen Orten aufgeben.«

Post an ihn, so Knellecken, könne »in unregelmäßigen Abständen an Fräulein Verena Lewon, D 4000 Düsseldorf, Altstraße 83** gerichtet werden«.

Wenig später aktivierte der Zahnarzt eine andere Düsseldorfer Bekannte: die Psychologin Renate Mehrer**, die Anfang 1971 nach Rüthi im Kanton St. Gallen umgesiedelt war. Ab August 1976 ließ Knellecken einschlägige Korrespondenz nur noch über den Briefkasten von Frau Mehrer abwickeln.

Und mit einem Höchstmaß an Sicherheit schottete der Steuersparer sein Nummernkonto in Vaduz ab. Nicht einmal seine »Bank in Liechtenstein AG« durfte wissen, wem das Konto 021.141.9 gehört. Knellecken an einen Konfidenten: »In der Überweisung weder meinen Namen noch meine Anschrift, sondern -- wie bisher -- nur die Kontonummer angeben.« In einem anderen Schreiben schärfte er noch einmal ein: »Überweisungen sollten meinen Namen nie enthalten.«

Der Düsseldorfer hatte allen Grund, sein Vermögen abzuschirmen. Denn kein anderer Zahnärzte-Funktionär stritt so erbittert mit den Krankenkassen um höhere Honorare, kein anderer jammerte so laut über die miserable Einkommensentwicklung wie Eduard Knellecken.

Seit 1967, 50 ließ Knellecken ausrechnen, sinke das Realeinkommen der Zahnärzte von Jahr zu Jahr, und derzeit verdiene ein Durchschnittszahnarzt real ein Fünftel weniger als 1975. Gleichwohl blieben dem Funktionär ein paar Mark für Immobilienkäufe übrig: Allein in der kanadischen Provinz Alberta erwarb er in vier Jahren Immobilien im Wert von 800 000 Dollar, darunter 41 Apartments.

Wenn auch mit Hypotheken -- wie der Doktor das geschafft hat, ist erstaunlich. Denn, so behauptete Knellecken einmal, ein Zahnarzt komme auf einen Stundenlohn von 5,48 Mark.

Das muß wohl jener Betrag sein, den er in seiner Steuererklärung angibt. ·

* Haus mit 23 Apartments in Calgary.

** Namen geändert.

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