Kontrollreisen sind besser
(Nr. 22/1975, Staatstourismus: Der Wandertrieb Bonner Politiker kostet die Steuerzahler jährlich Millionen)
In Ihrem Bericht heißt es unter Berufung auf einen »mißgünstigen Bundesbediensteten« über die Präsidentin des Deutschen Bundestages: »Fast jede sitzungsfreie Woche treibt sie sich mit einer Delegation irgendwo herum.« Da es jährlich im Durchschnitt 26 sitzungsfreie Wochen gibt. müßte man daraus etwa ebenso viele Auslandsreisen der Präsidentin mit Bundestagsdelegationen schließen. Tatsache ist jedoch. daß Frau Renger 1973 an der Spitze von Delegationen Rumänien (Mai). Schweden (Juni) und die UdSSR (Oktober) besucht hat. 1974 leitete sie Delegationen in die USA (April) und nach Polen (November). Für 1975 sind Reisen nach Bulgarien (Juni) und nach Österreich (Juli) vorgesehen. -- Die erwähnten Reisen der Präsidentin erfolgten auf entsprechende Einladungen beziehungsweise Gegeneinladungen und sie führten überwiegend in Länder. in denen zum ersten Mal eine Delegation des Bundestages zu Gast war. -- Sinn und Zweck der Auslandsreisen ist nicht etwa die schnöde Befriedigung touristischer Wünsche, sondern die Aufnahme persönlicher Kontakte zu den Parlamentariern anderer Länder. Daß erst dadurch die Chance eröffnet wird, die Zielsetzungen und Motive der deutschen Politik in persönlichen Gesprächen eingehend zu erläutern und gleichzeitig die Haltung der besuchten Länder zu wichtigen Fragen kennenzulernen, sollte ebenfalls nicht geflissentlich übersehen werden. -- Parlamentarier, die auf derartige Möglichkeiten verzichten und sich über außen politische Vorgänge nur von der Regierung unterrichten lassen würden, müßten sich doch wohl zu Recht vorwerfen lassen, ihre Entscheidungsbefugnis und ihre Kontrollfunktion zu vernachlässigen.
Bonn DIETRICH FEUERHERDT Leiter des Presse- und Informationszentrums des Deutschen Bundestages