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Briefe

Kosmetische Operation
aus DER SPIEGEL 30/1975

Kosmetische Operation

(Nr. 28/1975, Schulen: Verlage revidieren umstrittene Lesebücher)

Der SPIEGEL berichtet, die neuen Auflagen der linken Bücher seien entschärft worden. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine kosmetische Operation; die Richtung ist eindeutig wie zuvor. Hierzu ein einziges Beispiel: Wäre das nicht fabelhaft: Mein und dein wird abgeschafft! Dann kriegt jeder immer alles, wann er"s braucht!

So heißt es in der neuen Ausgabe des Lesebuches »Bunte Drucksachen 2« für die Siebenjährigen (Pro Schule Verlag). Das Lehrerhandbuch erläutert das hierzu gehörige Lernziel: der Lehrer soll »an der konjunktivischen Fassung »Wäre das nicht fabelhaft« nachweisen. daß es sich hier um eine Wunschvorstellung der Kinder handelt«. Mit anderen Worten: Die Lehrerschaft wird genötigt, etwas zu beweisen, das nicht zutrifft, und insofern die Ideologie an die Stelle der Wirklichkeit zu setzen. Sinnigerweise heißt es in demselben Lehrer-Handbuch in der gewohnten geschraubten Form: »Das didaktische Problem liegt darin, daß Wertungskompetenz nicht durch Vorbewertung. die vom Schüler nur passiv nachvollzogen werden kann, erreichbar ist.« Eben!

Bad Harzburg ULFRIED WEISSER

Dipl.-Volkswirt

Nun ist Ihr Technokratenblättchen also endlich auch so weit, sich auf die Seite der technokratischen Bildungsreformer zu schlagen.

Bonn MANFRED RADUSCH

Erfreulich, daß Sie die Kleinkariertheit, die ideologische Einseitigkeit und die didaktische Ignoranz vieler Kritiker der neuen Lesebücher ankreiden, wo dies notwendig ist. Zu begrüßen ist auch, daß durch Sie einmal außerhalb von Fachzeitschriften nachgewiesen wird, wie inhaltliche Schulreform in Deutschland wiederum weniger am Erkenntnisstand der Erziehungswissenschaft als an den Interessen mächtiger gesellschaftlicher Gruppen orientiert werden soll. Um so erstaunlicher muß es anmuten, daß Sie gegenüber dem Lesebuch »Drucksachen« bei aller Anerkennung in einem Punkt unerbittlich bleiben: Texte aus der Arbeitswelt müssen heroisch und heiter sein, und soziale Ungerechtigkeiten -- gibt's die? Müssen wir unsere Kinder damit belasten?

Kaarst (Nrdrh-Westf.) ULRICH VOSSEN »Drucksachen«-Autor

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