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VERLAGE / SPRINGER-VERKAUF Kranke Kinder

aus DER SPIEGEL 32/1968

Über zwei Jahrzehnte hat. Axel Springer Zeitungen und Zeitschriften verkauft, um groß zu werden. Seit zwei Monaten verkauft er Zeitungen und Zeitschriften, weil er kleiner werden will.

Ende Juni löste Springer seine Münchner Dependance auf: Die Familien-, Pärchen- und Jugendblätter »Eltern«, »Jasmin«, »Bravo« und »Twen« gingen an den Stuttgarter Drucker Weitpert, sein »Neues Blatt« an den Hamburger Zeitschriften-Konzern Bauer.

Am Mittwoch letzter Woche schrumpfte er seine Berliner Abteilung: Aus dem Ullstein-Verlag, dessen Renommee in der Weimarer Zelt mit Blättern wie der »Berliner Illustrierten« begründet wurde und den Springer nach dem Krieg stückweise von den Ullstein-Erben zusammenkaufte, stieß er nun einen Schwung Fachzeitschriften sowie eine Fachbuchabteilung an den Bertelsmann-Konzern in Gütersloh ab. Die traditionellen Ullstein-Blätter »BZ« (Auflage 354 000) und »Berliner Morgenpost« (246 000) bleiben hingegen in Springers Besitz.

Springers Generalbevollmächtigter Christian Kracht über die Begradigung des Berliner Konzern-Komplexes: »Ohne kranke Kinder aufzukaufen, lohnen sich solche Fachblätter nicht.« Derlei Zukäufe aber scheut der Konzern zur Zeit. Kracht: »Eine Expansion ist uns aus pressepolitischen Überlegungen zur Zeit nicht möglich,« Darum wurden nun verkauft:

* das Architekten-Fachblatt »Bauwelt« (Auflage: 8600) samt einem jährlich erscheinenden »Bauweltkatalog« (13 000);

* das Export-Anzeigenblatt »Echo« (71 000);

* das Fachblatt für Schleif- und Poliertechnik »Oberfläche« (4300);

* das klebetechnische Fachblatt »Adhäsion« (4500);

* die monatlich erscheinende Lehrlingsfibel »Praxis des Kaufmanns« (11 000);

* das alle zwei Jahre erscheinende Prüf-, Meß- und Kontrollgerätelexikon« (PMKL);

* eine Fachbuchabteilung des Ullstein-Verlags, in der bisher rund 300 Bücher für Graphiker, Kaufleute und Bautechniker erschienen sind.

Die Berliner Transaktion, deren Finanzvolumen unter fünf Millionen Mark blieb, mindert zwar die Zahl der bei Springer erscheinenden Zeitungen und Zeitschriften auf nunmehr zehn*, ist aber wirtschaftlich weder für Verkäufer Springer (Jahresumsatz: 900 Millionen) noch für Käufer Bertelsmann (Jahresumsatz: 600 Millionen) ein nennenswerter Posten. Bertelsmann-Geschäftsführer Rudolf Wendorff: »Die Berliner Geschichte macht doch höchstens einige Millionen Umsatz im Jahr.«

Gleichwohl war den Güterslohern, die einen buntscheckigen Konzern aus Leseringen (vier Millionen Mitglieder), Filmfirmen (60 Uraufführungskinos) und einer Eierproduktion (900 000 Rennen) betreiben, die Berliner Geschichte ein Zugeständnis wert.

Springers Kracht: »Wir wollten die Objekte unbedingt in Berlin halten.« Bertelsmann gründete zur Erfüllung dieser Auflage eine »Berliner Fachverlags GmbH« und mietete in Springers »Iduna«-Haus an der Charlottenstraße eine Büroetage (Quadratmeterpreis: vorerst 3,50, später sechs Mark).

Der Bertelsmann-Konzern war mit einer »Deutschen Bauzeitschrift« (Auflage: 22 000) und dem »Tiefbau« (4500)

* »Bild«, »Bild am Sonntag«, »Hamburger Abendblatt«, »Hör zu«, »Funk-Uhr«, »Kicker«, »Die Welt«, »Welt am Sonntag«, »BZ« und »Berliner Morgenpost«.

schon zuvor im Fachzeitschriftengeschäft angesiedelt, Geschäftsführer Wendorff: »Mit den Berliner Sachen erreichen wir jetzt eine gesunde Größe.«

Und bald soll diese Sparte des Gemischtwaren-Konzerns vor Gesundheit strotzen: »Wir werden diese Branche noch weiter ausbauen, das ist gar kein Geheimnis.«

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