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Briefe

Kreativ und mitmenschlich
aus DER SPIEGEL 20/1978

Kreativ und mitmenschlich

(Nr. 16/1978, SPIEGEL-Titel »Die Computer-Revolution")

Der Arbeiter in dem Titelphoto dreht dem Ungeheuer von Computer resigniert, die Arme schlapp herunterhängend, den Rücken zu und demonstriert so die Ohnmacht des Menschen. Schon die Hippies rebellierten gegen das Regiment einer von der Maschine determinierten Gesellschaft. Ihre sanfte Rebellion konnte leicht »weggefegt« werden. Der derzeitige Aufstand der jüngeren Generation gegen den »faustischen Handel« weist verzweifelte Züge auf.

Hamburg VERONIKA GRUDINSKI

Diese Entwicklung nur ein paar Schritte weiter gedacht, müßte es doch ein leichtes sein, Mensch-Maschinen zu bauen, welche die von den Arbeits-Robotern produzierten Güter verbrauchen.

Boos (Rhld.-pf.) ERHARD HÖHN

Die Maschinenstürmer waren und sind schlecht beraten. Nicht die Automation ist schlecht, sondern das soziale System.

Lüchow (Nieders.) CHUBANSHE OUYA

Zum Thema »Computer-Revolution« hat der Vater der Kybernetik, Norbert Wiener, schon 1947 (!) hellsichtig geurteilt:

Stellt man sich ... diese zweite industrielle Revolution als abgeschlossen vor, so wird das durchschnittliche oder noch geringere menschliche Wesen nichts zu »verkaufen haben, was für irgend jemanden das Geld wert wäre. Die Antwort ist natürlich, daß wir eine Gesellschaft brauchen, die auf menschliche Werte gegründet ist und nicht auf Kaufen und Verkaufen.

Düsseldorf VOLKER SCHWEISFURTH

1,2 Millionen Arbeitsplätze seien von 1970-77 wegrationalisiert worden. Das ist eine grobe Irreführung. Die Hauptursache ist konjunktureller Art. Die Mikroelektronik wird uns von Routinearbeiten befreien und höher qualifizierte Arbeitsplätze schaffen -- entsprechend dem ohnehin schon hohen Lohnniveau in unserem Lande, das nur dadurch auch in Zukunft zu halten sein wird.

Die neuen Technologien werden eine Umstrukturierung unserer Arbeitsplätze zur Folge haben, aber keineswegs in dem negativen Sinn, wie von Ihnen beschrieben.

München DR. RER. NAT. ERNST HOFMEISTER

Wenn wir mit Minicomputern mehr und mehr vollautomatische Fabriken schaffen (Beispiel wenn eine Fabrik mit einem Dutzend Arbeitern den gesamten europäischen Bedarf an Glühbirnen produzieren kann), Auto- und Stahlproduktion ohne eine relevante Zahl von Arbeitnehmern auskommen, dann wird auch der überzeugte Anhänger einer Marktwirtschaft zu dem Ergebnis kommen müssen, daß man diese Produktion nicht mehr der Privatwirtschaft überlassen kann. Rationalisiert man also in die Sozialisierung hinein, wenn man sich keine Selbstbeschränkung auferlegt?

Stuttgart PROFESSOR HANS TAXIS

Die Chance liegt in der kreativen und mitmenschlich orientierten Dienstleistung, die unsere Gesellschaft wohl sehr nötig hat. Diese wird die Elektronik nie ersetzen können. Ob allerdings diese kreative und mitmenschlich orientierte Dienstleistung wirtschaftlich organisiert oder im privaten Bereich (sprich durch geeignete Arbeitszeitverkürzung) geschaffen wird, ist die Frage.

Karlsruhe (Bad-Württ.) DR. H. REMPP

Ohne die dem »Fortschritt« innewohnende Erhöhung der Arbeitsproduktivität wären weder die in der Bundesrepublik schon fast zur Gewohnheit gewordenen Erhöhungen der Realeinkommen noch die in den letzten Jahrzehnten durchgeführten Verkürzungen der Arbeitszeit möglich gewesen.

Günter Friedrichs und andere namhafte Ökonomen hatten bereits auf den internationalen Arbeitstagungen der Industriegewerkschaft Metall der Jahre 1963, 1965 und 1968 vor den katastrophalen Freisetzungen gewarnt, die der technische Fortschritt zur Folge haben würde, ohne daß diese Prognosen in dem prophezeiten Umfang eintrafen, weil die durch die erhöhten Realeinkommen ermöglichte Steigerung der Güternachfrage die in einer Industrie verlorengegangenen Arbeitsplätze durch neue Arbeitsplätze an anderer Stelle wieder ersetzte.

Es gibt keine Erhöhungen der Realeinkommen und damit des Wohlstandes ohne Erhöhung der Arbeitsproduktivität. Es gibt leider auch keine wirtschaftliche Entwicklung ohne vorübergehende Friktions- beziehungsweise Entwicklungsarbeitslosigkeit. Es verliert andererseits aber auch ein Land, in dem (wie etwa in Großbritannien) der Fortschritt künstlich gebremst wird, seine internationale Konkurrenzfähigkeit: es wird rückständig. Wer in einem Land wie der Bundesrepublik, in dem etwa jeder vierte Werktätige für den Export arbeitet, sich gegen den »Fortschritt« entscheidet, riskiert eine Vervielfachung der schon jetzt zu hohen Arbeitslosigkeit.

Berlin PROFESSOR DR. JUR. DR. RER. POL. DR. H. C. HELMUT ARNDT

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