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Kuba: »Andere sollen nicht für uns kämpfen«

Von Washington unter Druck gesetzt, von Moskau wirtschaftlich abhängig, hat sich Fidel Castro entschlossen, den Export der kubanischen Revolution abzustoppen. Castros Bilanz zum 25. Jahrestag seiner Machtergreifung am 1. Januar 1984 ist zwiespältig, Rückzug hinter die eigenen Schanzen scheint nötig. *
aus DER SPIEGEL 52/1983

Nur wenige Plakate in Havanna künden vom großen Tag, Sondersendungen in Rundfunk und Fernsehen sind nicht vorgesehen, und wenn es sich die Propagandisten nicht in letzter Minute noch anders überlegen, feiert Kuba am 1. Januar den 25. Jahrestag seiner permanenten Revolution ganz ungewöhnlich: ohne Pauken und Trompeten.

Fidel Castro, 57, Führer der Revolution und längst Staats-, Regierungs- und Parteichef in einer Person, dazu Oberbefehlshaber der kubanischen Streitkräfte, wird nicht - wie gewöhnlich - auf dem eigens für Massendemonstrationen im Zentrum Havannas angelegten Platz der Revolution seine Gedenkrede halten. Der »Maximo lider« redet, weitaus bescheidener, auf kleinem Markt in Santiago de Cuba: an der Stelle, wo er im Januar 1959 nach dem Sieg seiner Guerrilleros über den Diktator Batista zum ersten Mal zum kubanischen Volk sprach.

Das wahre Fest können die Kubaner in den Markthallen feiern: Zum ersten Mal seit dem Sieg der Revolution werden seit einigen Tagen auf Kuba frische Äpfel verkauft, das Pfund zu einem Peso (etwa drei Mark).

Gerüchte sagen, daß es auch noch Birnen zu kaufen geben soll - für Kuba ein sensationeller Vorgang. Denn auf der Insel in der Karibik ist inzwischen eine ganze Generation herangewachsen, die den Geschmack von frischen Äpfeln und Birnen nur vom Hörensagen kennt.

Daß die Gerüchtemacher behaupten, die Äpfel könnten gar nicht - wie amtlich angekündigt - aus Bulgarien stan men, sie seien so süß wie eben nur Äpfel aus Kalifornien, macht dieses Warenangebot zwar ideologisch bedenklich, für die Kubaner aber nicht weniger attraktiv.

Äpfel und Birnen statt üblicher Volksaufmärsche und Durchhalte-Parolen - eine Geste müde gewordener Revolutionäre mit hintergründiger Symbolik?

Vieles spricht dafür. Denn die Bilanz, die Fidel Castro nach einem Vierteljahrhundert Revolutionsherrschaft und Revolutionsrhetorik vorzulegen hat, ist nicht nur für ihn, sondern auch für die meisten der rund zehn Millionen Kubaner auf der Insel weithin negativ.

Der Versuch, die kubanische Selbstbefreiung der übrigen Welt als voluntaristisches Modell für unbestechliche Volksherrschaft, für erfolgversprechenden Kampf gegen Hunger, Unterdrückung und Unwissenheit hinzustellen, ist gescheitert.

Der »neue Mensch«, von dem Fidels Kampfgefährte Che Guevara schwärmte, der, angespornt durch den Sieg der Revolution, selbstlos dem Vaterland dient, der bereit ist, für die Gesamtheit Opfer zu bringen und freiwillig auf persönliche Vorteile zu verzichten, ist auch auf Kuba noch nicht geboren. Das Ideal blieb eine Phrase.

Vor allem aber: Das Propagandaklischee dieser kubanischen Revolution - mehr als zwei Jahrzehnte ihr wichtigster Exportartikel - verblaßt vor einer veränderten Wirklichkeit.

Das Bild von dem bärtigen Guerillahelden, der mit der Kalaschnikow in der Faust und der rechten linken Gesinnung gegen jede Übermacht in der Welt antritt und siegt, wirkt fast rührend in einer Zeit, in der die Großmächte USA und Sowjet-Union elektronisch gesteuerte Atom-Raketen gegeneinander aufstellen, mehr als zehnmal genug, um den gesamten Erdball zu vernichten.

Deshalb hätte für die Symbolik dieses Jubiläums viel besser die letzte Großkundgebung auf dem Platz der Revolution vor fünf Wochen gepaßt - eine Totenfeier für Kubas Gefallene auf Grenada nach der amerikanischen Invasion.

Fünfmal war Fidel Castro, begleitet von seinem Bruder Raul, dem Armeegeneral und Vizepräsidenten, zum Flugplatz von Havanna gefahren, um persönlich die 755 Überlebenden der »brutalen Yankee-Aggression« zu begrüßen.

Fast alle, die nur in Hemd und Hose, teilweise verwundet und mit blutbefleckten Verbänden die Gangway herunterkamen, machten nicht den Eindruck sieggewohnter Helden. Westliche Journalisten, nach Havanna eingeladen, bekamen denn auch sehr schnell heraus, daß diese »gefährliche Subversionstruppe«, wie sie US-Präsident Reagan zur Rechtfertigung

seiner Grenada-Invasion nannte, tatsächlich Lehrer, Traktoristen und Bauarbeiter waren.

Mit der letzten Maschine des Internationalen Roten Kreuzes kamen die 24 kubanischen Toten, sie wurden im Mahnmal für den Nationalhelden Jose Martin aufgebahrt. Während der Nacht nahmen mehr als eine halbe Million Kubaner Abschied an ihren Särgen.

Als tags darauf Fidel Castro sprach, waren noch einmal mehr als eine Million Menschen zum Abschiednehmen dabei - Abschied auch von der Illusion, Kuba könne die USA und deren »Arroganz der Macht« für den Mord an den Companeros wirksam bestrafen.

Das machte auch der Maximo lider in seiner Trauerrede klar. Er zählte zwar der US-Regierung 19 Lügen vor, mit denen sie den Grenada-Überfall begründet hatte, und verglich Reagan mit »Hitler in den Jahren, als der den Zweiten Weltkrieg entfesselte«.

Er nannte - im Gegensatz zur Sowjet-Union - den bei dem Putsch ermordeten Grenada-Präsidenten Bishop den »wirklichen Kambodschaner Pol Pot« und machte sich Vorwürfe, seine Bauarbeiter nicht früher evakuiert zu haben.

Aber am Ende der Rede war nicht von Rache und Vergeltung die Rede, sondern von der Furcht, den USA könne es einfallen, ihre Marines nun auch nach El Salvador und Nicaragua und am Ende auch nach Kuba zu schicken.

Der drohende Schatten der USA ist plötzlich übermächtig geworden. Ein Vierteljahrhundert lang haben Castro und seine Gefolgschaft dem Druck des mächtigen Nachbarn standgehalten - länger als jedes Regime, das den USA in ihrer Einflußsphäre nicht paßte.

Die mit Unterstützung der USA organisierte Konterrevolution scheiterte 1961 kläglich in der Schweinebucht, ein Jahr später, in der Raketenkrise, war Kuba beim Rückzug der Sowjets mehr Objekt als Subjekt der Weltgeschichte. Mehrmals plante die CIA Fidel Castro umzubringen, und die nahezu totale Wirtschaftsblockade der USA gegen Kuba erwies sich, trotz der Dauerkrise auf Kuba, als wirkungslos.

Aber: Die von den Linken in aller Welt einst umjubelte Resistance des David gegen den Riesen, vor allem in der Dritten Welt schon als »antiimperialistischer Sieg« gefeiert, erwies sich als wirkungslos, da die Supermacht USA ungestraft ihre militärische Übermacht ausspielen konnte. Das war für die Völker der Karibik und Lateinamerikas die bittere Lehre aus Grenada.

Da hilft es wenig, daß die kubanische Revolution auch stolze Erfolge aufweisen kann. In der Sozialfürsorge, im Schul- und Gesundheitswesen steht Kuba, längst von Weltorganisationen wie Unesco und WHO anerkannt, unter den Entwicklungsländern an erster Stelle.

Jede Mutter bringt ihr Kind laut Gesetz nur unter ärztlicher Aufsicht zur Welt, die Säuglingssterblichkeit ist von 66 auf 18,5 pro Tausend gesunken (zum Vergleich: Brasilien: 76; Bundesrepublik: 11,6).

Auf Kuba gibt es mehr Ärzte und Krankenschwestern als in jedem vergleichbaren Land, die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist kostenlos. Trotz aller kämpferischen Reden hat das Castro-Regime auch in diesem Jahr doppelt soviel für Erziehung und Gesundheit und noch immer mehr für Kultur und Wissenschaft ausgegeben als für Verteidigung und innere Sicherheit.

Inzwischen gibt es auf Kuba keine Analphabeten mehr, der kostenlose Schulbesuch ist für alle Kinder obligatorisch. Auf Fachschulen und Universitäten zieht Castro eine gut ausgebildete Elite heran, die sich an den Absolventen westlicher Hochschulen messen kann. Castro: »Unsere einzigen Privilegierten sind die Kinder.«

Keiner braucht mehr zu hungern, Slums und Bettler, die Kainszeichen lateinamerikanischer Gesellschaftsstruktur, sind verschwunden. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Kubaner ist seit dem Sieg der Revolution von 50 auf 73 Jahre gestiegen.

Die totale Fürsorge des Staates hat aber ihren Preis, und die Kubaner müssen ihn ungefragt zahlen. Noch immer leben sie in einer für die sozialistischen Systeme typischen Mangelwirtschaft, ohne die Aussicht, daß sich bald etwas Grundsätzliches ändert.

Die Rationierung für alltägliche Bedürfnisse von der Milch bis zur Jacke ist auch ein Vierteljahrhundert nach dem Revolutionssieg nicht abgeschafft; die »libreta«, das Bezugscheinheft, noch immer das wichtigste Buch auf Kuba.

Laut diesem Heft stehen jedem Kubaner fünf Pfund Reis, vier Pfund Zucker und 2,5 Pfund Fleisch im Monat zu, den Männern vier Zigarren (Frauen sind im emanzipierten Kuba von dieser Zuteilung ausgeschlossen). Pro Jahr gibt es ein Paar Schuhe, eine Hose oder ein Kleid und drei Hemden auf Karten.

Durch Schlamperei bei Lagerung und Transport sind selbst diese Waren nicht immer zu haben. Vor allem bei der Fleischversorgung gibt es oft Engpässe.

Die zu Beginn des Castro-Regimes verordnete Gleichheit wurde längst durchbrochen. Neben dem Schwarzmarkt

hat sich ein staatlich geduldeter grauer Markt aufgetan, auf dem Produzenten, wie Bauern und Handwerker, zu erhöhten Preisen anbieten können, was über ihrem staatlichen Abgabesoll liegt.

Doch dies können nur die wenigsten Kubaner bezahlen. Für fünf Pfund Reis, die auf Lebensmittelkarten etwa 1,70 Mark kosten, müssen sie auf dem »befreiten Markt« knapp 18 Mark hergeben, und das bei einem Durchschnittslohn von 500 Mark.

Nur Ärzte und Ingenieure, Kapitäne und Spitzenbeamte verdienen besser, mit Prämien und Zulagen etwa doppelt soviel. Die meisten Industriearbeiter, aber auch die Lehrer, liegen noch unter dem Durchschnittslohn. Am Ende der Lohntabelle stehen jene Landarbeiter, die keine Möglichkeit haben, eigene Produkte auf den Markt zu bringen.

Vieles an der Versorgungskrise ist hausgemacht und nicht nur, wie von der Propaganda dargestellt, eine Folge des amerikanischen Embargos. Noch immer wirkt in der Produktion nach, was der gescheiterte Industrieminister der ersten Jahre, Che Guevara, die »alternative Wirtschaft« nannte: eine Güterherstellung, die sich nicht an den Gesetzen des Marktes orientiert, sondern nach den »Bedürfnissen der Revolution«; ein Zukunftssystem, in dem am Ende auch das Geld abgeschafft werden sollte.

Die Notwendigkeit des hochverschuldeten Landes, auf jedem nur möglichen Weg Devisen zu beschaffen, hat die Wirtschaft zudem total vom Export abhängig gemacht. Kuba muß alles ausführen, was sich im Ausland verkaufen läßt, oft zu Schleuderpreisen: Tabak, Zitrusfrüchte, Zucker.

Als Castro an die Macht kam, hatte er versprochen, diese Monokultur Zucker, die er die »Geißel Kubas« nannte, abzuschaffen. Aber Jahr für Jahr kämpft Kuba noch heute in der »Zafra«, der großen Ernteschlacht, in der Millionen nicht ganz freiwilliger Helfer mitarbeiten, für höhere Erträge. Die gesetzte Planzahl der Revolution, zehn Millionen Tonnen Rohzucker im Jahr, wurde nie erreicht. Auch 1983 werden die Erträge noch unter acht Millionen Tonnen liegen.

Hauptabnehmer des Zuckers sind die Sowjet-Union und ihre europäischen Satelliten. Sie zahlen einen Preis, der 1980 fast doppelt so hoch wie der Weltmarktpreis war. Dafür versorgt die Sowjet-Union Kuba mit verbilligtem Erdöl und Industriegütern: Rund drei Milliarden Dollar hat sich Moskau vergangenes Jahr Kuba kosten lassen.

Halbherzige Versuche der Castro-Führung, nach dem Vorbild des ungarischen Modells durch materiellen Anreiz die private Initiative zu aktivieren, scheiterten schon nach kurzem Anlauf am revolutionären Anspruch: Kleine Kapitalisten, und mögen sie wirtschaftlich auch noch so erfolgreich sein, sind dem Maximo lider ein Greuel.

Unterdessen wird in Havanna auch über die Beteiligung westlicher Unternehmer an kubanischen Betrieben verhandelt, vor allem Kanadier und Franzosen sind sehr interessiert. Bis zu 40 Prozent darf der Anteil der Kapitalisten am Betriebskapital betragen, besonders gefragt sind auf Kuba Joint-Ventures-Abkommen.

Die triste Lage ließ viele Kubaner die Geduld verlieren und gegen das Regime protestieren. Selbst friedliche Demonstrationen sind jedoch unter harte Strafen gestellt. Der kubanische Dichter Armando Valladares, der nach 22 Jahren Kerkerhaft und Arbeitslager Ende vorigen Jahres in den Westen abgeschoben wurde, berichtet von 140 000 Gefangenen auf Kuba.

Bei einem Streik in der Zuckerindustrie im April sollen fünf Streikführer zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt worden sein; Arbeiter und Bauern, die in der Provinz Sancti Spiritus eine bessere Gewerkschaft forderten, verschwanden hinter Gittern.

Die größte Gefahr geht von jenen Auswanderern aus, die seit sechs Jahren ihre Heimat als Touristen wieder besuchen dürfen. Fast eine Million Kubaner, von den Revolutionären als »Gusanos« (Würmer) beschimpft, haben die Insel nach dem Sieg Castros verlassen. Viele von ihnen leben heute als gutverdienende Bürger in den USA. Als sie zu Besuch kamen und in den Devisenläden gegen harte Dollar ihren armen Verwandten kaufen konnten, was für die unerschwinglich ist, gab man ihnen den Namen »Gusanos de seda« (Seidenraupen).

Polit-Tourismus in die permanente Revolution ist über linksgerichtete Reiseveranstalter in Westeuropa schon seit langem möglich - freiwilliger Ernteeinsatz auf den Zuckerrohrfeldern eingeschlossen. Kubas Sucht nach Devisen hat es inzwischen möglich gemacht, einen Urlaubstrip auf Fidels Karibik-Insel auch bei den Branchen-Riesen wie TUI und NUR-Touristic zu buchen: Kuba, die Bahamas des kleinen Mannes.

Die vorsichtige Öffnung erwies sich als riskant: 120 000 Kubaner erzwangen ihre Auswanderung, nachdem sie die Botschaft von Peru in Havanna besetzt hatten. Um ein Blutbad zu vermeiden und Unzufriedene loszuwerden, ließ Fidel Castro sie ziehen.

Trotz gelegentlichen Widerstands - der inzwischen grauhaarig und rundlich gewordene einstige Guerillachef Fidel Castro beherrscht noch immer unangefochten das Land. Seine Macht teilt er nur mit wenigen Getreuen. Die meisten kommen noch immer aus dem Kreis der legendären Comandantes, jenen 82 Rebellen, die 1956 mit der Motorjacht »Granma« in Kuba landeten und den Buschkrieg begannen.

Aber der Kreis dieser Vertrauten ist klein geworden. In der ersten Reihe stehen Bruder Raul, der sich im Gegensatz zu Fidel gern in einer nach sowjetischem Vorbild geschnittenen Generalsuniform zeigt, sowie der Geheimdienstchef und Innenminister Ramiro Valdes. Veteranen aus dem Buschkrieg stellen auch die meisten Minister und 37 Prozent der ZK-Mitglieder.

Regis Debray, der Fidels und Ches Guerilla-Strategie aufgeschrieben hat, sitzt heute als Berater des französischen Staatspräsidenten Mitterrand im Pariser Elysee-Palast. Major Huber Matos, einst Eroberer der Provinz Camagüey, lebt

nach 20 Jahren Haft im Gefängnis Havanna jetzt in den USA und arbeitet am Sturz des Maximo liders.

Der Apparat, auf den sich Fidel stützen kann, ist nicht in erster Linie die 1965 umorganisierte Kommunistische Partei mit 450 000 Mitgliedern, von denen fast die Hälfte nur Anwärter sind: Als Kaderpartei organisiert, hat sie wenig Verbindung zu den Massen.

Herrschafts-Instrument sind vor allem die 75 000 Büros der »Komitees zur Verteidigung der Revolution« (CDR) im ganzen Land mit über einer Million Mitarbeitern.

Die CDR organisieren in den Betrieben oder Wohnblocks den Einsatz von Freiwilligen nach Feierabend, sie achten auf Sauberkeit, Ordnung, Fleiß und Pünktlichkeit, sitzen über kleine Sünder zu Gericht und wachen über die kubanische Moral - eine perfekte Kontrolle. Unverheiratete, die ungestört allein sein wollen, können bei der CDR in eigens dafür eingerichteten Häusern für einen Peso pro Stunde ein Zimmer mieten.

Vieles an diesem »Socialismo tropical« ist, verglichen mit den Zuständen im real existierenden Sozialismus in Europa, selbst für die Betroffenen exotisch. Nur: Als Exportmodell ist diese Revolution, die eher Fidels Machismo als seinen Marxismus beweist, unbrauchbar.

Das hat inzwischen wohl auch Castro einsehen müssen. Seit im Weißen Haus zu Washington Ronald Reagan und im Moskauer Kreml Jurij Andropow regieren, hat sich für den Mann auf Kuba die Welt verändert.

Fidel, der noch vor wenigen Jahren den Einsatz von über 50 000 kubanischen »Interbrigadistas« in Afrika, in der Karibik, in Latein- und Mittelamerika damit rechtfertigte, es sei Kubas Ehrenpflicht, den Völkern der Welt beim Kampf um ihre Befreiung zu helfen, hat am 26. Juli dieses Jahres eine programmatische Rede gehalten. Darin verkündete er eine neue Strategie - den Rückzug der kubanischen Revolution hinter die eigenen Schanzen: _____« Die Freiheit ist keine Gabe, die man verschenken oder » _____« kaufen könnte. Kein einziges Volk hat Recht auf Freiheit, » _____« wenn es sie nicht allein verteidigen kann. » _____« Weder früher noch heute, überhaupt niemals haben wir » _____« Regierungsentscheidungen auf Kosten anderer getroffen ... » _____« wir sind auch nicht der Meinung, daß andere für uns » _____« kämpfen sollen. » _____« Wir hätten weder das Privileg, uns als Revolutionäre » _____« zu bezeichnen, noch uns als freie Menschen zu betrachten, » _____« wenn wir nicht davon überzeugt wären, daß wir uns selbst » _____« genügen, um unser Vaterland und unsere Revolution gegen » _____« jeden Feind, und sei er noch so mächtig, zu verteidigen. »

Im Klartext kann das doch nur heißen: *___Kuba ist nicht willens oder in der Lage, bei einem ____Angriff, etwa auf Nicaragua, militärisch einzugreifen. *___Kuba rechnet im Falle eines Angriffs der USA auf Kuba ____nicht mit Hilfe der Sowjet-Union.

Die US-Invasion gegen Grenada hat den Rückzug der Kubaner beschleunigt, weil auch andere Staaten im karibischen Raum vor dem Kriegsgetöse Reagans Angst bekommen haben.

Aus Nicaragua hat Fidel schon mehr als die Hälfte seiner 4000 Entwicklungshelfer abgezogen, als die US-Flotte zum Dauermanöver vor der Küste aufkreuzte.

Der linke Militärchef von Surinam, Oberstleutnant Bouterse, bislang ein Castro-Freund, schickte die gesamte Mannschaft der kubanischen Botschaft nach Hause und suspendierte ein Wirtschafts- und Kulturabkommen mit Kuba. In Jamaika mußten vier Sowjetdiplomaten gehen, das Büro der kubanischen Nachrichtenagentur wurde geschlossen.

Selbst in Afrika steht die Freundschaft mit Castro zur Disposition. Der Präsident von Mosambik, Machel, bemüht sich um westliche Wirtschaftshilfe und soll sich Anfang Dezember in Lissabon heimlich mit Castros Feind, dem südafrikanischen Premier Botha, getroffen haben.

In Angola, wo noch 20 000 Kubaner unter Waffen stehen, hat die Regierung eine »Überprüfung« des Handelsabkommens mit Kuba angekündigt. Am gleichen Tag gab sie bekannt, daß die USA der größte Abnehmer für angolanisches Erdöl seien.

Die Festung Kuba rüstet inzwischen zur Verteidigung. Castro hat die Zahl der Milizen um 500 000 Mann erhöht und kann damit für den äußersten Notfall nunmehr fast zwei Millionen Kämpfer zu den Waffen rufen.

Gleichzeitig machte er erneut den USA ein friedliches Angebot: Er sei zu einem Gipfeltreffen mit Reagan »ohne jede Vorbedingungen« bereit - also auch, ohne vorher die Aufhebung der US-Blockade zu verlangen. Eine Antwort aus Washington steht noch aus.

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