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Briefe

LAGEBESPRECHUNG
aus DER SPIEGEL 18/1967

LAGEBESPRECHUNG

(Nr. 15/1967, Briefe)

Es ist mir und wahrscheinlich vielen SPIEGEL-Lesern ein völliges Rätsel, wie der sowjetische Oberst Alexander Wladimirow aus meinem SPIEGEL-Artikel (Nummer 48/1966) praktisch genau das Gegenteil von dem herauslesen konnte, was ich dort an Vorstellungen und Vorschlägen der Öffentlichkeit unterbreitet habe.

Wenn man Böswilligkeit ausschaltet -- und das tue ich zunächst, auch wenn es schwerfällt -, bleibt nur der Schluß übrig,

daß Oberst Wladimirow einem möglicherweise auf fehlerhafter Übersetzung beruhenden groben Mißverständnis zum Opfer gefallen ist.

Darauf deutet vor allem seine geradezu grotesk wirkende Behauptung, der springende Punkt meines Planes sei die Forderung nach Umbildung und Umrüstung der Bundeswehr, sprich des Heeres, zu einer beweglichen Panzertruppe, »die in der Lage sein muß, den Gegner rasch und vernichtend zu schlagen«.

Weiß denn der sowjetische Oberst aus Moskau nicht, daß die Bundeswehr in ihrem Kern seit eh und je aus zwölf Divisionen, darunter zehn Panzer- und Panzergrenadierdivisionen besteht, also eben die bewegliche Panzertruppe längst besitzt, die ich angeblich als Ziel einer Umbildung und Umrüstung verlange, um aggressiv Richtung Osten werden zu können?

Es lohnt nicht, auf eine so unsagbar törichte Unterstellung näher einzugehen. Ich kann Herrn Wladimirow nur raten, sieh meinen damaligen SPIEGEL-Artikel erneut, und zwar diesmal in einer einwandfreien Übersetzung vorzunehmen und ihn gründlicher als bisher zu studieren.

Er dürfte dann unschwer erkennen, daß ich in Wahrheit eine radikale Umstellung des heutigen Bundesheeres auf zwar selbstverständlich voll bewegliche, ihrer Struktur nach aber ganz auf Defensive ausgerichtete, ausschließlich konventionell bewaffnete und vor allem auf Panzerabwehr eingestellte Grenzsicherungsverbände gefordert habe.

Daß derartige Verbände ebenso wie die höhere Führung auch über gewisse Eingreifreserven in Form gepanzerter Kampfgruppen verfügen müssen, die notfalls in der Lage sind, »Feuerwehr« zu spielen und durchgebrochene Kräfte des Gegners »rasch und vernichtend zu schlagen«, versteht sich für jeden erfahrenen Soldaten am Rande.

Im übrigen sollte der Oberst Wladimirow nicht geflissentlich übersehen, daß ich die völlige Freimachung nicht nur der Bundeswehr, sondern ganz Westdeutschlands von Atomwaffen jeder Art postuliere und schließlich für eine weitgehende zahlenmäßige Reduzierung der aktiven Streitkräfte der Bundesrepublik eintrete.

Ich hoffe, daß der sowjetische Kollege seinen kapitalen Irrtum einsieht und es in Zukunft unterläßt, haltlose Vorwürfe zu erheben, die an Brunnenvergiftung grenzen.

Hannover BOGISLAW VON BONIN

Oberst i. G. a. D.

Sehr geehrter

Herr Oberst Wladimirow!

Ihren Leserbrief habe ich mit großem Interesse gelesen, und obwohl zu diesem eine Menge zu sagen wäre, möchte ich nur auf eine Stelle Ihres Schreibens eingehen. Sie scheint mir die wesentlichste zu sein.

Sie schreiben: »Tatsächlich hat die Sowjet-Union niemals jemand überfallen und beabsichtigt es auch in Zukunft nicht. Ihre friedliebende Politik überzeugt allmählich auch besonders mißtrauische Menschen im Westen, daß die »sowjetische Angriffsgefahr' ein Märchen ist, welches die amerikanische Propaganda erfunden hat, um die eigene aggressive Politik zu rechtfertigen.«

Hierzu möchte ich bemerken: Ich war fast elf Jahre in sowjetischer Kriegsgefangenschaft. Auf den vielen Arbeitsstellen, an denen ich eingesetzt war, hatte ich reichlichst Gelegenheit, mit russischen Arbeitern und Arbeiterinnen sowie mit Kolchosbauern zusammenzuarbeiten. Bei diesen Gelegenheiten habe ich das russische Volk kennen- und liebengelernt und weiß, daß es sich nichts sehnlicher als den Frieden wünscht, seine Heimat liebt, stolz auf seine Dichter und Komponisten ist und mit vorbildlichem Fiel« an der Entwicklung seines Landes mitschafft.

Dank der uns Kriegsgefangenen großzügig zur Verfügung gestellten sowjetisch-ideologischen Literatur hatte ich jedoch auch die Gelegenheit, mich eingehend mit den Leninschen philosophischen Grundlagen des Kommunismus und der sowjetischen Enzyklopädie zu befassen.

In letzterer heißt es: »Friede ist ein Zustand, der erst dann erreicht ist, wenn der Kommunismus in der ganzen Welt gesiegt haben wird.« Lenin lehnt eine friedliche Durchdringung der Weit mit der kommunistischen Weltanschauung grundsätzlich ah. Vertreter dieser Richtung wurden und werden in ihrem Land entweder liquidiert oder verschwinden von der Bildfläche als sogenannte »Opportunisten oder Abweichler«. Da Lenin den »Sieg des Kommunismus« mit Hilfe von Revolution und Kampf fordert, frage ich Sie, Herr Oberst: Wie können Sie die »sowjetische Angriffsgefahr, als ein Märchen bezeichnen, welches die amerikanische Propaganda und im weiteren Verfolg natürlich auch die deutsche erfunden hat? Heidelberg GEORG LEJEUNE-JUNG Oberstleutnant

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